Leitsatz

1. Soweit der Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer an die Kenntnis der Finanzbehörde von der Schenkung anknüpft, ist auf die Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des zuständigen FA abzustellen.

2. Die Kenntnis des zuständigen FA als solches von der Schenkung genügt lediglich dann, wenn ihm die Schenkung ausdrücklich zur Prüfung der Schenkungsteuerpflicht bekannt gegeben wird, die Information aber aufgrund organisatorischer Mängel oder Fehlverhaltens die berufene Dienststelle nicht unverzüglich erreicht.

 

Normenkette

§ 170 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 2 AO 1977 , § 30 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 ErbStG

 

Sachverhalt

1987 schenkte der Vater dem Kläger jeweils 60 % eines Geschäftsanteils an einer GmbH und einer Kommanditbeteiligung an einer KG. 1990 wandte der Vater dem Kläger außerdem mittelbar ein Grundstück zu. Nachdem die Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des FA im Jahr 1996 durch die Mitteilung einer anderen Steuerbehörde infolge einer bei der KG durchgeführten Außenprüfung von den Schenkungen erfahren hatte, setzte es im Juni 1997 die Schenkungsteuer durch zwei Bescheide fest.

Gegen diese Bescheide wandte sich der Kläger mit der Begründung, es sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Anlauf der Frist sei nicht durch § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO hinausgeschoben worden. "Finanzbehörde" im Sinn dieser Vorschrift sei die Finanzverwaltung im Allgemeinen, zumindest aber das zuständige FA als solches. Im Streitfall hätte aber die für die Prüfung und Veranlagung der KG zuständige Steuerbehörde bereits 1989 und 1991 von den Schenkungen erfahren. Auch die Kapitalverkehrsteuerstelle des beklagten FA sei bereits zwischen 1988 und 1991 über die Schenkungen informiert worden.

Einspruch, Klage und Revision hatten jedoch keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Immer dann, wenn der Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer an die Kenntnis der Finanzbehörde anknüpft, ist grundsätzlich auf die Kenntnis der organisatorisch zu Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des zuständigen FA abzustellen. Die Kenntnis einer anderen Finanzbehörde als des zuständigen FA ist unbeachtlich. Insoweit kann nicht auf die Definition in § 6 AO zurückgegriffen werden. Ebenso unbeachtlich ist die Kenntnis einer anderen Dienststelle innerhalb des zuständigen FA. Die einzige Ausnahme bildet der im zweiten Leitsatz angeführte Sachverhalt.

Zur Begründung dafür, dass grundsätzlich auf die Kenntnis der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle abzustellen ist, verweist der BFH auf die Vorschrift des § 30 ErbStG. Ihr entnimmt der BFH über die Fälle einer Anzeigepflicht hinaus ganz allgemein zweierlei. Nämlich zum einen, welche inhaltlichen Anforderungen an eine Frist auslösende Kenntnis des FA von der Schenkung zu stellen sind, und zum anderen, dass die Kenntnis des FA als solches nur ausreicht, wenn sie gezielt zur Prüfung einer Schenkungsteuerpflicht verschafft worden ist, und dass ansonsten die Kenntnis der zuständigen Dienststelle innerhalb des FA erforderlich ist.

 

Hinweis

Der Beginn der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer ist in § 170 AO in dreifacher Weise angesprochen, nämlich in Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 2 der Vorschrift. Abs. 1 besagt, dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs der Steuerentstehung beginnt; Abs. 2 Nr. 1 besagt, dass die Frist bei bestehender Anzeigepflicht mit Ablauf des Kalenderjahrs der Anzeige – spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung folgt, beginnt.

Abs. 5 Nr. 2 besagt sowohl für die Fälle des Abs. 1 als auch für die des Abs. 2 Nr. 1, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem entweder der Schenker verstorben ist oder die Finanzbehörde von der (vollzogenen) Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als erste eintritt. Soweit Abs. 5 Nr. 2 auf Fälle des Abs. 2 Nr. 1 anzuwenden ist, wird die in Abs. 2 Nr. 1 enthaltene Dreijahresgrenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt.

Die Aufwendungsfälle des Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 unterscheiden sich nicht – wie man nach dem Wortlaut des Abs. 2 Nr. 1 annehmen könnte – danach, ob eine Anzeigepflicht besteht oder nicht, sondern danach, ob eine Anzeigepflicht nur für Gerichte oder Notare nach § 34 ErbStG besteht – dann greift Abs. 1 ein – oder ob eine Anzeigepflicht für den Steuerpflichtigen nach § 30 ErbStG besteht. Nur die Anzeigepflichten nach § 30 ErbStG sind in Abs. 2 Nr. 1 gemeint.

Bei einer Anzeigepflicht für den Steuerpflichtigen nach § 30 ErbStG – also in den Fällen des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO – beginnt die Festsetzungsfrist nicht nur mit dem Ablauf des Jahres der Anzeige, sondern nach der Rechtsprechung auch dann, wenn die Behörde anderweitig die erforderliche Kenntnis von der Schenkung erlangt hat (BFH, Urteil vom 30.10.1996, II R 70/94, BStBl II 1997, 11). Im Anwendungsbereich des Abs....

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