Leitsatz
Erzielt ein Steuerpflichtiger negative Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die Beteiligung an einer Gesellschaft im Wege einer sog. Einzelinvestition, erfordert das Ausnutzen einer modellhaften Gestaltung zur Verlusterzielung aufgrund eines vorgefertigten Konzepts, dass er sich bei der Entwicklung der Geschäftsidee, der Vertragsgestaltung und der Vertragsumsetzung wie ein passiver Kapitalanleger verhält (Bestätigung des BFH-Urteils vom 17.01.2017 – VIII R 7/13, BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700).
Normenkette
§ 15b Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Sätze 3 bis 5, § 20 Abs. 2b, § 52 Abs. 33a, Abs. 37d EStG
Sachverhalt
Der Beigeladene zu 2. verfügte im Streitjahr 2006 über hohe steuerpflichtige Einkünfte aus Immobilienveräußerungen und beauftragte im November 2006 Rechtsanwalt und Steuerberater R mit der Entwicklung einer Anlagestruktur zur Schaffung steuerlichen Verlustverrechnungspotenzials. Ausgehend von dem durch R daraufhin empfohlenen Erwerb einer fremdfinanzierten Schuldverschreibung gründeten die Beigeladenen zu 1. und 2. die Klägerin als vermögensverwaltende und nicht gewerblich geprägte KG. Kommanditisten wurden die Beigeladenen zu 1. (mit einem Anteil von 15,80 %) und zu 2. (mit einem Anteil von 83,80 %). Der Beigeladene zu 3. beteiligte sich als atypisch stiller Gesellschafter mit einem Anteil von 0,40 %. Der Beigeladene zu 2. wurde neben der Komplementärin zum Geschäftsführer der Klägerin berufen.
Noch im Jahr 2006 erwarb die Klägerin Schuldverschreibungen der in Luxemburg ansässigen A-Bank. Diese hatten eine Laufzeit von zehn Jahren und wurden jährlich mit einem festen Zinssatz von 4 % verzinst. Zusätzlich wurde die Zahlung eines garantierten und variablen Bonuszinses zum Endfälligkeitstermin vereinbart. Die Finanzierung des Erwerbs erfolgte über ein Darlehen der im Inland ansässigen B-Bank. Die B-Bank zahlte das Darlehen im Streitjahr abzüglich des Disagios an die Klägerin aus. Die Klägerin leistete an die B-Bank die vorschüssig zu zahlenden Darlehenszinsen. Wegen der nachschüssig an sie zu zahlenden Zinsen erzielte die Klägerin im Streitjahr noch keine Zinseinnahmen.
Der Zeichnung und Fremdfinanzierung der Schuldverschreibungen durch die Klägerin waren Verhandlungen der Beigeladenen mit verschiedenen Banken vorausgegangen. Sie entschieden sich letztlich dazu, die Schuldverschreibung bei der A-Bank zu zeichnen und den hierfür notwendigen Kredit bei der von R vorgeschlagenen B-Bank aufzunehmen. Hinsichtlich der Schuldverschreibung und der Kreditfinanzierung konnten sie dabei u.a. die Investitionssumme und die Laufzeit unter Berücksichtigung ihrer individuellen wirtschaftlichen und steuerlichen Anforderungen bestimmen. R gab diese Angaben an die A-Bank und die B-Bank weiter.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr erklärte die Klägerin Einnahmen aus inländischen Zinsen und Werbungskosten zu ausländischen Zinsen, bestehend u.a. aus dem Disagio und den im Streitjahr vorschüssig gezahlten Darlehenszinsen. Das FA sah die Beteiligungen der Beigeladenen an der Klägerin als Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG an und stellte mit Bescheid vom 24.4.2009 einen nicht ausgleichsfähigen Verlust i.S.d. § 15b Abs. 4 EStG zum 31.12.2006 und dessen Verteilung auf die Beigeladenen gesondert und einheitlich fest. Die Verlustfeststellung wurde mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen für das Streitjahr vom 24.4.2009 verbunden.
Der Einspruch der Klägerin, der sich u.a. gegen die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b EStG richtete, wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 6.3.2019, 7 K 739/15, Haufe-Index 13540161, EFG 2019, 1761).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Hinweis
In der Besprechungsentscheidung präzisiert der BFH die Anforderungen an das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b EStG bei Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen.
1. Ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 20 Abs. 2b Satz 1 i.V.m. § 15b Abs. 1 EStG liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 Satz 3 EStG).
2. Der Einsatz einer modellhaften Gestaltung zur Erzielung negativer Einkünfte i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG ist nicht bereits dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige eine (in Fachkreisen) bekannte Gestaltungsidee mit dem Ziel der Verlusterzielung und -verrechnung aufgreift und selbst umsetzt. Hinzutreten muss gemäß § ...