Leitsatz
Art. 20 Abs. 3 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein Investitionsgut gegen Zahlung einer hohen Abstandszahlung für 999 Jahre an eine Person vermietet wird und das Resteigentumsrecht an diesem Gegenstand drei Tage später zu einem weitaus geringeren Preis an eine andere Person veräußert wird und wenn diese beiden Umsätze
- unlöslich miteinander verbunden sind und
- aus einem ersten, steuerfreien, und einem zweiten, besteuerten, Umsatz bestehen
- und wenn diese Umsätze aufgrund der Übertragung der Befugnis, über dieses Investitionsgut wie ein Eigentümer zu verfügen, Lieferungen i.S.d. Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen,
der fragliche Gegenstand bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums so behandelt wird, als ob er für gewerbliche Tätigkeiten verwendet worden ist, die je nach dem Anteil der jeweiligen Werte der beiden Umsätze teilweise besteuert und teilweise von der Steuer befreit sind.
Normenkette
Art. 2 Nr. 1, Art 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 der 6. EG-RL (vgl. § 3 Abs. 1, § 15a UStG)
Sachverhalt
Centralan war – ebenso wie Inhoco – eine 100 %ige Tochter der Centralan Holdings Ltd, deren alleinige Gesellschafterin war die Universität L. Centralan hatte für die Steuerpflicht der Vermietungsumsätze optiert, Inhoco nicht. Die Universität bebaute ein Grundstück, verkaufte es an Centralan, diese vermietete es für 20 Jahre (USt-pflichtig) zurück.
Dann "vermietete" Centralan das Grundstück für 999 Jahre an Inhoco (hohe Abstandszahlung, geringe Miete) – als verbundene Personen steuerfrei – und veräußerte das Resteigentum steuerpflichtig an die Universität (geringes Entgelt). Streitig war, welcher Vorgang die Berichtigung auslöst.
Entscheidung
Der EuGH entschied wie in den Praxis-Hinweisen erläutert. Die Überlegung, ob im Streitfall das Verbot des Rechtsmissbrauchs der Berücksichtigung der vertraglichen "Gestaltung" entgegenstand, brauchte der EuGH nicht zu entscheiden, da er vom Vorliegen zweier Lieferungen und entsprechender Berichtigungsmöglichkeit ausgegangen war.
Hinweis
Nach Art. 5 Abs. 3 der 6. EG-RL können die Mitgliedstaaten als körperlichen Gegenstand behandeln
(a) bestimmte Rechte an Grundstücken,
(b) dingliche Rechte, die ihrem Inhaber ein Nutzungsrecht an Grundstücken geben und
(c) Anteilrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsächlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstück oder Grundstücksteil begründet.
1. Nach englischem Recht lässt sich ein volles Eigentumsrecht ("freehold") als Recht zum Besitz einer Immobilie auf unbegrenzte Zeit beschreiben, wenn es nicht durch andere so genannte "mindere" Rechte belastet ist. Die Miete ("lease") iist ein "leasehold"-Recht, das dem Recht entspricht, eine Immobilie für einen bestimmten Zeitraum (ohne Begrenzung, wie hier z.B. 999 Jahre) in Besitz zu nehmen.
Der Inhaber eines vollen Eigentumsrechts ("freehold") kann – wie im Besprechungsfall – für die "Vermietung" für 999 Jahren eine hohe Abstandszahlung ("premium") oder einen geringen Mietzins verlangen oder beides kombinieren. Im ersten Fall hat er nur eine Art "Resteigentumsrecht" (das Grundstück bei Mietende in Besitz zu nehmen und während der Vermietung ggf. den Mietzins einzunehmen). Der Inhaber eines unbelasteten vollen Eigentumsrechts kann also – wie im Besprechungsfall – seine Rechte an einem Gebäude durch mehrere Vorgänge veräußern: Erstens durch eine "Vermietung" das Recht übertragen, die Immobilie für eine begrenzte Zeit in Besitz zu nehmen (als Gegenleistung zu einem Mietzins, einer Abstandszahlung oder einer Kombination dieser beiden Elemente) und zweitens durch die Übertragung des Resteigentumsrechts das Recht veräußern, die Immobilie am Ende der Mietzeit in Besitz zu nehmen, zusammen mit dem Recht, den gesamten im Rahmen der Vermietung geschuldeten Mietzins einzunehmen.
Fraglich war, an welchen Vorgang die Berichtigung anzuknüpfen hat, wenn der Steuerpflichtige im Berichtigungszeitraum zwei als Lieferungen beurteilte Sachverhalte verwirklicht, deren Wirkung zeitlich versetzt, ist und wenn die beiden Umsätze – wie im Streitfall festgestellt – unlöslich miteinander verbunden und im Voraus festgelegt waren.
Entscheidendes Kriterium für die Abziehbarkeit der USt (Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-RL – vgl. § 15 Abs. 4 UStG – bei "gemischt" verwendeten Leistungen) und für die Berichtigung (Art. 20 der 6. EG-RL; vgl. § 15a UStG) ist die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen. Die Berichtigungsregelung für Investitionsgüter ist durch die lang dauernde Nutzung dieser Gegenstände und die gleichzeitige Abschreibung ihrer Anschaffungskosten erklärt und gerechtfertigt (vgl. Rd.Nr. 55).
Nach Art. 20 Abs. 3 der 6. EG-RL (vgl. § 15a Abs. 8 UStG) wird bei Lieferung eines Investitionsguts vor dem Ende des Berichtigungszeitraums die jährliche Berichtigung durch eine einzige, auf die vermutete Nutzung des fraglichen Investitionsguts während der Restlaufzeit gestützte Berichtigung ersetzt; deshalb hängt die Abzugsfähigkeit der USt davon ab...