Die Entscheidung konzentriert sich vordergründig auf die spröde verfahrensrechtliche Frage, wie § 174 Abs. 4 AO auszulegen ist. Im Streitfall ging es im Streitjahr 1985 darum, ob mögliche Bilanzierungsfehler in der Schlußbilanz zum 31. 12. 1984, die sich auf die Anfangsbilanz zum 1.1. 1985 auswirkten, in der Körperschaftsteuerveranlagung 1985 korrigiert werden konnten, obwohl die Körperschaftsteuerveranlagung 1984 bestandskräftig war. Oder kam wenigstens eine Aussetzung des Verfahrens 1985 gem. § 74 FGO in Betracht bis über die Berichtigung 1984 entschieden war? Der Große Senat folgte dem vorlegenden I. Senat (Vorlagebeschluß v. 6. 12. 1996, I R 150/94, BStBl 1996 II S.417), daß § 174 Abs. 4 AO die tatsächliche Aufhebung oder Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1984 voraussetzt, bevor an eine Änderung des angegriffenen Bescheids 1985 gedacht werden könne. Die möglichen Bilanzierungsfehler in der Bilanz zum 31. 12. 1984 bleiben also ohne Auswirkung auf die Körperschaftsteuer 1985.
Trotz dieser beschränkten Aussage ist der Beschluß des Großen Senats für die Bilanzierungspraxis von enormer Bedeutung . Er bestätigt die grundlegende Entscheidung des Großen Senats v. 29. 11. 1965, GrS 1/65 S, BStBl 1966 III S. 142, zur Berichtigung von Bilanzierungsfehlern, die mehrere Veranlagungszeiträume und Steuerbilanzen betreffen. Es kommt danach nicht auf materiell richtige Bilanzen an. Es genügt vielmehr grundsätzlich, daß eine Anfangsbilanz formell richtig ist, weil sie mit der Schlußbilanz des bestandskräftig veranlagten Vorjahrs übereinstimmt. Nur dieser strenge Bilanzenzusammenhang gewährleistet, daß keine Besteuerungslücken oder Doppelbesteuerungen eintreten.
Die bestandskräftige Vorveranlagung ist nur dann kein Hindernis für einen Rückgriff in die Vergangenheit, wenn – so der Große Senat 1965 – jene Veranlagung „nach allgemeinen Grundsätzen berichtigt oder geändert werden kann und berichtigt oder geändert worden ist ”. Diese Aussage ist in der Folgerechtsprechung des BFH nicht immer streng beachtet worden. So sollte gelegentlich die Berichtigungs möglichkeit genügen. Dem ist nunmehr der Große Senat für den Fall des § 174 Abs.4 AO entgegengetreten. Leider hat er sich nicht dazu geäußert, ob dieser Grundsatz auch für die anderen Berichtigungsmöglichkeiten gilt, z. B. für § 173 AO . Es ist nicht auszuschließen, daß eine uneinheitliche Folgerechtsprechung für jede Änderungs- und Berichtigungsvorschrift zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.