1 Arbeitsrecht
1.1 Welche Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln sind
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 6.7.2022, 9 K 9009/22
Die Entscheidung führt vor Augen, wie genau auf die Verwendung des elektronischen Anwaltspostfachs (beA) durch einen Rechtsanwalt zu achten ist. Dabei bietet das Urteil des FG Berlin-Brandenburg durchaus Angriffspunkte für Kritik.
So ist das Gericht etwas darüber hinweggegangen, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft, die Klägervertreterin war, erst seit 1.8.2022 über eine eigenes Anwaltspostfach verfügen kann.
Auch ist es durchaus nicht ganz unproblematisch, wenn das Gericht ausführt, die Rechtsbehelfsbelehrung sei hinreichend konkret gewesen. Gerade in der Übergangszeit hätte man durchaus die Auffassung vertreten können, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Verpflichtung zur elektronischen Klageerhebung hätte verwiesen werden müssen.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Ausfall eines Gesellschafterdarlehens bei Krise der GmbH: nachträgliche Anschaffungskosten?
FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 04.06.2021 - 5 K 5188/19
Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, das Verfahren ist anhängig, Az beim BFH IX R 21/21.
2.2 Doppelt ansässige Kapitalgesellschaft und gewerbesteuerrechtliche Kürzung von Gewinnausschüttungen
BFH, Urteil v. 28.6.2022, I R 43/18
Das Regelungssystem des § 9 GewStG schließt zwar nicht sämtliche gewerbesteuerliche Doppelbelastungen aus. Allerdings unterliegen doppelt ansässige Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und Ort der Geschäftsleitung im Inland in gleicher Weise wie Kapitalgesellschaften mit doppeltem Inlandsbezug der inländischen Gewerbesteuerpflicht. Ein Grund, weshalb es gerade in diesem Fall bei einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung bleiben soll, obwohl nach § 9 Nr. 7 GewStG sogar Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland begünstigt werden, ist auch unter dem Gesichtspunkt einer Typisierung nicht ersichtlich.
Ob im umgekehrten Fall auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung im Ausland als inländische Kapitalgesellschaft i. S. d. § 9 Nr. 2a GewStG anzusehen sind, hat der BFH ausdrücklich offengelassen.
2.3 Warum eine atypisch stille Gesellschaft schädlich für eine Organschaft ist
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 5.7.2022, 1 K 395/14
Das FG hat sich damit einer früheren Entscheidung des FG Hamburg, Urteil v. 26.10.2010, 2 K 312/09 und der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 20.8.2015, IV C 2 - S 2770/12/10001) angeschlossen. Gleichwohl wurde die Revision zugelassen. Hintergrund ist, dass der BFH-Beschluss v. 11.8.2011, I B 179/10, ausdrücklich erklärt hat, dass er noch nicht über das Vorliegen einer Organschaft bei einer atypisch stillen Gesellschaft mit Personen außerhalb der Organschaft entschieden habe.
3 Land- und Forstwirtschaft
3.1 Keine anschaffungsnahen Herstellungskosten nach einer Entnahme
BFH, Urteil v. 3.5.2022, IX R 7/21
Eine Gleichstellung von Anschaffung und Entnahme als "anschaffungsähnlicher Vorgang" erfolgt nur für Zwecke der AfA-Bemessung (z. B. BFH, Urteil v. 22.2.2021, IX R 13/19, BFH/NV 2021 S. 1169; BFH, Urteil v. 8.11.1994, IX R 9/93, BStBl 1995 II S. 170). Diese Bemessungsgrundlage bezeichnet § 7 EStG für Fälle der Anschaffung als Anschaffungskosten. Dass der Gesetzgeber für den Fall der Entnahme keinen anderen Begriff verwendet, also die Höhe der (neuen) Bemessungsgrundlage mit den gleichen Worten beschreibt, ist kein Anlass dafür, die Entnahme einer Anschaffung i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gleichzusetzen.
4 Lohn und Gehalt
4.1 Entgelt für Kennzeichenwerbung ist Arbeitslohn
BFH, Urteil v. 21.6.2022, VI R 20/20
Die Entscheidung stellt im Wesentlichen auf die vom FG festgestellten Kriterien ab, die die Anerkennung derartiger Werbeverträge infrage stellen. Der BFH führt indes zugleich auch Gesichtspunkte an, die für einen eigenen wirtschaftlichen Gehalt entsprechender Sondervereinbarungen sprechen können. Das kann der Fall sein, wenn nicht mit allen Mitarbeitern Verträge abgeschlossen werden, die Verträge ausdrücklich als Werbeverträge bezeichnet und schriftlich abgeschossen werden sowie wenn die Verträge unabhängig vom Arbeitsverhältnis gekündigt werden können.
Der BFH war nach § 118 Abs. 2 FGO an die folgerichtige Würdigung des FG gebunden. Dass auch eine andere Würdigung möglich gewesen wäre, ist unerheblich.
Die Entscheidung erging nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 126a FGO. Von dieser Möglichkeit kann der BFH Gebrauch machen, wenn der Senat einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der BFH hielt die Sache offenbar für in jeder Hinsicht soweit ausdiskutiert, dass von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Aspekte mehr hätten vorgetragen werden können.
4.2 Steuerfreies Stipendium mindert den Werbungskostenabzug
BFH, Urteil v. 29.9.2022, VI R 34/20
Das FG hat die Aufwendungen der X für das Masterstudium bereits auf der Tatbestandsebene des Werbungskostenbegriffs im Wege einer Saldierung um die Zahlungen des DAAD gekürzt. Dem widerspricht der BFH. Er präzisiert den Werbungskostenbegriff dahin, dass Ausgaben und Einnahmen getrennt zu beurteilen sind. Der Rückfluss von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nicht als Kürzung der Werbungskosten, sondern als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind.
Aufwendungen für das Masterstudium der X in den USA sind als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkün...