Leitsatz
Ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet, ist kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG. Nicht begünstigt sind deshalb Zweit- oder Ferienwohnungen.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG vor 2009
Sachverhalt
Der Kläger wohnt zusammen mit seiner Familie in E. Mit Vertrag vom 26.6.2008 übertrug er seiner Ehefrau im Wege der Schenkung ein mit einer Doppelhaushälfte bebautes Grundstück auf Sylt und übernahm die anfallende Schenkungsteuer. Das FA setzte gegen den Kläger Schenkungsteuer fest. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F. begehrte, blieben ohne Erfolg. Das FG führte zur Begründung an, der Kläger habe kein Familienwohnheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG übertragen, weil das Haus am Übertragungsstichtag nicht den Lebensmittelpunkt der Familie des Klägers gebildet habe (FG Münster, Urteil vom 18.5.2011, 3 K 375/09 Erb, Haufe-Index 2727753, EFG 2011, 1734).
Entscheidung
Dem ist, wie in den Praxis-Hinweisen erläutert, im Ergebnis auch der BFH gefolgt und hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Der BFH hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein "Familienwohnheim" i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (in der bis zum Jahr 2008 geltenden Fassung) vorliegt und ob auch die freigebige Zuwendung einer von Eheleuten genutzten Ferien- oder Zweitwohnung steuerbegünstigt ist. Die Entscheidung des BFH birgt auch für die jetzige, ab 2009 geltende Fassung dieser Vorschrift ganz erheblichen Sprengstoff.
1. Freigebige Zuwendungen unter Ehegatten unterliegen grundsätzlich der Schenkungsteuer. Vor diesem Hintergrund gewinnt die durch § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F./n.F. gewährte Steuerbefreiung für die freigebige Zuwendung eines Familienheims (bis 31.12.2008: "Familienwohnheim") wegen ihres beträchtlichen Umfangs besondere Bedeutung: Die Steuerbefreiung erfolgt ohne Anrechnung auf den Ehegattenfreibetrag von immerhin 500.000 EUR. Sie kann überdies zeitlich nacheinander auch für mehrere Objekte in Anspruch genommen werden und ist zudem völlig unabhängig vom Wert des zugewendeten Familienheims.
2. Angesichts der Weite dieser Steuerbefreiung und ihrer Beschränkung auf einen bestimmten Erwerbsgegenstand kann die Kritik des Schrifttums, es fehle hierfür im Blick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG an einem verfassungsrechtlich tragfähigen Sachgrund, kaum überraschen. Auch der BFH äußert Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung und schließt ausdrücklich eine Rechtfertigung durch das vom BVerfG postulierte Gebot der steuerlichen Freistellung des Gebrauchsvermögens der Familie aus. Ein Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG kam allerdings nicht in Betracht, weil das BVerfG in seinem Erbschaftsteuerbeschluss vom 7.11.2006 (BStBl II 2007, 192) die Weitergeltung des im Streitfall noch anzuwendenden ErbStG a.F. angeordnet hatte.
3. Der Begriff des "Familienwohnheims" i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F. ist auf solche Objekte beschränkt, in denen sich der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet. Von der Begünstigung ausgeschlossen sind andere von Ehegatten genutzte Häuser bzw. Eigentumswohnungen, wenn sich dort nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet.
Der BFH stützt diese einschränkende Auslegung sowohl auf den Sinn und Zweck dieser Regelung als auch auf Verfassungsgründe. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers den engeren Kernbereich der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft privilegieren. Eine weitergehende Befreiung wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
4. Diese Einschränkungen gelten in gleicher Weise auch für die derzeit geltende Fassung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Ob im Übrigen die vom BFH geäußerten grundsätzlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung zu weiteren Konsequenzen führen werden, bleibt abzuwarten. Entsprechende Verfassungsprobleme dürften zudem auch die Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und c ErbStG (Familienheimerwerbe von Todes wegen) aufwerfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.7.2013 – II R 35/11