Leitsatz
Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) ist bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) unterliegt, nicht auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne), sondern auf die Gesamteinnahmen abzustellen.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 und Abs. 3, § 25a Abs. 1 und Abs. 3, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, Art. 288 Satz 1 Nr. 1, Art. 315 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) führte steuerbare, der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG unterliegende Umsätze im Rahmen eines Gebrauchtwagenhandels aus. Die in den Jahren 2009 und 2010 (Streitjahr) vereinnahmten Beträge lagen jeweils über 17.500 EUR, die Handelsspannen jeweils unter 17.500 EUR. Der Kläger nahm deshalb an, dass er 2010 Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG sei. Das FA unterwarf seine Umsätze der Umsatzsteuer, weil er seit 2010 kein Kleinunternehmer (mehr) sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 13.4.2016, 9 K 667/14, Haufe-Index 9558645, EFG 2016, 1305) gab der Klage statt und hob den Umsatzsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos auf. Wegen Art. 288 Satz 1 Nr. 1 MwStSystRL, auf den sich der Kläger unmittelbar berufen könne, sei der Gesamtumsatz anhand der Handelsspanne zu berechnen.
Entscheidung
Der BFH hob aufgrund der Vorabentscheidung des EuGH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. In Bezug auf Unternehmer, die die Differenzbesteuerung (§ 25a) oder Besteuerung von Reiseleistungen (§ 25 UStG) sowie die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) anwenden, änderte die Finanzverwaltung zum 1.1.2010 ihre Verwaltungsauffassung. Vorher war für die Ermittlung des Gesamtumsatzes i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG auf die "für die Besteuerung in Betracht kommende Bemessungsgrundlage" abzustellen, also der Gesamtumsatz nach der Marge (§ 25 Abs 3 UStG) bzw. der Handelsspanne (§ 25a Abs. 3 UStG) zu berechnen (Abschn. 251 Abs. 1 Satz 4 UStR). Mit Schreiben vom 16.6.2009 (BStBl I 2009, 755) verfügte das BMF, dass seit 1.1.2010 auf die vereinnahmten Entgelte abzustellen ist.
2. Der BFH legte daraufhin die Frage dem EuGH vor (BFH, Beschluss vom 7.2.2018, XI R 7/16, BFH/NV 2018, 913, BFH/PR 2018, 221) und der EuGH antwortete, dass der Gesamtumsatz nicht nach der Marge, sondern auf der Grundlage aller von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge (ohne Mehrwertsteuer) zu ermitteln ist (EuGH, Urteil vom 29.7.2019, C-388/18, B (Chiffre d’affaires du revendeur de véhicules d’occasion), BFH/NV 2019, 1214). Damit ist klar, dass die neuere Verwaltungsauffassung dem Unionsrecht entspricht und die frühere Verwaltungsauffassung unionsrechtswidrig war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.10.2019, XI R 17/19 (XI R 7/16)