Leitsatz
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe des Säumniszuschlags (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
§ 238, § 240 AO, § 69, § 128 FGO
Sachverhalt
Gegen einen Abrechnungsbescheid vom 8.10.2021, in dem Säumniszuschläge zur KSt und zum SolZ zur KSt ausgewiesen worden waren, legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte AdV.
Das FA lehnte die begehrte AdV ab. Daraufhin beantragte die Antragstellerin AdV beim FG, und zwar in voller Höhe.
Das FG (FG Münster, Beschluss vom 4.4.2022, 11 V 2680/21 AO, Haufe-Index 15147287) gab dem Antrag statt. Es war der Auffassung, die Rechtmäßigkeit der Säumniszuschläge sei ernstlich zweifelhaft, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden seien. Die ernstlichen Zweifel ergäben sich aus der Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Zinsen i.S.d. § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO.
Entscheidung
Auf die Beschwerde des FA hob der BFH den Beschluss des FG auf und lehnte den AdV-Antrag ab.
Hinweis
1. Mit einer Serie von Beschlüssen, von denen zwei zur Verwertung freigegeben worden sind (s. auch BFH, Urteil vom 13.9.2023, XI B 52/22 (AdV), Haufe-Index 16170684), hat sich der XI. Senat des BFH der Auffassung angeschlossen, dass jedenfalls seit Ergehen der Entscheidungen BFH, Urteil vom 23.8.2022, VII R 21/21, BFH/NV 2023, 400, BStBl II 2023, 304, BFH, Urteil vom 15.11.2022, VII R 55/20, BFH/NV 2023, 583, BStBl II 2023, 621, und BFH, Urteil vom 23.8.2023, X R 30/21, BFH/NV 2024, 298, Haufe-Index 16170685, keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, die nach dem 31.12.2018 entstanden sind, (mehr) bestehen.
Die Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen BFH-Urteile beruht darauf, dass der BFH das Begehren auf AdVeigenständig zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen hat (vgl. BFH, Beschluss vom 15.5.2009, IV B 24/09, BFH/NV 2009, 1402, Rz. 16; BFH, Beschluss vom 26.9.2023, V B 23/22 (AdV), BFH/NV 2023, 1475, Rz. 22). Die Aufgabe des BFH bei der Beschwerde wegen AdV beschränkt sich nicht darauf, die Entscheidung des FG auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren (BFH, Beschluss vom 18.8.1987, VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374; BFH, Beschluss vom 6.2.2013, XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615, BStBl II 2013, 983, Rz. 27).
2. Zwar hat der VIII. Senat des BFH, nur wenige Tage nach Ergehen des Besprechungsbeschlusses, weiterhin ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bejaht, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (BFH, Beschluss vom 22.9.2023, VIII B 64/22 (AdV), BFH/NV 2023, 1418). Er konnte dabei allerdings noch nicht das BFH-Urteil vom 23.8.2023, X R 30/21, BFH/NV 2024, 298, Haufe-Index 16170685) berücksichtigen, weil es erst später veröffentlicht worden ist.
3. Der Umstand, dass der "Zinsanteil" von Säumniszuschlägen aufgrund von § 233a Abs. 1a AOseit 1.1.2019 zumindest rechnerisch weniger als 6 % p.a. (und der "Druckanteil" damit rechnerisch mehr als 6 % p.a.) beträgt, ist m.E. bei Erlassanträgen gemäß § 227 AO zu berücksichtigen. Da die Säumniszuschläge seither in geringerem Umfang als zuvor als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands (vgl. dazu z.B. BFH, Urteil vom 9.7.2003, V R 57/02, BFH/NV 2003, 1620, BStBl II 2003, 901;BFH, Urteil vom 14.12.2021, VII R 14/19, BFH/NV 2022, 401) dienen, ist m.E. für Zeiträume ab dem 1.1.2019 ein Teilerlass i.H.v. mehr als 50 % zu prüfen, wenn ein Erlass dem Grunde nach geboten ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 13.9.2023 – XI B 38/22 (AdV)