8.1 Absetzungen für Substanzverringerung durch eine KG nach Erwerb vom Kommanditisten
BFH, Urteil v. 1.9.2022, IV R 25/19
Eine Personengesellschaft, wie hier die KG, ist zivilrechtlich als selbstständiges Rechtssubjekt anerkannt. Auch steuerrechtlich ist die Selbstständigkeit (Rechtszuständigkeit) jedenfalls partiell anerkannt. Die steuerrechtliche Anerkennung der eigenen Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft hat insbesondere zur Folge, dass schuldrechtliche Beziehungen zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern anerkannt und wie Geschäfte unter fremden Dritten behandelt werden, sofern sie einem Fremdvergleich standhalten.
8.2 Bei Bösgläubigkeit des Erwerbers besteht kein Anspruch auf Vorsteuerabzug
Hessisches FG, Beschluss v. 7.2.2022, 1 V 1585/21
8.3 Ist die Supervision in pflegenden und betreuenden Berufen umsatzsteuerfrei?
BFH, Beschluss v. 22.6.2022, XI R 32/21 (XI R 6/19)
Der BFH setzt seine im Anschluss an das EuGH-Urteil Eulitz v. 28.1.2020, C-473/08, EU:C:2010, geänderte Rechtsprechung fort (BFH, Urteil v. 20.3.2014, V R 3/13, BFH/NV 2014 S. 1175). Danach kommt es nicht darauf an, ob der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, ob er sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder ob es sich um in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (so noch BFH, Urteil v. 17.4.2008, V R 58/05, BFH/NV 2008 S. 1418). Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bezieht sich vielmehr auf jegliche Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat.
Die Entscheidung erging nicht (wie üblich) durch Urteil, sondern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 126a FGO. Nach dieser Vorschrift kann der BFH verfahren, wenn der Senat einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der BFH hielt die Sache offenbar für in jeder Hinsicht soweit ausdiskutiert, dass er sich von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Aspekte erwartet hat.
8.4 Korrektur eines unrechtmäßigen Betriebsausgabenabzugs: Wem wird der Mehrgewinn zugerechnet?
BFH, Urteil v. 28.9.2022, VIII R 6/19
Das FG ging aufgrund des BFH-Beschlusses v. 23.6.1999, IV B 13/99 (BFH/NV 2000 S. 29) davon aus, die fehlende Durchsetzbarkeit oder Wertlosigkeit eines bestehenden Ersatzanspruchs der Gesellschaft sei eine zusätzliche Voraussetzung für die alleinige Zurechnung gesellschaftsvertragswidrig verkürzter Einnahmen oder von Mehrgewinnen aus einem ungerechtfertigten Betriebsausgabenabzug. Diese Aussage ist durch das Urteil v. 14.12.2000, IV R 16/00 überholt.
Der Ersatzanspruch der Gesellschaft ist nur von Bedeutung, wenn er im Jahr der Einnahmenerzielung bei der Gesellschaft zu aktivieren ist. In der Sonderbilanz des schädigenden Mitunternehmers ist dann entsprechend eine Ausgleichsverpflichtung zu passivieren. Bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist die Aktivierung/Passivierung jedoch von vornherein ausgeschlossen. Ein Gewinn bei der Gesellschaft (oder eine Sonderbetriebsausgabe des schädigenden Mitunternehmers) kann erst entstehen, wenn der Ersatzanspruch der Mitunternehmerschaft (oder nach deren Beendigung ein Auseinandersetzungsanspruch eines Mitunternehmers) vom Schädiger befriedigt wird.
8.5 Sind die Säumniszuschläge verfassungsgemäß?
BFH, Beschluss v. 28.10.2022, VI B 15/22 (AdV)
Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO v. 12.7.2022 (BStBl 2022 I S. 1215) wurde entsprechend den Vorgaben des BVerfG der Zinssatz für Zinsen nach § 233a (Vollverzinsung) auf 0,15 % pro Monat (1,8 % pro Jahr) gesenkt. Die Angemessenheit des Zinssatzes ist nach § 247 BGB alle 2 Jahre zu evaluieren (erstmals zum 1.1.2024). Inwieweit auch für andere Zinsen nach der AO oder nach den Einzelsteuergesetzen sowie für Säumniszuschläge nach § 240 AO eine Neuregelung des Zinssatzes erfolgen muss, ist im Gesetzgebungsverfahren offengeblieben.
Der vorliegenden Beschluss einerseits und die vorangehenden anders lautenden Beschlüsse (BFH, Urteil v. 31.8.2021, VII B 69/21 (AdV), n. v. und v. 23.5.2022, V B 4/22 (AdV) BFH/NV 2022 S. 1030) andererseits verdeutlichen den Meinungsunterschied innerhalb des BFH. Die Frage ist somit nach wie vor ungeklärt. Für die Praxis ist darauf hinzuweisen, dass die Einzelumstände (hier: Bagatellfall) wesentlich mit hineinspielen. Die unterschiedlichen Auffassungen der BFH-Senate führen nicht zur Anrufung des Großen Senats des BFH, da im summarischen Verfahren der AdV die Rechtsfragen nicht endgültig entschieden werden.
Der BFH weist besonders darauf hin, dass unbilligen Härten (z. B. wenn bei Zahlungsunfähigkeit die Funktion als Druckmittel entfällt) durch (Teil-)Erlass nach § 227 AO begegnet werden kann. Auch das spricht gegen die Verfassungswidrigkeit von § 240 AO.
8.6 Wie erfolgt die Besteuerung bei einer Betriebsaufgabe?
BFH, Urteil v. 29.6.2022, X R 6/20
Wie im Fall der Betriebsveräußerung kann das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung auch bei der Betriebsaufgabe im Wege einer teleologischen Reduktion der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG hergeleitet werden. Bislang hatte der BFH nur entschieden, dass ein solches Wahlrecht bei der Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsguts gegen Leibrente aus einem fortbestehenden Betrieb nicht zu gewähren ist. Hiervon unterscheidet sich jedoch eine Betriebsaufgabe, bei der Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert werden. Denn ebenso wie nach der Betriebsveräußerung im Ganzen ist der Veräußer...