Kommentar
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die britische Versicherungsprämiensteuer, deren Steuersatz für bestimmte Versicherungsleistungen dem britischen Normalsatz der Umsatzsteuer entspricht, eine (unzulässige) Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der 6. EG-Richtlinie ist. Weiterhin war streitig, ob die Einführung des Versicherungsprämiensteuersatzes von 17,5 % von einer entsprechenden Ermächtigung des Rates gemäß Artikel 27 der 6. EG-Richtlinie hätte abhängig gemacht werden müssen.
Im Vereinigten Königreich sind (wie im deutschen Umsatzsteuerrecht) Versicherungsleistungen in der Anwendung von Artikel 13 der 6. EG-Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit. Stattdessen wird (wie in Deutschland) eine Versicherungsprämiensteuer als Abgabe auf die Einnahmen aus Versicherungsprämien durch den Versicherer erhoben. Der Normalsteuersatz dieser Prämiensteuer betrug im Vereinigten Königreich ursprünglich 2,5 % und wurde 1997 auf 4 % angehoben. Gleichzeitig wurde ein erhöhter Prämiensteuersatz von 17,5 % eingeführt, der dem britischen Normalsatz der Umsatzsteuer entspricht. Dieser Satz wird nur auf Versicherungsprämien für Haushaltsgeräte, Kraftfahrzeuge und Reisen angewandt. Soweit es um Haushaltsgeräte geht, gilt der erhöhte Satz nur, wenn der Versicherer mit dem Lieferanten des Geräts organschaftlich verbunden ist, die Versicherung durch den Lieferanten ermittelt wird oder wenn dem Lieferanten eine Kommission gezahlt wird. Eine vergleichbare Versicherung, die von einem Makler oder direkt von Versicherungsgesellschaften verkauft wird, unterliegt dem Normalsatz von 4 %. Soweit es um Reisen geht, wird der erhöhte Prämiensteuersatz nur auf Reiseversicherungen angewandt, die von Reisebüros verkauft werden. Reiseversicherungen, die direkt von Versicherern verkauft werden, unterliegen dem Normalsatz.
Der EuGH hat entschieden, dass die Versicherungsprämiensteuer keine unzulässige Steuer mit Mehrwertsteuercharakter nach Artikel 33 der 6. EG-Richtlinie ist. Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung zu dieser Vorschrift stellt er fest, dass die Versicherungsprämiensteuer keine der wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweist und daher mit Artikel 33 der 6. EG-Richtlinie vereinbar ist.
Nach der weiteren Entscheidung war das Vereinigte Königreich auch nicht gehindert, trotz der Umsatzsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze nach Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie eine Versicherungsprämiensteuer einzuführen. Nach dem Urteil ist jeder Mitgliedstaat befugt, trotz der Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil B Buchst. a eine Steuer auf Versicherungsverträge beizubehalten oder einzuführen und differenzierte Sätze für diese Steuer vorzusehen, unter der Voraussetzung, es handelt sich nicht um eine Umsatzsteuer. Von daher war das Vereinigte Königreich auch nicht gehalten, eine Ratsermächtigung nach Artikel 27 der 6. EG-Richtlinie einzuholen.
Die weiteren Fragen des Vorlagengerichts, ob aufgrund der verschiedenen Steuersätze eine mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag vorliegt, hat der EuGH nicht beantwortet.
Aus dem Urteil ergeben sich keine Auswirkungen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht bzw. das deutsche Versicherungssteuergesetz.
Kläger: Gil Insurance Ltd u.a.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-308/01