Leitsatz
1. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG betrifft nur solche Nutzungsrechte, die auch von dem Begriff "Vermietung und Verpachtung" umfasst werden.
2. Die entgeltliche Bestellung eines unwiderruflich eingeräumten dinglichen Nutzungsrechts zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen nach dem BNatSchG ist keine "Vermietung oder Verpachtung" i.S.d. § 4 Nr. 12 UStG.
Normenkette
§ 4 Nr. 12, § 13 Abs. 1 UStG 1999, § 1090 BGB, Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL, Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL
Sachverhalt
Der Kläger, ein Landwirt, räumte der Gemeinde gegen Entschädigung an bisher als Ackerland genutzten Grundstücken ein durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichertes Nutzungsrecht zur Durchführung von sog. Ausgleichsmaßnahmen nach dem BNatSchG durch die untere Landschaftsschutzbehörde ein. Nach Anlegung der Ausgleichsmaßnahme nutzte der Kläger das Grundstück, indem er die Wiesenflächen düngte und regelmäßig mähte. Das FG (FG Münster, Urteil vom 29.3.2012, 5 K 3805/09 U, Haufe-Index 2990338, EFG 2012, 1500) bestätigte das FA, dass die Zahlung der Gemeinde Entgelt für eine steuerbare, nicht nach § 4 Nr. 12 UStG befreite Leistung des Klägers und keine Entschädigung für eine Wertminderung des Grundstückes sei.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg, Der BFH betonte, der Sachverhalt unterscheide sich von dem Sachverhalt des Urteils v. 11.11.2004, V R 30/04, BFH/NV 2005, 483, wonach die Einräumung der Berechtigung zur Überspannung eines Grundstücks jedenfalls dann eine als Vermietung und Verpachtung zu beurteilende Nutzungsüberlassung auf Zeit sei, wenn damit nicht der endgültige und vollständige Verlust der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht verbunden sei. Weder die Überlassung einer verhältnismäßig geringfügigen Grundfläche für die Aufstellung von Strommasten noch die Überspannung führe zu einem endgültigen und vollständigen Verlust der Herrschaftsmacht an den Grundstücken.
Hinweis
1. Der im UStG einheitlich auszulegende Begriff der Vermietung bezeichnet bei richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 12 UStG einen Sachverhalt, bei dem der Unternehmer dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einräumt, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung nach dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Vorgangs sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen er erfolgt. Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben; die zivilrechtliche Einordnung ist insoweit nicht entscheidend.
2. Die "Bestellung von Nutzungsrechten" (z.B. nach § 1090 BGB) ist zwar nach in § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG steuerfrei. Mit der 1985 eingeführten Regelung (Art. 17 Nr. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985, BGBl I 1984, 1493) sollte "eine gleiche Behandlung aller Grundstücksüberlassungen zur Nutzung erreicht" werden; die Befreiung sonstiger bislang steuerpflichtiger Umsätze war nicht beabsichtigt. Die unionsrechtliche Grundlage – Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL bzw. Art. 135 MwStSystRL – befreit nur die "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken". In Übereinstimmung mit dem Regelungszweck gebietet die richtlinienkonforme Auslegung, dass die Bestellung dinglicher Nutzungsrechte nur unter § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG fällt, wenn sie ihrem objektiven Inhalt nach als "Vermietung" oder "Verpachtung" i.S.d. UStG beurteilt werden kann.
3. Wird unwiderruflich auf Dauer einem anderen ein dinglich gesichertes Recht eingeräumt, ein Grundstück nach seinen Bedürfnissen umzugestalten – im Besprechungsfall einer Gemeinde zum Anlegen von Ausgleichsmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) – und bezweckt die Vereinbarung im Wesentlichen lediglich, eine anderweitige Nutzung auch durch den Überlassenden unwiderruflich auszuschließen, liegt keine Vermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vor, weil es vor allem an der für eine Vermietung charakteristischen zeitlichen Komponente fehlt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.11.2012 – V R 15/12