1 Arbeitsrecht
1.1 Dauereinsatz von Leiharbeitnehmern: Kündigung von Stammarbeitnehmern kann unwirksam sein
Landesarbeitsgericht Köln, Urteile v. 2.9.2020, 5 Sa 14/20, 5 Sa 295/20
Das Landesarbeitsgericht hat in beiden Verfahren die Revision zugelassen.
Betriebsbedingte Kündigungen sind zulässig, wenn aufgrund von betrieblichen Umständen kein Bedarf mehr an der Arbeitsleistung der betroffenen Arbeitnehmer besteht, weil beispielsweise Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen. Was gilt aber, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt? Das Landesarbeitsgericht Köln kam zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber in diesem Fall alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gehabt hätte: Er hätte die gekündigten Arbeitnehmer auf den Stellen der Leiharbeitnehmer weiter beschäftigen müssen, da fortlaufend beschäftigte Leiharbeitnehmer keine Vertretungsreserve seien.
2 Kapitalanlage & Versicherung
2.1 Wann eine Versicherungsleistung für schwere Unfallfolgen steuerpflichtig ist
BFH, Urteil v. 26.5.2020, IX R 15/19
Im Rahmen des § 842 BGB ist jeder Einsatz der Arbeitskraft, mit der eine sonst am Markt nur gegen Entgelt erhältliche Dienstleistung erbracht wird, als Vermögensschaden zu werten. Zivilrechtlich entsteht demnach ein (abstrakter) Erwerbs- und Fortkommensschaden auch dann, wenn der Geschädigte etwa überhaupt nicht beabsichtigt, einen Beruf zu ergreifen oder gegen Entgelt tätig zu sein. Abweichend hiervon entsteht eine steuerbare Ersatzleistung in diesen Fällen aber nur dann, wenn Ersatz für steuerbare Einnahmen aus einer konkreten, d.h. bestimmten oder hinreichend bestimmbaren Einkunftsquelle gezahlt wird. Bei Verletzungen im Kindesalter sind etwaige Prognosen, ob und ggf. welche Erwerbstätigkeit der Geschädigte aufgenommen hätte, allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und daher - so auch im Streitfall - rein spekulativ. Anders läge der Fall bei Zahlungen an ein bereits im Berufsleben stehendes Unfallopfer.
3 Sonstige Steuern
3.1 Auch die Beihilfe zur Steuerhinterziehung bleibt nicht ohne Folgen
FG München, Urteil v. 1.7.2020, 3 K 3072/18
Sind Vorgänge sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen, so ist das FG zwar an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung nicht gebunden, es ist jedoch nicht gehindert, sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu eigen zu machen, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden. Zur Übernahme der vom FG für zutreffend erachteten Feststellungen und Beweiswürdigungen des Strafgerichts besteht besonders dann Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist (BFH, Urteil v. 2.12.2003, VII R 17/03).
3.2 Auch gegen unbekannte Erben darf Erbschaftsteuer festgesetzt werden
BFH, Urteil v. 17.6.2020, II R 40/17
Das FG hat die eigene Befugnis und Verpflichtung zur Schätzung. Dem kommt das FG bereits nach, wenn es die Schätzung des Finanzamts überprüft und als eigene übernimmt. Die Pflicht zur vollumfänglichen Prüfung der vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung durch das FG führt dazu, dass die Schätzung des Finanzamts noch im Zeitpunkt der Entscheidung des FG zutreffend sein muss. Anderenfalls ist sie vom FG zu ändern. Somit muss das FG klären, ob dem Grunde und der Höhe nach weiterhin eine Schätzung geboten ist. Eine Schätzungsbefugnis ist demnach nicht mehr gegeben, wenn – was hier nicht vorliegt - die zunächst unbekannten Erben bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG ermittelt werden.
Im Übrigen gehört Schätzung des FG zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH gebunden ist. Er kann sie nur darauf überprüfen, ob sie zulässig war, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze beachtet hat.
3.3 Schenkungsteuer: Welcher Freibetrag gilt für Urenkel?
BFH, Beschluss v. 27.7.2020, II B 39/20 (AdV)
Der BFH lehnt die abweichenden Auffassungen in der Kommentarliteratur ab. Er weist allerdings darauf hin, dass das Meinungsbild in den Kommentaren nicht einheitlich ist und nicht in jedem Fall feststeht, ob die entsprechenden Ausführungen die aktuelle Gesetzeslage betreffen oder vielmehr Überlegungen im Hinblick auf eine bessere Sachgerechtigkeit darstellen.
Auch wenn im AdV-Verfahren eine Streitsache grundsätzlich nur einer summarischen Prüfung unterliegt, hat der BFH in dem Beschluss bereits sehr deutlich Stellung bezogen. Gleichwohl bleibt die endgültige Entscheidung einem Revisionsverfahren vorbehalten. Ob es dazu kommt, hängt davon ab, wie das FG über die anhängige Klage entscheidet und ob dagegen Revision eingelegt wird. Bis dahin sollten entsprechende Fälle offengehalten werden.
4 Steuerrecht Arbeitnehmer
4.1 Corona-Sonderzahlungen: Wann sie steuerfrei sind
BMF, Schreiben v. 26.10.2020, IV C 5 - S 2342/20/10012 :003
Zusätzlicher Arbeitslohn liegt nach Auffassung des BFH vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird (BFH, Urteil v. 1.8.2019, VI R 32/18). Nach dem Urteil des BFH ist die Zusätzlichkeitserfordernis auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen. Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel sei deshalb nicht begünstigungsschädlich. Die Finanzverwaltung hat dieses Urteil jedoch mit einem N...