Leitsatz
Der Einwand, das Kindergeld sei auf ein allein der Verfügungsmacht des Berechtigten unterliegendes Konto überwiesen worden, ist unbeachtlich, solange der Berechtigte nicht nach der in der Verwaltungsanweisung dafür vorgesehenen Form bestätigt, seinen Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld als erfüllt anzusehen (vgl. Abschn. 64.4 Abs. 3 DA-FamEStG; früher Abschn. 64.4 Abs. 4 bis 8 DA-FamEStG 2002/2004).
Normenkette
§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 37 Abs. 2 AO, § 226, § 242 BGB
Sachverhalt
Der Kläger erhielt Kindergeld für seine 1988 und 1999 geborenen Söhne. Deren beigeladene Mutter hatte sich schriftlich mit der Auszahlung des Kindergeldes an ihn einverstanden erklärt. Seit 1999 überwies die Familienkasse das zugunsten des Klägers festgesetzte Kindergeld auf das von ihm angegebene Konto der Beigeladenen.
Im November 2004 erfuhr die Familienkasse, dass der Kläger 2003 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, in der die Beigeladene und die Söhne weiterhin lebten. Im Februar 2005 beantragte die Beigeladene Kindergeld für beide Kinder und gab dafür das Konto an, auf das das Kindergeld schon zuvor gezahlt worden war. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger für beide Kinder ab September 2003 auf und forderte das ausgezahlte Kindergeld von 5.236 EUR zurück. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage gegen die Rückforderung des Kindergeldes statt (FG Nürnberg, Urteil vom 25.9.2008, IV 267/2006, Haufe-Index 2114330, EFG 2009, 840), weil seit seinem Auszug nur noch die Beigeladene über ihr Konto habe verfügen können.
Entscheidung
Dem BFH genügte dies nicht, er hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Kindergeld wird nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten entscheidet die Haushaltsaufnahme. Bei Aufnahme des Kindes in den gemeinsamen Haushalt mehrerer Berechtigter bestimmen diese, wer das Kindergeld erhalten soll. Die Berechtigtenbestimmung verliert aber ihre Wirkung, wenn der Kindergeldempfänger den Haushalt verlässt, in dem der andere Elternteil und das Kind verbleiben.
2. Oft unterlässt es der vormals vorrangig berechtigte Elternteil, die Familienkasse von seinem Auszug in Kenntnis zu setzen, damit die Kindergeldfestsetzung zu seinen Gunsten aufgehoben und das Kindergeld stattdessen für den anderen Elternteil neu festgesetzt wird. In der Praxis behelfen sich die Beteiligten häufig damit, dass der vormals Berechtigte das Kindergeld stattdessen weiterleitet oder die Familienkasse anweist, direkt auf ein Konto des weiterhin mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils zu überweisen.
3. Erfährt die Familienkasse vom Auszug, so wird wegen des Berechtigtenwechsels die bisherige Festsetzung nach § 70 Abs. 2 EStGrückwirkend auf den dem Auszug folgenden Monat aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert. Schuldner des Rückforderungsanspruchs ist der Leistungsempfänger (§ 37 Abs. 2 AO). Leistungsempfänger ist nicht, wer das Kindergeld letztlich erhalten hat oder auf wessen Konto die Familienkasse überwiesen hat, sondern wessen Zahlungsanspruch als Kindergeldberechtigter die Familienkasse erfüllen wollte.
4. Der Erstattungsschuldner wird nicht in Anspruch genommen, wenn er den amtlichen Vordruck mit der Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringt, dass dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht. Die Weiterleitung schließt die Rückforderung aber nicht von Gesetzes wegen aus, sondern wird aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Erstattungsanspruchs im verkürzten Zahlungsweg berücksichtigt.
5. Wird die Bestätigung über den Erhalt des Kindergeldes und die dadurch eingetretene Erfüllungswirkung nicht auf dem dafür vorgesehenen Vordruck abgegeben, bleibt es bei der Inanspruchnahme des vormals vorrangig Berechtigten. Aus welchen Gründen die Bestätigung nicht abgegeben wird, braucht die Familienkasse nicht zu interessieren. Die Geltendmachung ihres Rückforderungsanspruchs nach dem Berechtigtenwechsel verstößt weder gegen das Schikaneverbot noch gegen Treu und Glauben.
6. Wenn sich der "neue" Kindergeldberechtigte weigert, die Weiterleitungsbestätigung abzugeben, muss der Erstattungsschuldner an die Familienkasse zahlen und zivilrechtlich gegen den Berechtigten vorgehen, der das Kindergeld für den Rückforderungszeitraum doppelt erhalten hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.9.2011 – III R 82/08