Leitsatz

Im Fall der Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft führt AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass die Gebührenermäßigung (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO) nach den Maßgaben der Bemessung einer Zeitgebühr auszurichten ist.

 

Normenkette

§ 89 AO, § 102 FGOPraxis-Hinweise

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Gebühren für den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft.

Die Klägerin ist eine KG mit Sitz im Inland. Da mehrere ihrer Gesellschafter planten, einen Zweitwohnsitz im Ausland zu begründen, beantragte sie am 9.12.2013 beim FA die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Gegenstand dieses Auskunftsersuchens war die steuerliche Entstrickung ihrer Wirtschaftsgüter, insbesondere ihrer Beteiligungen. Die Klägerin gab an, dass aufgrund der Höhe des Gegenstandswerts von der Höchstgebühr gemäß § 89 Abs. 5 AO i.V.m. § 34 GKG auszugehen sei.

Infolge des Antrags kam es zu umfangreichen rechtlichen Prüfungen durch die zuständige Veranlagungsstelle des FA, das Landesamt für Steuern und das Landesfinanzministerium sowie zu einer Besprechung mit den steuerlichen Vertretern der Klägerin beim Landesamt für Steuern und zu mehreren Telefon- und E‐Mail-Kontakten. Nachdem das FA mündlich mitgeteilt hatte, dass auf Grundlage des dargestellten Sachverhalts die beantragte verbindliche Auskunft nicht erteilt werden könne, wurden auch alternative Sachverhaltsgestaltungen diskutiert. Der letzte Kontakt fand am 25.4.2014 statt. Aus Sicht der Finanzverwaltung blieb es dabei, dass der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft abzulehnen sei.

Mit Schreiben vom 24.6.2014 nahm die Klägerin ihren Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zurück. Als Grund gab sie an, die Gesellschafter hätten von den Überlegungen zur Verlagerung ihres Wohnsitzes in das Ausland Abstand genommen.

Mit Bescheid vom 9.4.2015 setzte das FA für die Bearbeitung des Auskunftsersuchens gemäß § 89 Abs. 3 bis 7 AO eine Gebühr i.H.v. 98.762 EUR fest. Bei der Berechnung ging das FA von einem Gegenstandswert i.H.v. 30 Mio. EUR (Höchstbetrag) aus, der grundsätzlich eine Gebühr i.H.v. 109.736 EUR zur Folge gehabt hätte. Wegen der Rücknahme des Antrags sei es aber sachgerecht, diese Gebühr gemäß § 89 Abs. 7 Satz 2 AO und Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 89 Nr. 4.5.2 um 10 % auf 98.762 EUR zu ermäßigen. Die Minderung sei auf der Grundlage des bisherigen Bearbeitungsaufwands von ca. 156 Stunden (Arbeitszeiten des FA, des Landesamts für Steuern und des Ministeriums der Finanzen) und des bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag noch ausstehenden Aufwands von schätzungsweise 10 bis 15 Stunden ermittelt worden. Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Gebühr auf 15.600 EUR begehrte, hatte Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.2.2018, 5 K 1287/16, Haufe-Index 11590779, EFG 2018, 701).

 

Entscheidung

Der BFH hat auf Revision des FA das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Verbindliche Auskünfte stellen für Steuerpflichtige mit insbesondere betrieblichen Einkünften ein wichtiges Instrument dar, mit dem sich im Dickicht des Steuerrechts ein gewisses Maß an Planungssicherheit herstellen lässt. In der Rechtsprechung des BFH war bereits geklärt, dass es verfassungsrechtlich zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige für die erteilte Auskunft einen Obolus entrichten muss. Im Streitfall stellte sich jetzt die Folgefrage, welche Gebührenhöhe festzusetzen ist, wenn der Steuerpflichtige seinen Antrag auf verbindliche Auskunft vor Erteilung derselben zurücknimmt.

2. Im Streitfall wurde zu einem gewichtigen Thema eine verbindliche Auskunft begehrt. Infolge der hohen Bedeutung der Sache gingen alle Beteiligten dem Grunde nach davon aus, dass der gesetzliche Höchstbetrag von 30 Mio. EUR als sog. Gegenstandswert anzusetzen war. Allerdings schieden sich die Geister, wie bei einer Antragsrücknahme zu verfahren ist. Denn das Gesetz sieht als Bemessungsgrundlage für die Gebühr alternativ noch die Zeitgebühr vor. Und die Klägerin war der Auffassung, dass im Falle der Antragsrücknahme die vom Gesetz in § 89 Abs. 7 Satz 2 AO ausdrücklich vorgesehene Gebührenermäßigung auf der Basis einer Zeitgebühr zu ermitteln ist. Wie die nachfolgende Sachverhaltsschilderung zeigt, können zwischen beiden Gebührenansätzen durchaus Welten liegen (98.762 EUR zu 15.600 EUR).

3. Die Klägerin hatte erstinstanzlich mit ihrem rechtlichen Ansatz Erfolg. Sie entnahm dem AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2. eine Ermessensreduktion auf Null: Durch die Antragsrücknahme komme es nicht mehr zur gewünschten verbindlichen Auskunft und damit auch nicht mehr zu einem Vorteil (= Bindungswirkung der Auskunft und damit Steuerplanungssicherheit für die Zukunft), der üblicherweise durch die Gebühr abgeschöpft werden soll. Damit könne es bei der Gebührenfestsetzung nur noch darum gehen, die aufseiten des Fiskus bis zur Antragsrücknahme angefallenen Bearbeit...

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