9.1 Betriebsprüfung: Bestimmte Beweise dürfen nur unter strengen Voraussetzungen verwertet werden
FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04.04.2022 - 7 V 7031/22
Das FG hat sich bei seiner Entscheidung auch von der Überlegung leiten lassen, dass der Umstand, dass die Betriebsprüfung Rechtsanwalt R nicht über die beabsichtigten Kontrollmitteilungen informiert habe, kein bloßer verfahrensrechtlicher Fehler sei. Denn ausgehend von der Rechtsprechung des BFH habe die Betriebsprüfung damit R die Möglichkeit genommen, sich effektiv um Rechtsschutz gegen dieses Vorgehen zu bemühen und dabei die höchstrichterlich nicht entschiedene Frage klären zu lassen, ob und ggf. unter welchen Umständen Kontrollmitteilungen über Verhältnisse, die sich aus dem Grunde nach aus § 104 Abs. 1 AO geschützten Unterlagen ergeben würden, versandt werden dürften. Das FG hat gegen den Beschluss die Beschwerde zum BFH zugelassen. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Sache weitergeht und wie ggf. der BFH entscheidet.
9.2 Gemischt genutzte Gebäude und teilweiser Vorsteuerabzug für ein Arbeitszimmer
BFH, Urteil v. 4.5.2022, XI R 28/21 (XI R 3/19)
Der BFH weist das FG für den 2. Rechtsgang u. a. auf Folgendes hin:
Einer Zuordnung steht nicht entgegen, dass der Kläger in den von ihm beim FA eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen einen Vorsteuerabzug nicht vorgenommen hat.
Die Steuerakten enthalten mehrere Anhaltspunkte dafür, dass das mit "Arbeiten" bezeichnete Zimmer bereits im Streitjahr 2015 (und damit vor dem 31. Mai des Folgejahres) für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich genutzt worden ist. Der Erstbezug des Gebäudes könnte nach Aktenlage am 23.11.2015 erfolgt sein.
Das FG wird außerdem, da es im Streitfall um ein Gebäude geht, in Bezug auf die Höhe der ggf. abziehbaren Vorsteuer das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1b UStG, Art. 168a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu berücksichtigen haben.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Bei der Ermittlung dieser unternehmerischen Mindestnutzung ist auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Anhand der tatsächlichen Feststellungen des FG kann nicht hinreichend beurteilt werden, ob die unternehmerische Mindestnutzung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) erreicht ist.
9.3 Grunderwerbsteuer: Keine Zurechnung von treuhänderisch gehaltenen Anteilen
BFH, Urteil v. 12.1.2022, II R 16/20
Der BFH hebt besonders hervor, dass ein Treuhandverhältnis allein nicht ausreicht, um einem Treugeber i. S. d. §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand – sei es unmittelbar, sei es mittelbar über eine weitere Gesamthand – zuzurechnen. Nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder ist – für das Grunderwerbsteuerrecht allein maßgebend – zivilrechtlich am Vermögen der Gesamthand beteiligt. § 39 Abs. 2 AO mit seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise gilt in diesen Fällen nicht (BFH, Beschluss v. 8.8.2000, II B 134/99, BFH/NV 2001 S. 66).
9.4 Mieten für Messestandflächen: Keine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung
BFH, Beschluss v. 23.3.20222, III R 14/21
Das FA weist zwar zutreffend darauf hin, dass auch kurzfristige Anmietungen zur Annahme von Anlagevermögen führen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass jede kurzfristige Anmietung eines beweglichen oder unbeweglichen Wirtschaftsguts die Annahme von Anlagevermögen nach sich zieht. Die Einordnung als Anlagevermögen kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige wiederholt gleichartige Wirtschaftsgüter anmietet und sich daraus ergibt, dass er derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Im vorliegenden Fall war die Klägerin aber im Hinblick auf die Vertriebsstruktur und den bestehenden anderweitigen Werbemöglichkeiten nicht ständig auf das Vorhalten von Messestandflächen für den Gebrauch in ihrem Betrieb angewiesen.
9.5 Tätigkeit als Museumsführer kann von der Umsatzsteuer befreit sein
BFH, Beschluss v. 15.2.2022, XI R 30/21 (XI R 37/18)
Die Entscheidung bedeutet, dass auch ein Unternehmer, der selbst nicht Inhaber eines Museums ist, eine Museumsleistung erbringen kann. Das entspricht der bereits vorhandenen Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 22.11.2018, V R 29/17, BStBl 2021 II S. 495, Rz. 15). Das Museum (die Sammlung), mit dem der Leistende seine Museumsleistung erbringt, kann auch das Museum (die Sammlung) einer dritten Person sein.
Die Steuerbefreiung steht dem im Museum Tätigen nur zu, wenn er die persönlichen Befreiungsvoraussetzungen selbst erfüllt. Andernfalls könnten z. B. auch die Leistungen eines Hausmeister- oder Sicherheitsdienstes für das Museum steuerfrei sein. Im Streitfall erfüllte X die personellen Voraussetzungen in eigener Person. Denn er erbrachte selbst eine kulturelle Leistung (in Form der Gästeführung). Seine Leistungen sind mit den nicht befreiten Leistungen eines selbst nicht kulturell tätigen Subunternehmers nicht vergleichbar.
9.6 Tageweise Dolmetschertätigkeit beim Europarat ist nicht steuerfrei
BFH, Urteil v. 16.3.2022, VIII R 33/19
Damit verbleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung zur Steuerpflicht der Vergütung für die Tätigkeit eines tageweise beim Europarat beschäftigten Dolmetschers (BFH, Urteil v. 6.8.1998, IV R 75/97, BStBl 1998 II S. 732). Soweit in der Recht...