1 Arbeitsrecht
1.1 Verfällt der Urlaub bei einer Langzeiterkrankung?
BAG, Urteil vom 31.1.2023, 9 AZR 107/20
Da das BAG mangels konkreter Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht darüber entscheiden konnte, ob auch die Urlaubsansprüche erloschen waren, die in den 5 Arbeitstagen zwischen dem 8.1.2016 und dem Krankheitsbeginn am 18.1.2016, d. h. im Zeitraum vom 11. bis zum 15.1.2016, hätten erfüllt werden können, wurde die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Zur Wegzugsbesteuerung bei einem Umzug in die Schweiz
BFH, Urteil v. 6.9.2023, I R 35/20
Der BFH stellt mit seiner Entscheidung klar, dass über die mit dem Stundungsanspruch verbundenen Fragen nicht im vorliegenden – allein die Steuerfestsetzung betreffenden – Verfahren, sondern gesondert im Rahmen des Erhebungsverfahrens zu entscheiden ist.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Kein Widerruf der Stimmabgabe nach Zugang bei Gesellschafterbeschluss im schriftlichem Umlaufverfahren
OLG München, Urteil v. 5.4.2023, 7 U 6538/20
Aus Sicht der Gesellschaft schafft das Urteil des OLG München zu begrüßende Klarheit. Mit Zugang der abgegebenen Stimme im schriftlichen Beschlussverfahren ist eine Änderung der Stimme grundsätzlich nicht mehr möglich.
Möchte ein Gesellschafter nach der Stimmabgabe seine Stimme ändern, so ist schnelles Handeln erforderlich. Geht die Widerrufserklärung dem Erklärungsempfänger vor der Stimmerklärung zu oder fällt sie mit dem Zugang der Stimmerklärung zusammen, kann die Stimme noch geändert werden. Folgende Anwendungsfälle sind praktisch relevant:
Umlaufverfahren und Stimmabgabe per Post: Bei postalisch eingereichter Stimme, kann diese u. U. per E-Mail oder durch einen rechtzeitigen Anruf widerrufen werden.
Umlaufverfahren und Nutzung elektronischer Fernkommunikationsmittel (z. B. E-Mail, SMS, Instant-Messaging, Chats): Wurde die Stimme über ein elektronisches Fernkommunikationsmittel eingereicht, kann der Zugang der Stimme unmittelbar nach dem Versand erwartet werden. Ein Widerruf könnte dann nur durch sofortige Mitteilung im selben Augenblick erfolgen. Dies wird jedoch praktisch kaum durchführbar sein.
Virtuelle und hybride Gesellschafterversammlung: Wird eine Gesellschafterversammlung virtuell (z. B. über eine Videokonferenz) oder teilweise in Präsenz, teilweise online gehalten, so ist nach Stimmabgabe durch Handzeichen oder Zuruf kein Widerruf möglich. In solchen Fällen wird die abgegebene Stimme unmittelbar vom Versammlungsleiter entgegengenommen und registriert. In diesem Zeitpunkt ist sie zugegangen.
Haben Gesellschafter versehentlich falsch abgestimmt oder wollen ihre Stimmabgabe etwa aufgrund Irrtums rückgängig machen und ist ihre Stimmerklärung bereits zugegangen, so bleibt ihnen nur die Anfechtung ihrer Erklärung nach den allgemeinen Regeln oder die Möglichkeit, auf eine erneute Abstimmung hinzuwirken.
4 Land- und Forstwirtschaft
4.1 Durchschnittssatzbesteuerung bei Verzicht auf Lieferrecht
BFH, Urteil v. 23.8.2023, XI R 27/21
Bei Landwirten, die der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegt, muss genau prüfen, ob die Ausgangsumsätze vollumfänglich als Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder als landwirtschaftliche Dienstleistung zu beurteilen sind. Leistungen wie die im Urteilsfall werden von der Durchschnittssatzbesteuerung nicht umfasst.
4.2 Keine Durchschnittssatzbesteuerung bei Turnierpferden
BFH, Urteil v. 13.9.2023, XI R 37/22
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz grundsätzlich 19 % der Bemessungsgrundlage. Abweichend hiervon gelten für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze nach § 24 UStG andere Steuersätze. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51, 51a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
5 Lohn & Gehalt
5.1 Leistungen aus einem Heisenberg-Stipendium können steuerfrei sein
BFH, Beschluss v. 24.10.2023, VIII R 11/22
Nach § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG sind Stipendien steuerfrei, die aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das Gleiche gilt nach § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG für Stipendien, die zu den in § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG genannten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gegeben werden.
6 Private Immobilienbesitzer
6.1 Anspruch auf Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zum Einbau einer Split-Klimaanlage?
LG Frankfurt am Main, Beschluss v. 14.8.2023, 2-13 S 5/23
Die Entscheidung des Gerichtes ist mittlerweile rechtskräftig.
Diese Gerichtsentscheidung erscheint überzeugend. Das ergibt sich aus der Begründung des LG Frankfurt in einem ähnlichen Fall. Es verneinte einen Anspruch des Wohnungseigentümers auf Einbau einer Split-Klimaanlage gem. § 20 Abs. 2 WEG mit der Begründung, dass der in § 20 Abs. 2 WEG genannte Katalog von Maßnahmen abschließend ist. Das ergibt sich nach Auffassung der Richter aus dem Wortlaut der Norm. Nur in einigen speziellen Fällen werde erweiternde Auslegung erwogen, wie etwa bei Parabolantennen. Diese komme jedoch bei Klimaanlagen nicht in Betracht.
Ebenso stellte das Gericht fest, dass von einer benachteiligenden baulichen Veränderung bereits auszugehen ist, wenn diese ni...