Leitsatz
Bei Aufnahme einer weiteren Tätigkeit durch eine Kapitalgesellschaft, auf die § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) Anwendung findet, ist erst mit der getrennten Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte und mit dem Unterlassen einer Verlustverrechnung oder eines Verlustabzugs (§ 8 Abs. 9 Satz 2, 4 und 5 KStG) eine Entscheidung darüber verbunden, ob eine neue, gesonderte Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 3 Halbsatz 1 KStG vorliegt. Dies gilt entsprechend für den Veranlagungszeitraum, in dem eine Organschaft neu begründet wird.
Normenkette
§ 8 Abs. 9, § 8a Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 40 Abs. 2 FGO, § 10a Satz 9 GewStG, § 4h Abs. 4 Sätze 1 und 4, § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG
Sachverhalt
Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, ist eine Stadt. Die Klägerin war Organträgerin der A-GmbH, die nach ihrem Unternehmensgegenstand Personen und Gegenstände mit Kraftfahrzeugen und Bahnen beförderte. Zudem war die Klägerin mit über 50 % an der B-AG beteiligt, die im Bereich der Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme tätig war. Weiter verpachtete die Klägerin Immobilien und hielt auch Beteiligungen. Zum Beginn des Jahres 2009 bildete die Klägerin eine Sparte 1 "Verkehr und Versorgung" und eine Sparte 2 "Immobilienwirtschaft". Mit Wirkung ab 1.1.2010 begründete die Klägerin durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit der B-AG. Das FA ging davon aus, dass im Jahr 2009 neben der Sparte 2 "Immobilienwirtschaft" die Sparte 1 "Verkehr" bestanden habe. Die Begründung der Organschaft zwischen der Klägerin und der B-AG im Jahr 2010 habe zur Bildung einer weiteren Sparte 3 "Verkehr und Versorgung" geführt.
Mit ihrer Klage wendete sich die Klägerin auch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2009 und gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG zum 31.12.2009 sowie den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009. Die Klage zum FG hatte Erfolg (Hessisches FG, Gerichtsbescheid vom 6.4.2020, 4 K 1112/18, Haufe-Index 14099648).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Bei der Begründung einer Organschaft wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger erstmals für das Jahr der Begründung der Organschaft zugerechnet (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KStG) und damit erstmals für dieses Jahr in der Spartenrechnung eines der Spartenrechnung unterliegenden Organträgers berücksichtigt.
2. Wendet sich ein der sog. Spartenrechnung unterliegender Organträger im Hinblick auf die vom FA aufgrund der Begründung einer Organschaft vorgenommenen Spartentrennung gegen einen Körperschaftsteuerbescheid und gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG für ein Jahr (Zeitpunkt) vor der Begründung der Organschaft, ist die Klage unzulässig, da eine Rechtsverletzung nicht hinreichend geltend gemacht werden kann (§ 40 Abs. 2 FGO).
Denn eine Rechtsverletzung durch eine Zuordnung der weiteren Tätigkeit der Organgesellschaft zu den Sparten i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG kann erstmals für den VZ geltend gemacht werden, in dem die weitere Tätigkeit aufgenommen wurde. Dies gilt entsprechend für den VZ, in dem eine Organschaft neu begründet wird, mit der Folge, dass das Einkommen der Organgesellschaft erstmals dem Organträger in diesem VZ zugerechnet und somit in der Spartenrechnung des Organträgers berücksichtigt wird (§ 8 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 KStG).
3. Gleiches gilt für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.3.2024 – V R 2/24