Leitsatz
1. § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) findet im Wege teleologischer Reduktion in dem Umfang auf Betriebsausgaben der Gesamthand keine Anwendung, wie diese Sondervergütungen der Gesellschafter sind (Bestätigung von BFH-Urteil vom 06.02.2020 – IV R 5/18, BFHE 268, 199, BStBl II 2020, 448). Entsprechendes gilt für Sonderbetriebsausgaben des (Sonder‐)Mitunternehmers, die Gesamthandseinkünfte der Gesellschaft sind. Maßgebend ist insoweit eine auf den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft bezogene Betrachtung.
2. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften oder Organschaften bleibt es bei der auf den Gesamtgewinn der konkreten Mitunternehmerschaft bezogenen Betrachtung des § 3c Abs. 2 EStG.
Normenkette
§ 3c Abs. 2, § 3 Nr. 40, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, war als Kommanditistin die G-KG beteiligt, an der als Kommanditistinnen wiederum die H-KG, die I-KG und die D-GmbH beteiligt waren. An der D-GmbH waren die H-KG und die I-KG beteiligt. Sie hatten diese Beteiligung u.a. durch "gruppeninterne" Darlehen finanziert, und zwar durch Darlehen der Klägerin, der H-KG und der U-GmbH, einer 100%igen Tochtergesellschaft der Klägerin. Zwischen der U-GmbH und der Klägerin bestand ein Organschaftsverhältnis. Bei den Anteilen an der D-GmbH handelte es sich um notweniges SBV II der H-KG und der I-KG als (mittelbar über die G-KG an der Klägerin beteiligte) "Sondermitunternehmer" der Klägerin. 2003 hatte die D-GmbH eine Gewinnausschüttung vorgenommen. Für die Streitjahre 2002 und 2003 begehrten die H-KG und die I-KG eine Berücksichtigung der von ihnen an die Klägerin, an die G-KG und an die U-GmbH gezahlten Zinsen als Sonderbetriebsausgaben bei der Klägerin. Das FA ließ die geltend gemachten Zinsen nach § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte zu. Das FG (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 16.7.2020, 3 K 190/17) gab der dagegen gerichteten Klage in vollem Umfang statt.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf die Revision des FA auf und verwies die Sache an das FG zurück. Aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen unterfielen zwar die an die U-GmbH und an die H-KG gezahlten Zinsen dem Teil- bzw. Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG, nicht aber auch die an die Klägerin gezahlten Zinsen. Denn Letztere hätten sich – bezogen auf den maßgeblichen Gesamtgewinn der Klägerin – nicht aufwandswirksam ausgewirkt. Im zweiten Rechtsgang müsse das FG nun noch den Umfang der danach abzugsfähigen Zinsen im Einzelnen klären.
Hinweis
1. Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG dürfen (u.a.) Betriebsausgaben, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem VZ die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % (zuvor: nur zur Hälfte) abgezogen werden. Diese Regelung bezweckt, dass bei (anteilig) steuerbefreiten Einnahmen (z.B. Gewinnausschüttungen aus einer betrieblichen Beteiligung an einer Körperschaft) kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt wird. Das Teil- bzw. Halbabzugsverbot setzt danach voraus, dass sich die Ausgaben, bezogen auf die Mitunternehmerschaft und ihren Gesamtgewinn, aufwandswirksam ausgewirkt haben.
2. Ist Anteilseigner und Ausschüttungsempfänger eine Mitunternehmerschaft, ist zu beachten, dass diese zwar Einkünfteermittlungssubjekt ist, die ESt-Subjekte aber die an ihr beteiligten Mitunternehmer sind. Soll das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren also einerseits dazu führen, dass (u.a.) Gewinnausschüttungen aus einer betrieblichen Beteiligung, die im Gesamtgewinn (Gesamthands- oder Sonderbetriebsgewinn) der Mitunternehmerschaft enthalten sind, beim Mitunternehmer (anteilig) von der Steuer befreit sind (§ 3 Nr. 40 EStG), dass aber andererseits Ausgaben, die mit diesen beim Mitunternehmer (anteilig) freizustellenden Einnahmen im Zusammenhang stehen, ihrerseits nur anteilig zum Abzug zugelassen werden, ist zu berücksichtigen, dass Zinszahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, der der Gesellschaft das Darlehen zum Erwerb der Beteiligung gewährt hat, bei diesem als Sondervergütung erfasst werden. Bezogen auf die Mitunternehmerschaft und ihren Gesamtgewinn haben sich die Zinszahlungen also nicht aufwandswirksam ausgewirkt, sodass eine Doppelbegünstigung, die § 3c Abs. 2 EStG vermeiden will, bezogen auf die Gesamthand nicht eingetreten sein kann. Auch wenn es sich also auf der Ebene der Gesamthand um Betriebsausgaben handelt, sind die Voraussetzungen des § 3c Abs. 2 EStG – bezogen auf den Zweck der Norm – nicht erfüllt.
3. Eine entsprechende teleologische Reduktion des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist auch im umgekehrten Fall geboten, d.h. wenn es um Zinszahlungen des Mitunternehmers an die Gesellschaft geht, die ihm ein Darlehen zum Erwerb der Beteiligung gewährt hat. Das Teil...