Leitsatz
1. Wegen der Bindungswirkung für den Verlustfeststellungsbescheid (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG) löst auch eine Messbetragsfestsetzung von Null (sog. Nullbescheid) eine Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) aus.
2. Auch Konzernfinanzierungsgesellschaften können Kreditinstitute i.S. des § 1 KWG sein und die Voraussetzungen des sog. Bankenprivilegs (§ 19 Abs. 1 GewStDV) erfüllen.
Normenkette
§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, § 19 Abs. 1 GewStDV, § 40 Abs. 2 FGO, § 1 KWG
Sachverhalt
Die klagende GmbH gehört zu einer Unternehmensgruppe und nimmt dort die Funktion einer Finanzierungsgesellschaft wahr. Das in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2011 ausgewiesene Anlagevermögen setzt sich im Wesentlichen aus unternehmensgruppenintern gewährten Darlehen zusammen.
Verbindlichkeiten bestehen im Wesentlichen gegenüber einem Kreditinstitut und gegenüber F, der hinter der Unternehmensgruppe stehenden Person. Im Streitjahr erzielte die Klägerin aus den Darlehensforderungen Zinseinnahmen i.H.v. 133.703 EUR; sie hatte Zinsaufwendungen i.H.v. 167.358 EUR (Jahresfehlbetrag: 19.728 EUR).
Das FA setzte den GewSt-Messbetrag i.H.v. 0 EUR fest (Gewerbeertrag: 2.891 EUR), indem es zu dem von der Klägerin erklärten Gewerbeertrag (19.730 EUR) nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG 16.839 EUR hinzurechnete; dies entspricht einem Viertel der Entgelte für Schulden (Zinsaufwendungen) abzüglich des Freibetrags von 100.000 EUR. Der Einspruch, mit dem die Klägerin auf § 19 Abs. 1 GewStDV verwies, blieb erfolglos. Das FG Hamburg gab der Klage statt (FG Hamburg, Urteil vom 28.8.2015, 6 K 285/13, Haufe-Index 8732372, EFG 2016, 133).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück.
Hinweis
1. Die Entscheidung hat sowohl verfahrensrechtlich als materiell-rechtlich erhebliche Bedeutung. So lässt der BFH eine weitere Ausnahme zum generellen Anfechtungsausschluss (fehlende sog. Beschwer, § 40 Abs. 2 FGO) bei einem sog. Nullbescheid zu, da eine solche Festsetzung eine Bindungswirkung für einen Verlustfeststellungsbescheid auslösen kann.
Darüber hinaus eröffnet der BFH den Zugang von Konzernfinanzierungsgesellschaften zu einer Ausnahme von der Hinzurechnung von Zinsen bei der Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG), dem sog. Bankenprivileg (§ 19 Abs. 1 GewStDV).
2. Grundvoraussetzung für Rechtsschutz ist eine "Beschwer". Bei einem "Nullbescheid" fehlt es daran grundsätzlich – es sei denn, mit dem Bescheid sind andere (belastende) Nebenwirkungen verbunden, z.B. verbindliche Folgerungen für andere Rechtsbereiche.
Und so liegt der Fall hier. Wegen der durch § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG vermittelten (Bindungs-)Wirkung der im Rahmen der (Messbetrags-)Festsetzung ermittelten Besteuerungsgrundlagen auf den Bescheid zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember des Streitjahres (§ 10a Satz 6 GewStG) ist die Rechtssphäre des Steuerpflichtigen berührt. Und dies gilt parallel bei einer Nullfestsetzung einer Einkommen- oder Körperschaftsteuer (s. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG). In diesen Fällen findet – von dem Sonderfall des § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG abgesehen (parallel: § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG) – eine eigenständige Prüfung im Rahmen des Feststellungsverfahrens nicht mehr statt.
3. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG (früher: "Dauerschuldzinsen") entfällt unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 GewStDV (sog. Bankenprivileg – s. dazu die Ermächtigung in § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG). Dieser Begünstigung liegt der Gedanke zugrunde, dass Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind und dass deshalb das Passiv- und Aktivgeschäft "artmäßig" in etwa übereinstimmen. Hierdurch soll der wirtschafts-, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung getragen und der Umstand berücksichtigt werden, dass bei Banken der Fremdmitteleinsatz typischerweise besonders groß ist.
Der BFH sah auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts keinen Anhaltspunkt, eine Bankgeschäfte betreibende Konzernfinanzierungsgesellschaft von dem persönlichen Anwendungsbereich der Norm auszuschließen. Insbesondere konnte die aufsichtsrechtlich orientierte Befreiung von konzernintern handelnden Unternehmen (sog. Konzernprivileg, § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG) daran nichts ändern, da eine solche "Sperre" weder im Wortlaut noch im Zweck der Regelung angelegt ist. Denn der Anknüpfungspunkt liegt im hohen Fremdmitteleinsatz und einer Art "Durchlaufsituation" bei der Kreditgewährung. Es geht insoweit nicht um den Umfang der Teilnahme am öffentlichen Geld- und Kreditgeschäft.
Damit wird auch deutlich: Nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen Sonderregelung wird die höchst unerfreuliche Hinzurechnung und damit die GewSt-Belastung in "Durchleitungsfällen" ausgeschlossen (s. allg. BFH, Urteil vom 4.6.2014, I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289, BFH/NV 2014, 1850 – die Verfassungsbeschwerde war erfolglos: BVerfG, Beschluss vom 26.2.2016, 1 BvR 2836/14, BFH/PR 2014, 426; s. zuletzt BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 5...