Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Wird ein Lebensversicherungsvertrag vor Ablauf der Versicherungslaufzeit durch Änderung von Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer geändert, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war oder einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden ist, liegt hinsichtlich der Änderungen in ertragsteuerlicher Hinsicht ein neuer Vertrag vor (Anschluss an BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 VIII R 71/04, BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53, m.w.N.).
2. Erfolgt die Änderung des Vertrages vor Fälligkeit der vertragsgemäß geschuldeten Versicherungsleistung unter (neuer) Vereinbarung eines späteren einheitlichen Fälligkeitszeitpunkts für die dem Steuerpflichtigen als Versicherungsnehmer zustehenden Zinsen (auch hinsichtlich des Zeitraums vor Änderung des Vertrages), entsteht die Zahlungspflicht des Versicherungsunterneh-mens erst zu diesem Zeitpunkt; erst mit dem dann veranlassten tatsächlichen Eingang der Zahlungen fließen die Zinsen dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 11 EStG zu.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte am 15.10.1981 – rückwirkend ab 1.7.1979 – mit einer Laufzeit bis zum 1.7.1993 eine sog. Bankdarlehen-Tilgungsversicherung bei einer Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossen. Anlässlich einer Außenprüfung wies das FA den Kläger darauf hin, dass der Versicherungsvertrag eine Laufzeit von weniger als 12 Jahren habe und daher die künftigen Erträge aus der Versicherung zu versteuern seien.
Deshalb vereinbarte der Kläger mit der Lebensversicherungsgesellschaft am 17.8.1989 eine Änderung des Versicherungsvertrages. Danach wurden die Laufzeit des Vertrages sowie der Beitragszahlungszeitraum – beginnend mit dem 1.7.1989 – bis zum 1.7.2001 verlängert und die Versicherungssumme erhöht. Am 5.7.1990 wurde die Versicherung rückwirkend ab dem 1.7.1990 bis zum Vertragsablauf am 1.7.2001 beitragsfrei gestellt und die Versicherungssumme herabgesetzt.
In der Einkommensteuererklärung für 2001 erklärten die Kläger Zinsen und andere Erträge aus Lebensversicherungen in Höhe von 3.297.173 DM für den Zeitraum 1.7.1989 bis 1.7.2001.
Trotz antragsgemäßer Veranlagung erhoben die Kläger dagegen Einspruch, da die Zinserträge aus der Lebensversicherung entgegen der eingereichten Zinsbescheinigung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG steuerfrei seien. Der 1981 abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag habe eine Laufzeit von mehr als 12 Jahren vom 1.7.1979 bis zum 1.7.1993 gehabt.
Das FA wies die Kläger auf die Möglichkeit einer Verböserung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO wegen der Steuerbarkeit der im Zeitraum bis zur Vertragsänderung (1.7.1989) erwirtschafteten Zinsen in Höhe von 625.875 DM hin, die bislang nicht besteuert worden waren.
Nachdem die Kläger den Einspruch nicht zurückgenommen hatten, legte das FA auch diesen Betrag der Besteuerung zugrunde und wies den Einspruch zurück. Das FG hat die hiergegen erhobene Klage als unbegründet zurückgewiesen (Hessisches FG, Urteil vom 5.12.2012, 9 K 2235/07, Haufe-Index 6474368).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und die Steuerbarkeit der Zinsen bejaht.
Hinweis
1. Was man beim Abschluss eines Vertrages über eine Lebensversicherung vor dem 1.1.2005 alles falsch machen kann, zeigt der vorliegende Fall.
Bei diesen Altverträgen waren Zinsen und Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG steuerfrei, wenn es sich um Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b handelte und die Zinsen im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt wurden. Für Verträge, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden, gilt diese steuerliche Begünstigung nicht mehr.
2. Auch der Kläger konnte von der Steuerbefreiung nicht profitieren, da bei Abschluss und Durchführung des Vertrages mehrere Fehler begangen wurden.
Der zunächst am 15.10.1981 bis zum 1.7.1993 abgeschlossene Vertrag hatte nicht die für eine Steuerfreiheit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG erforderliche Mindestlaufzeit von 12 Jahren. Diese bemisst sich nach der Zeitspanne zwischen dem Abschluss des Vertrages und dem vereinbarten Endzeitpunkt. Nach der Rechtsprechung des BFH führt eine Rückdatierung des Vertrages nicht zu einer Verlängerung der Laufzeit. Danach waren die Zinsen bereits bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages steuerpflichtig.
3. Auch der Rettungsversuch des Klägers scheiterte. Da bei der "Änderung" des alten Vertragesim Jahr 1989 wesentliche Merkmale wie Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer geändert wurden und die Möglichkeit der Vertragsänderung im ursprünglichen Versicherungsvertrag nicht vorgesehen war, lag ein neuer Vertrag vor. Deshalb waren die Voraussetzungen der Steuerfreiheit der Zinserträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG für den Alt- wie den Neuvertra...