Leitsatz
1. Die Zurechnung des Einkommens nach § 15 Abs. 1 S. 1 AStG a.F. setzt voraus, dass die ausländische Stiftung eigene Einkünfte erzielt. Dies ist nicht der Fall, wenn die betreffenden Einkünfte unmittelbar dem Stifter zuzurechnen sind.
2. Gegen eine Zurechnung des Einkommens einer liechtensteinischen Stiftung nach § 15 Abs. 1 S. 1 AStG a.F. bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
§ 15 AStG a.F., Art. 31, Art. 40 EWR-Abkommen
Sachverhalt
Die Klägerin ist neben ihren zwei Geschwistern als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin der im Jahr 2001 verstorbenen A. A hatte seit 1971 dauerhaft in Monaco gelebt und in Deutschland keinen Wohnsitz unterhalten. Im Jahr 1995 hatte sie die C-Stiftung und die D-Stiftung als Familienstiftungen liechtensteinischen Rechts errichtet, bevor sie im Jahr 1997 nach Deutschland zog.
In den Statuten der C-Stiftung ist als "Stifter" und als "einziges Mitglied des Stiftungsrats" R bezeichnet. Alleiniger Begünstigter der C-Stiftung war der jüngste Sohn der Stifterin, E. Im Fall seines Ablebens sollten Begünstigte dieser Stiftung seine drei Kinder sein. Im Statut war außerdem geregelt, dass der Alleinbegünstigte E erst nach Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ableben der A über seine Begünstigung benachrichtigt werden sollte.
Begünstigte der D-Stiftung sollten die drei Kinder der A, nämlich die Klägerin, G und E zu gleichen Teilen sein. Das Statut enthielt Bedingungen, an die die Auszahlung des Stiftungsvermögens an die Begünstigten gekoppelt war.
A hatte in ihren ESt-Erklärungen für die Jahre 1998 bis 2000 die Erträge aus der D-Stiftung als Einkünfte aus Kapitalvermögen deklariert, nicht jedoch die Einkünfte aus der C-Stiftung. Das FA erfasste demgegenüber die Einkünfte aus beiden liechtensteinischen Familienstiftungen. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (Hessisches FG, Urteil vom 18.08.2009, 2 K 952/09, ZEV 2010, 535).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an dieses zurück. Diese Sachaufklärung betreffe in erster Linie die Frage, ob die Stiftungseinkünfte der Stiftung oder aber der Stifterin zuzurechnen sind. Das müsse anhand der Stiftungsstatuten und des ausländischen Rechts geschehen. Sodann bedürfe es auch näherer Aufklärung der Frage, ob unter den Gegebenheiten des Streitfalls bereist eine Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Hinweis
Diese Entscheidung des BFH betrifft Auslandsstiftungen in sog. Steueroasen, hier in Liechtenstein. Sie wurde mit einiger Spannung erwartet. Allzu viel Neues hat sie indes nicht gebracht, weil der BFH zunächst einmal guten Grund für eine Zurückverweisung der Sache an das FG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zu erkennen glaubte und sich deswegen weitere Erklärungen in der Sache versagte. Aber immerhin:
1. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 AStG wird für Zwecke der ESt das Einkommen einer Familienstiftung i.S.d. § 15 Abs. 2 AStG, die sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung im Ausland hat, dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter zugerechnet. Diese Zurechnung setzt voraus, dass die Familienstiftung ein entsprechendes Einkommen im steuerrechtlichen Sinn erzielt.
Die Vorschrift regelt nur die Zurechnung des Einkommens, nicht aber die Frage nach der Erzielung von Einkünften. Diese Frage ist gewissermaßen auf einer ersten Stufe vorgelagert. Die mit der Anwendung des § 15 AStG einhergehende Durchbrechung der Abschirmwirkung ausländischer Rechtsträger tritt somit zurück, wenn die betreffenden Einkünfte aufgrund allgemeiner Regelungen nicht der Stiftung, sondern einer anderen Person – dem Stifter – zuzurechnen sind.
In diesem Punkt weicht die Regelungslage von jener bei einschlägigen Missbrauchsvermeidungsvorschriften (vgl. §§ 7ff. AStG a.F.) ab, denen sowohl nach ihrem Tatbestand als auch nach ihrer Rechtsfolge stets spezialgesetzlicher Vorrang zukommt. Der BFH hatte auch das zwar in der Vergangenheit anders gesehen und in diesem Zusammenhang von einem "logischen Vorrang" einer Einkünftezurechnung gesprochen, diese seine Sichtweise dann jedoch aufgrund der besonderen Methodik der Hinzurechnungsbesteuerung (etwa in §§ 7ff. AStG, aber auch in § 50d Abs. 3 EStG) in dem hier beschriebenen Sinn geändert (vgl. BFH, Urteil vom 29.01.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, 1044, BFH/PR 2008, 296).
2. Auch der Einwand, § 15 AStG sei dann nicht anwendbar, wenn die Stiftung vor der Wohnsitzverlegung des Stifters nach Deutschland – ggf. sogar mit ausländischem Vermögen – errichtet wurde und sie beim Zuzug schon bestand, bleibt unbeachtlich. Für die Anwendung des § 15 AStG a.F. kommt es auf das tatsächliche Vorliegen einer "Steuer- oder Kapitalflucht" aus Deutschland nicht an, und das ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
3. Unionsrechtliche Bedenken gegen § 15 AStG a.F. hat der BFH nicht.
Er konzediert zwar einen Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs. Die Beschränkung dieser Freiheit wird aber gerechtfertigt, wenn es an einem steuerlichen Auskunftsaustausch mit einem anderen Mitgliedstaat der EU oder (...