Dipl.-Finanzwirt (FH) Jürgen Feißt
Leitsatz
Mehrere Kontokorrentkonten, die für einen Geschäftspartner geführt werden, können nicht als Einheit angesehen werden, wenn keine endgültige tatsächliche Verrechnung stattfindet.
Sachverhalt
Die Gesellschafterin einer GmbH war bei der GmbH als Prokuristin tätig. Für sie wurde in der Buchhaltung ein "Gesellschafterverrechnungskonto" geführt. Laut Darlehensvertrag gewährte die Gesellschafterin der GmbH ein jeweils ab Auszahlung zu verzinsendes Kontokorrentdarlehen in unbestimmter Höhe, welches ganz oder teilweise jederzeit ohne Kündigung zurückgezahlt werden konnte. Ab etwa 1993 errichtete die Gesellschafterin ein Zweifamilienhaus. Die Finanzierung dieses Objekts erfolgte über die GmbH. Zur Erfassung der verauslagten Mittel wurde ein weiteres Verrechnungskonto "Hausbau" in der Buchhaltung eingerichtet. Die berechneten Zinsen wurden von der GmbH als Ertrag erfasst und von der Gesellschafterin im Rahmen ihrer persönlichen Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bzw. Vorbezugskosten geltend gemacht. Im Rahmen des Jahresabschlusses wurden Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der Gesellschafterin und der GmbH miteinander verrechnet. Es handelte sich allerdings nicht um eine endgültige Verrechnung der Salden auf den Konten. Vielmehr wurden die Verrechnungskonten bei Erstellung der Buchführung in den Folgejahren wieder auseinander gerechnet.
Entscheidung
Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ist die Hälfte der Entgelte für Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen. Für die Unterscheidung von sog. Dauerschulden einerseits und laufenden Verbindlichkeiten andererseits ist in erster Linie der Charakter der Schuld maßgeblich.
Auch Kontokorrentschulden können Dauerschulden sein, wenn aus dem Geschäftsverhältnis der Beteiligten geschlossen werden muss, dass im Rahmen des Kontokorrentverkehrs dem Unternehmen ein bestimmter Mindestkredit dauernd gewidmet sein soll. Werden für einen Geschäftspartner mehrere Konten in Kontokorrentform geführt, so können diese Konten nicht grundsätzlich als Einheit angesehen werden. Die Zulässigkeit einer Zusammenfassung mehrerer Kreditgeschäfte mit demselben Gläubiger hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine regelmäßige Verrechnung Voraussetzung für einheitliche Beurteilung. Im Urteilsfall fehlte es an einer tatsächlichen und endgültigen Verrechnung der beiden Konten. Eine solche hätte sogar dem Zweck der besonderen Konten für die Gesellschafterin widersprochen. Die Konten wurden nur für die Bilanzaufstellung bei der GmbH zusammengefasst; danach wurden die Konten wieder getrennt.
Hinweis
Was sich für die Einkommensteuer der Gesellschafterin zunächst als positiv darstellt, führt bei der GmbH zu zusätzlicher Gewerbesteuerbelastung. Bei Gestaltungen der vorliegenden Art darf nicht nur der Vorteil bei einer Steuerart berücksichtigt werden, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 27.03.2003, 10 K 6346/98