Leitsatz
1. Die Körperschaftsteuerpflicht einer Stiftung beginnt mit dem Tode des Stifters.
2. Eine Ausdehnung der Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB auf die in § 5 Abs 1 Nr. 9 KStG angeordnete Steuerbefreiung kommt ohne eigenständige steuerrechtliche Anordnung der Rückwirkung nicht in Betracht.
Normenkette
§ 38, § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 59, § 60 Abs. 2, § 61 Abs. 1 AO, § 83, § 84, § 1923 Abs. 1 BGB, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Stiftung. Der Stifter A hatte testamentarisch bestimmt, dass sein gesamtes Vermögen einer "allgemein nützlichen" A-Stiftung für ältere durch nicht selbst verschuldete Armut bedrückte deutsche Mitbürger zugutekommen sollte. Die Verwaltung sollte ehrenamtlich erfolgen mit Aufwandsentschädigung für die Verwalter, evtl. Kirche oder andere Personen.
A verstarb im November 2004. Die Klägerin wurde am 26. 1.2007 gemäß § 80 BGB von der Bezirksregierung E als rechtsfähig anerkannt. Der Anerkennung der Stiftung lag die eingereichte und unterzeichnete Satzung der Klägerin vom 19.1.2007 zugrunde, die der Nachlasspfleger mit seinem Schreiben vom 19.1.2007 an die Bezirksregierung übermittelt hatte.
Zuvor hatte der Nachlasspfleger am 28.12.2006 unter Beifügung eines nicht unterzeichneten Satzungsentwurfs die "Errichtung der gemeinnützigen Stiftung" bei der Bezirksregierung E beantragt. Der auf die Klägerin ausgestellte Erbschein wurde aufgrund einer Testamentsanfechtung erst mit Beschluss vom 17.12.2008 erstellt. Die Beendigung der Nachlasspflegschaft erfolgte zum 24.2.2010.
In den Streitjahren 2005 und 2006 wurden mit dem Stiftungsvermögen Vermietungseinnahmen, Zinseinnahmen sowie weitere Einnahmen erzielt. Das FA erkannte die Klägerin nicht als gemeinnützig an und setzte Körperschaftsteuer für 2005 und 2006 fest. Einspruch und Klage (FG Münster, Urteil vom 13.10.2017, 13 K 641/14 K, Haufe-Index 11441339, EFG 2018, 92) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz.
Hinweis
1. Nach § 84 BGB gilt eine Stiftung, die erst nach dem Tod des Stifters als rechtsfähig anerkannt wird, für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. Damit wird der Stiftung ermöglicht, Vermögen vom Stifter im Erbgang zu erwerben. Sie ist hinsichtlich des Vermögensanfalls so zu behandeln, als habe sie im Todeszeitpunkt des Stifters bereits existiert und wird durch die gesetzliche Fiktion mit der staatlichen Genehmigung rückwirkend zur Vollerbin.
2. Der BFH sieht dies auch als für das Steuerrecht maßgeblich an. Daher beginnt die Körperschaftsteuerpflicht der Stiftung bereits rückwirkend mit dem Tod des Stifters.
3. Für die Befreiung von der Körperschaftsteuer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist erforderlich, dass die Satzung den Erfordernissen während des ganzen Veranlagungs- oder Bemessungszeitraums entspricht (§ 60 Abs. 2 AO).
Insoweit lehnt es der BFH ab, die Rückwirkungsfiktion des § 84 BGBauf die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ergebenden Voraussetzungen der Steuerbefreiung anzuwenden. Als entscheidend sieht der BFH stattdessen an, dass § 84 BGB das Entstehen der Stiftung als juristische Person nur "für die Zuwendungen des Stifters" vor dem Tod des Stifters fingiert. Eine weitergehende Anwendung dieser Fiktion auf die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG soll nur aufgrund einer eigenständigen steuerrechtlichen Rückwirkungsanordnung in Betracht kommen, an der es aber fehlt.
Zu einer Rückwirkung kommt es somit nur für die Zuwendungen des Stifters, nicht aber für Zwecke der Steuerfreiheit.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.6.2019 – V R 50/17