Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist einem minderjährigen Gesellschafter einer GmbH nicht zuzurechnen, wenn er aufgrund eines verdeckten Treuhandverhältnisses nicht wirtschaftlicher Eigentümer des von Familienmitgliedern unentgeltlich übertragenen GmbH-Anteils ist.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2a EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr fünf Jahre alt. Seine Eltern gründeten mit seiner Großmutter die S-GmbH. Das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von insgesamt 50.000 DM wurde von der Großmutter in Höhe von 20.000 DM und von den Eltern in Höhe von jeweils 15.000 DM übernommen. Der Vater des Klägers veräußerte seine Beteiligung an der GmbH i. G. an einen seiner Angestellten. Dieser übertrug wenig später den GmbH-Anteil an die Großmutter des Klägers. Später wurde der Vater zum Geschäftsführer der S-GmbH bestellt. Die Großmutter und Mutter des Klägers übertrugen sodann ihre Geschäftsanteile an der S-GmbH je zur Hälfte im Wege der Schenkung an den Kläger und seinen Bruder. Zur Vollziehung der Schenkung wurde ein Rechtsanwalt der Firmengruppe des Vaters zum Ergänzungspfleger bestellt.
Das FA stellte bei einer Außenprüfung fest, dass die S-GmbH Fahrzeuge unter dem erzielbaren Marktpreis an die Firma E-GmbH veräußert hatte. Gesellschafter der E-GmbH waren die Mutter und Großmutter des Klägers. Deshalb nahm das FA eine vGA an eine dem Kläger (und seinem Bruder) nahestehende Person an.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das FG die Klage teilweise ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.3.2009, 1 K 158/05, Haufe-Index 2327057, EFG 2010, 1032). Das FG bejahte eine dem Kläger zuzurechnende vGA dem Grunde nach, reduzierte jedoch den Betrag.
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung und die angefochtenen Bescheide auf.
Die Schlussfolgerung des FG, es sei bei der Übertragung des Anteils an der S-GmbH auf den Kläger nicht lediglich die formale Einräumung einer Treuhandstellung beabsichtigt gewesen, sei rechtsfehlerhaft, denn sie werde nicht von der Aussage des als Zeugen vernommenen Ergänzungspflegers getragen. Nach dessen Angabe habe der Vater Mitglieder seiner Familie und Angestellte als Gesellschafter seiner Unternehmen eingesetzt, um Gesellschaftsanteile dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Allein zu diesem Zweck sei der GmbH-Anteil auf den Kläger übertragen worden. Das FG habe zu Unrecht aus der Annahme des Zeugen, es sei im Familienverbund nicht über Treuhandverträge nachgedacht worden, geschlossen, dass ein Treuhandverhältnis nicht vorgelegen habe. Denn wie der Zeuge in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt habe, habe der Vater die Familie beherrscht und jederzeit die Rückübertragung der GmbH-Anteile verlangen können. Die zivilrechtliche Stellung des geschäftsunfähigen Klägers als Gesellschafter der S-GmbH sei danach lediglich eine leere Hülle gewesen.
Das Treuhandverhältnis sei auch vollzogen worden. Seiner steuerlichen Anerkennung stehe die fehlende notarielle Beurkundung der Treuhandabrede schon deshalb nicht entgegen, weil der BGH erst nach dem Streitjahr in seinem Urteil vom 19.4.1999, II ZR 365/97, BGHZ 141, 208 entschieden habe, dass ein Treuhandvertrag über einen GmbH-Geschäftsanteil dem Formzwang des § 15 Abs. 4 GmbHG unterliege. Der GmbH-Anteil sei dem Kläger als Treuhänder danach wirtschaftlich nicht zuzurechnen, sodass ihm keine vGA zugeflossen sei.
Hinweis
1. Innerhalb einer Familien-GmbH oder gar eines Verbundes von verschiedenen GmbHs, die von einem Familienverband (in wechselnder Besetzung) beherrscht werden, stellen sich Fragen, die ansonsten im Konzernsteuerrecht so nicht anzutreffen sind. So gibt es im Körperschaftsteuerrecht (natürlich) keinen Minderjährigenschutz, und die Zurechnung von Verantwortung richtet sich grundsätzlich ohne Weiteres nach der Gesellschafterstellung. In einem Familienverband kann es hingegen Weisungsstränge und persönliche Abhängigkeiten geben, die dem formalen gesellschaftsrechtlichen Bild widersprechen und Anlass geben, für die steuerrechtliche Zurechnung genauer hinzusehen, um den wirtschaftlichen Hintergrund zutreffend abzubilden.
2. Wird ein Kleinkind zum Gesellschafter einer GmbH bestellt, so spricht einiges dafür, dass der mit der Gesellschafterstellung verbundene wirtschaftliche Einfluss von jemand anderem wahrgenommen wird. Zu denken ist in solchen Fällen vor allem an ein verdecktes Treuhandverhältnis, sodass die Gesellschafterstellung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, § 20 Abs. 2a EStG einem anderen Familienmitglied als Treugeber zuzurechnen sein kann.
3. Ein Treuhandverhältnis ist nur dann gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächli...