8.1 Bekanntgabe- und Inhaltsadressat eines Umsatzsteuerbescheids für eine GbR
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 7.7.2022, 4 K 122/20
Für eine hinreichend klare Bestimmung des Inhaltsadressaten ist im Falle von Gesellschaften bürgerlichen Rechts grundsätzlich jeder Gesellschafter im Einzelnen zu benennen, sofern sich die GbR keinen ihrer Identifizierung dienenden Namen zugelegt hat. Es reicht allerdings auch aus, wenn in weiteren Unterlagen – wie etwa dem den Bescheiden beigefügten Steuerfahndungsbericht – die an der GbR beteiligten Personen jeweils mit Vor- und Nachnamen sowie der Adresse im Einzelnen benannt sind.
8.2 Betrieb von Geldspielautomaten bleibt umsatzsteuerpflichtig
BFH, Beschluss v. 26.9.2022, XI B 9/22 (AdV)
Die unter das RennwLottG fallenden Umsätze sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit. Dementsprechend sind virtuelle Automatenspiele, da sie seit 1.7.2021 der virtuellen Automatensteuer nach dem RennwLottG unterliegen, ab diesem Zeitpunkt umsatzsteuerfrei, während Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen (terrestrische Umsätze) weiterhin unter die Umsatzsteuer fallen. In dieser Ungleichheit wird in der Glücksspielbranche ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz gesehen.
Die Entscheidung ist im summarischen Verfahren der AdV ergangen. Die endgültige Entscheidung über die Streitfrage bleibt damit dem Hauptverfahren vorbehalten. Allerdings dürfte davon keine von dem vorliegenden Beschluss abweichende Auffassung des BFH zu erwarten sein. Denn der AdV-Beschluss behandelt die Problematik eingehend und die Argumentation des BFH überzeugt. Wesentliche neue Gesichtspunkte, die der BFH nicht angesprochen hätte, sind nicht ersichtlich.
8.3 Eigentumswechsel an einer vermieteten Immobilie und Umsatzsteuer
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.4.2022 ,7 K 7031/19
Bisher ist die Frage, welche Folgen die Übernahme von Mietverhältnissen durch neue Eigentümer durch den Erwerb von umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstücken auf den Steuerausweis hat, höchstrichterlich nicht geklärt. Das FG hat deshalb die Revision beim BFH gegen das Urteil zugelassen.
8.4 Gewerbesteuerliche Folgen der Überlassung von Gewerberäumen
BFH, Urteil v. 29.6.2022, III R 19/21
Der BFH hebt deutlich hervor, dass die am Gesetzeswortlaut orientierte Rechtsprechung zu als unbillig empfundenen Ergebnissen führen kann. Das gilt insbesondere im Streitfall, der durch die Überlassung relativ unwesentlichen Grundbesitzes an eine mit nur etwa 1/6000 beteiligte Genossin geprägt ist. Die gewerbesteuerlichen Nachteile stehen in einem groben Missverhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung der Überlassung der Geschäftsräume an M. Gleichwohl sieht der BFH keine rechtliche Grundlage für die vom FG angestellte Gesamtbetrachtung unter Anerkennung mehrerer "Bagatellaspekte". Eine Abhilfe könnte letztlich nur durch den Gesetzgeber bewirkt werden.
Eine Grundstücksgesellschaft kann die Vergünstigung behalten, wenn sie ihr Grundstück einer Kapitalgesellschaft überlässt, an der die Gesellschafter beteiligt sind.
8.5 Grundstückshändler: Wann beginnt die Gewerbesteuerpflicht?
BFH, Urteil v. 1.9.2022, IV R 13/20
Die Entscheidung verdeutlicht den Unterschied zum Zeitpunkt des Betriebsbeginns im ESt- und GewSt-Recht. Für die ESt ergibt sich der Beginn eines gewerblichen Betriebs bereits mit dem Zeitpunkt, zu dem objektiv erkennbare Vorbereitungshandlungen getroffen werden (z. B. BFH, Urteil v. 26.6.1995, X R 60/93, BFH/NV 1996 S. 202; BFH, Urteil v. 9.2.1983, I R 29/79, BStBl 1983 II S. 451). Für die GewSt kommt es dagegen auf den Beginn der werbenden Tätigkeit an. Vorbereitungshandlungen genügen (noch) nicht.
8.6 Kann für Outplacement-Leistungen Vorsteuerabzug geltend gemacht werden?
BFH, Urteil v. 30.6.2022, V R 32/10
Es liegt kein tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG) vor. Das gilt auch für die Fälle, in denen die Outplacement-Beratung im Zusammenhang mit einer Vertragsaufhebung erfolgte. Auch insoweit fehlt es an einer Leistung an die Mitarbeiter.
Das FG hat den Sachverhalt dahin gewürdigt, dass den Beschäftigten ein von ihnen (ursprünglich) nicht gewünschter Vorteil aus unternehmerischen Gründen quasi aufgedrängt wurde. Soweit das FA mit der Revision eingewandt hat, bei den Beschäftigten habe ein massives Eigeninteresse an der Beratung bestanden, handelt es sich um Einwendungen gegen die tatsächliche Würdigung des FG, die im Revisionsverfahren nicht durchgreifen. Ob die Würdigung des FG zwingend oder auch nur naheliegend ist, hat der BFH nicht zu entscheiden. Es reicht aus, dass sie möglich ist, d. h. (wie hier) weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Das Schwergewicht des Verfahrens liegt in derartigen Fällen daher im Tatsachenvortrag vor dem FA bzw. FG.
8.7 Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer sind umsatzsteuerfrei
BFH, Urteil v. 30.6.2022, V R 32/21 (V R 31/17)
Die Entscheidung dürfte auf vergleichbare Fallgestaltungen übertragbar sein. Die isolierte Abnahme der Prüfung fällt danach unter Veranstaltungen belehrender Art (§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG), Aus- und Fortbildung und damit verbundene Dienstleistungen (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) bzw. Schulungsmaßnahmen (Art. 44 MwSt-DVO). Hiervon ausgehend ist die Prüfungsleistung auch dann begünstigt, wenn der Prüfling überhaupt keine Schulung absolviert hat, sondern sich die Kenntnisse im Selbststudium angeeignet hat.
Wegen des beim EuGH anhängigen Verfahrens "Dubrovin & Tröger – Aquatics" (betr. S...