Leitsatz
Währungskursverluste bei Fremdwährungs-Gesellschafterdarlehen mindern vor dem Inkrafttreten des § 8b Abs. 3 Satz 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.d.F. des Gesetzes vom 25.06.2021 (BGBl I 2021, 2050, BStBl I 2021, 889) das Einkommen der darlehensgewährenden Kapitalgesellschaft – vorbehaltlich einer unionsrechtlichen Prüfung – nicht, da sie in den sachlichen Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG fallen.
Normenkette
§ 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 7 KStG
Sachverhalt
Die A‐AG, eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Aktiengesellschaft und Rechtsvorgängerin der Klägerin, hatte im Streitjahr 2009 ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr. Sie steuerte als Konzernobergesellschaft vier Geschäftsbereiche, die sie jeweils in Holdinggesellschaften zusammengefasst hatte, und gewährte mehreren ausländischen mittelbaren Tochtergesellschaften Darlehen in deren Landeswährung, ohne entsprechende Währungskurssicherungsgeschäfte abzuschließen. Aus diesen Darlehen resultierende Zahlungsansprüche führten im Wirtschaftsjahr 2008/2009 zu einem Währungskursverlust. Die A‐AG war zum Zeitpunkt der jeweiligen Darlehensausreichung und des Währungskursverlustes zu jeweils 100 % mittelbar an den Tochtergesellschaften X‐AB, Y‐AB und Z‐AB beteiligt.
Die X‐AB und die Y‐AB waren zum Zeitpunkt der Darlehensausreichung und des Währungskursverlustes mittelbare Tochtergesellschaften der Konzernbereichsholdinggesellschaft … GmbH & Co. KG (B‐KG). Die Klägerin erhielt am 11.5.2011 von der B‐KG eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Vorausklage, Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit, die unter anderem ihre Forderungen gegen die X‐AB und die Y‐AB absicherte. Die Z‐AB war im Zeitpunkt der Darlehensausreichung und des Währungskursverlustes Tochtergesellschaft der Konzernbereichsholdinggesellschaft … GmbH. Deren Rechtsnachfolgerin … GmbH & Co. KG erklärte gegenüber der Klägerin am 1.6.2011 ebenfalls eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Vorausklage, Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit, die unter anderem die Forderungen der Klägerin gegen die Z‐AB absicherte.
Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (FA) für das Streitjahr einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten KSt-Bescheid, da die Währungskursverluste der Klägerin nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht zu berücksichtigen seien. Der Nachweis eines Fremdvergleichs i.S.d. § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG sei nicht erbracht worden. Die Darlehen seien jeweils ohne Sicherheiten gewährt worden. Ein Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und änderte den angefochtenen Bescheid über KSt 2009 dahin, dass das Einkommen der Klägerin um Währungskursverluste i.H.v. … EUR gemindert wurde (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.9.2022, 6 K 1917/20, Haufe-Index 15796418).
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision des FA das stattgebende FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG muss prüfen, ob der in § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG vorgesehene Fremdvergleich geführt wurde und dadurch das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG ausgeschlossen ist.
Hinweis
1. Es handelt sich um eine Parallelentscheidung zu dem am selben Tag ergangenen BFH-Urteil I R 41/20 (BFH, Urteil vom 24.4.2024, I R 41/20, Haufe-Index 16507731, BFH/PR 2024, 343). Es wird daher zunächst auf diese Kommentierung verwiesen. An dieser Stelle ist aber nochmals zu betonen, dass § 8b Abs. 3 KStG im Jahr 2021 geändert wurde und Wechselkursverluste nunmehr einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.
2. Der Besprechungsfall I R 11/23 weist eine Besonderheit auf: Die streitentscheidenden Regelungen enthalten in § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG einen sog. "Escape": Genügt das Fremdwährungsdarlehen dem Fremdvergleich, dann wird das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG ausgeschlossen.
3. Der BFH gibt folgende Hinweise, was im Rahmen der Fremdvergleichsprüfung zu beachten ist.
a) Das bei Fremdwährungsdarlehen zusätzlich übernommene Währungskursrisiko hat Einfluss auf die Höhe der fremdüblichen Zinsen. Dabei ist zur konkreten Bestimmung der fremdüblichen Zinsen nicht auf die Kapitalmarktverhältnisse für Euro-Darlehen, sondern auf die Kapitalmarktverhältnisse für Darlehen in der jeweils genutzten Fremdwährung abzustellen.
b) Allein der Nachweis des Abschlusses eines Währungskurssicherungsgeschäfts reicht für den "Escape" nicht aus. Vielmehr muss das Darlehen insgesamt unter fremdüblichen Bedingungen gewährt beziehungsweise stehengelassen worden sein.
c) Allein aus dem Fehlen von Sicherheiten, sei es für Währungskursrisiken oder für Bonitätsrisiken, kann nicht auf die Fremdunüblichkeit eines Darlehens geschlossen werden, solange die Höhe der Zinsen diese Risiken einpreist und damit kompensiert.
4. Da offen war, ob im Streitfall der "Escape" gelingt, musste der BFH sich nicht mehr abschließend mit der unionsrechtlichen Fragestellung beschäftigen, ob die Grundfreiheiten eine steuerliche Berücksichtigung der Währungskursverluste...