Leitsatz
1. Bei einer Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid ist eine betragsmäßige Erweiterung des Klagebegehrens in Bezug auf eine angegriffene Feststellung nicht als Klageänderung i.S. des § 67 FGO, sondern als grundsätzlich zulässige Klageerweiterung anzusehen, es sei denn, der Kläger hat eindeutig zu erkennen gegeben, dass er von einem weitergehenden Klagebegehren absieht.
2. Verpflichtet sich ein Handelsunternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden, diesen im Rahmen eines Warenkaufs in Abhängigkeit von der Höhe des Warenkaufpreises Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber innerhalb des Gültigkeitszeitraums bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann, ist für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte bzw. Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn wahrscheinlich ist, dass die Verbindlichkeit entsteht und dass das Unternehmen in Anspruch genommen werden wird.
3. Eine entsprechende Anrechnungsverpflichtung stellt keine Verpflichtung i.S. des § 5 Abs. 2a EStG dar.
Normenkette
§ 5 Abs. 2a, § 4 Abs. 1 EStG, § 247 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 67 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG gab zusammen mit Partnerunternehmen eine Kundenkarte heraus. Die Inhaber dieser Karte erhielten beim Einkauf in den teilnehmenden Geschäften Bonuspunkte auf den jeweiligen Wert ihres Einkaufs, für die ab einem bestimmten Punktestand ein entsprechender Gutschein in Euro ausgestellt wurde, der bei einem weiteren Einkauf eingelöst werden konnte. Eine Barauszahlung war nicht möglich.
Nach einer Außenprüfung berücksichtigte das FA die von der Klägerin gebildete Rückstellung nicht mehr, da die Einlösungsverpflichtung aus dem Bonuspunktesystem bei der Klägerin zum Bilanzstichtag weder eine zu passivierende Verbindlichkeit begründe, noch eine ungewisse Verbindlichkeit, die in Form einer Rückstellung gewinnmindernd Berücksichtigung finden könne. Das FG gab der Klage statt (FG Nürnberg, Urteil vom 25.4.2019, 4 K 1050/17, Haufe-Index 13369609, EFG 2019, 1527).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA aus den sich aus den Praxishinweisen ergebenden Gründen zurück.
Hinweis
1. In der Praxis gibt es unterschiedlichste Arten von Kundenbindungsprogrammen. Dabei stellt sich für das ein solches Programm anbietende Unternehmen jeweils die Frage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen für am Bilanzstichtag noch nicht eingelöste Gutscheine/Bonuspunkte o.Ä. zu diesem Zeitpunkt bereits eine Verbindlichkeit zu passivieren bzw. eine Rückstellung zu bilden ist.
2. Im Zusammenhang mit Kundengutscheinen hat der BFH das Vorliegen einer zu passivierenden Verbindlichkeit bejaht, wenn ein Unternehmen sog. "Gutmünzen" ausgibt und sich gegenüber dem jeweiligen Inhaber u.a. verpflichtet, die aufgeprägten Geldbeträge bar auszuzahlen. Jedenfalls aufgrund der Verpflichtung zur Barauszahlung sei eine unbedingte und in ihrer Höhe feststehende Verbindlichkeit entstanden.
Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten hat der BFH anerkannt, wenn ein Unternehmen seinen Kunden beim Verkauf von Waren im Einzelhandel einen Barzahlungsnachlass durch Ausgabe von Gutscheinen (Rabattmarken) gewährt und die Auszahlung des Rabattbetrags davon abhängig macht, dass der Kunde durch Sammeln und Einkleben der Marken in eine Rabattkarte einen Mindesteinkauf belegt.
Demgegenüber hat der BFH im "Friseurgutschein-Fall" selbst die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten abgelehnt, weil die Verbindlichkeiten im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden und nur der Höhe nach ungewiss noch wirtschaftlich verursacht seien. Sie beinhalteten einen Preisnachlass nicht für bereits bezogene, sondern für künftige Dienstleistungen. Die mit den Gutscheinen versprochene Preisminderung für künftige, während des Geltungszeitraums in Anspruch zu nehmende Dienstleistungen sei nicht bereits durch das Versprechen im Ausgabejahr, sondern erst durch die Dienstleistung im Folgejahr, für die die Preisminderung gewährt werde, wirtschaftlich verursacht.
3. Danach ist auch dann eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn sich ein Unternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden verpflichtet, diesen im Rahmen eines Warenkaufs in Abhängigkeit von der Höhe des Warenkaufpreises Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber innerhalb des Gültigkeitszeitraums bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann. Anders als im "Friseurgutschein-Fall"rabattiert das Unternehmen keine künftige Leistung, sondern gewährt – dem "Rabattmarken-Fall" vergleichbar – einen Nachlass auf bereits getätigte Einkäufe.
4. Der Bildung einer entsprechenden Rückstellung steht das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG nicht entgegen. Diese Norm knüpft daran an, dass die Verpflichtung des Schuldners einer rechtlichen Erfüllungsbeschränkung unterliegt, nach der der Schuldner zur Erfüllung nicht sein a...