Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Kein Abzug von Zinszahlungen von einem auf Ehegatten lautenden Oder-Konto nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten als nachträgliche Betriebsausgaben.
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die Klägerin erzielte keine steuerpflichtigen Einkünfte. In den Vorjahren betrieb sie jedoch ein Einzelunternehmen, über das 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin hatte seinerzeit verschiedene Betriebsmittelkredite aufgenommen, die u.a. durch Buchgrundschulden an einem dem Kläger gehörenden Einfamilienhaus gesichert waren. In der Einkommensteuererklärung 2007 machte die Klägerin bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb die laufenden Zinsen aus diesen Krediten als nachträgliche Betriebsausgaben geltend. Die Zinszahlungen erfolgten von dem gemeinsamen Bankkonto, das als sog. Oder-Konto geführt wurde. 2009 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und der Klägerin gegenüber Restschuldbefreiung angekündigt, wenn sie für die Zeit von sechs Jahren ihre Obliegenheiten erfüllt.
Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten nachträglichen Betriebsausgaben nicht an. Zur Begründung führte es aus, aufgrund der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren sei nach Betriebsaufgabe keine Betriebsschuld mehr zu leisten gewesen. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit dem Vermögen der Klägerin seien in dem im Streitjahr noch laufenden Insolvenzverfahren massezugehörig gewesen. Aufgrund des Insolvenzverfahrens habe die Klägerin im Streitjahr nicht über Beträge verfügen können und habe keine Betriebsschulden begleichen können. Sofern Zahlungen erfolgt seien, seien diese aufgrund eigener Darlehensverpflichtungen des Klägers als Bürge zu leisten gewesen, sodass ein Ansatz bei den Einkünften der Klägerin ausscheide. Eine mögliche Kostentragung durch den Kläger könne auch nicht als sog. Drittaufwand berücksichtigt werden, da es der Klägerin aufgrund des Insolvenzverfahrens bereits an der persönlichen Leistungsfähigkeit für Aufwendungen gefehlt habe.
Entscheidung
Das FG München bestätigte die Ausführungen des Finanzamts und wies die Klage als unbegründet zurück. Die Schuldzinsen können nicht als nachträgliche Betriebsausgaben des Einzelunternehmens in Abzug gebracht werden. Sofern Betriebsausgaben nach Aufgabe des Betriebs entstehen, gehören sie zwar zu den nachträglichen Einkünften aus der früheren betrieblichen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG). Bei den streitigen Darlehenszinsen handele es sich aber nicht um solche nachträglichen Betriebsausgaben. Denn die Klägerin selbst hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Zinszahlungen mehr vorgenommen und konnte wegen der insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkung nicht mehr wirksam Zinszahlungen leisten. Die Zahlungen auf die Darlehenszinsen konnten nur deshalb an die Banken ausgeführt werden, da sie über das Gemeinschaftskonto vorgenommen wurden und es sich dabei um ein Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis (sog. Oder-Konto) handelte. Bei einem Oder-Konto wird nämlich das Kontokorrentverhältnis durch die Insolvenz eines Kontomitinhabers nicht betroffen. An die Stelle des betroffenen Kontomitinhabers tritt der Insolvenzverwalter. D.h. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Auszahlungen aus dem Oder-Konto nur noch vom Insolvenzverwalter oder dem auch mit der Einzelverfügungsbefugnis ausgestatteten Kontomitinhaber - im Streitfall dem Kläger - veranlasst werden. Die Zinszahlungen erfolgten demgemäß durch den Kläger, denn nur er und nicht mehr die Klägerin konnte im Streitjahr Auszahlungen veranlassen oder Abbuchungen zulassen.
Hinweis
Nach § 80 Abs. 1 InsO hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zur Folge, dass er hinsichtlich der Masse das Verwaltungs- und Verfügungsrecht verliert. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den Insolvenzverwalter über. Verfügt der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse, ist diese Verfügung unwirksam (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zudem handelt es sich bei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Zinsen um eine nachrangige Insolvenzforderung (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Diese Zinsen können bei der Verteilung der Insolvenzmasse erst zum Zug kommen, wenn die gewöhnlichen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) vollständig befriedigt sind (vgl. Wilmowsky, Darlehensnehmer in Insolvenz, Wertpapiermitteilungen 2008, S. 1243; Andres/Leithaus, InsO, 2. Aufl. 2011, § 39 Rz. 2).
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 21.06.2012, 10 K 3566/09