Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Der Betreiber einer Privatklinik kann sich gegenüber der ab dem Jahr 2009 geltenden unionsrechtswidrigen Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V für die Steuerfreiheit seiner Leistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen (Anschluss an BFH, Urteil vom 23.10.2014, V R 20/14, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 631).
Normenkette
§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1, § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, Art. 133, Art. 134 MwStSystRL, § 108, § 109 SGB V
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb im Jahr 2009 eine Privatklinik, in der niedergelassene Ärzte operative Eingriffe an gesetzlich und privat versicherten Patienten durchführten. In der Klinik wurden sowohl ambulante als auch stationäre Eingriffe vorgenommen.
In ihrer USt-Erklärung für das Streitjahr behandelte die Klägerin ihre Umsätze aus der Behandlung von Privatpatienten als steuerpflichtig und ihre Umsätze aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten und von Patienten, deren Behandlungskosten von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen wurden, als steuerfrei.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht erfüllt seien.
Das FG gab der Klage im Wesentlichen statt. Die betreffende Klägerin könne sich für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze auf das Unionsrecht berufen (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17.7.2013, 4 K 104/12, Haufe-Index 5337207, EFG 2013, 1884).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Der XI. Senat des BFH schloss sich der Rechtsprechung des V. Senats des BFH an, der mit Urteil vom 23.10.2014, V R 20/14 (BFH/NV 2015, 631) entschieden hat, dass die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspreche. Der nationale Gesetzgeber habe den ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weil die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in privaten Krankenhäusern unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stelle, der mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei.
Die Klägerin konnte sich mithin für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL, dessen Voraussetzungen sie erfüllte, berufen.
Hinweis
Nach der ab 2009 geltenden Rechtslage sind die Leistungen der privaten Krankenhäuser nur umsatzsteuerfrei, wenn es sich um eine Hochschulklinik, ein in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommenes Krankenhaus oder um ein Krankenhaus handelt, das über einen Versorgungsvertrag mit den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen verfügt (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG).
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze". Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nur steuerfrei, wenn sie "unter Bedingungen, die mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden".
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.3.2015 – XI R 38/13