9.1 E-Paper-Ausgaben: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?
FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid v. 22.8.2023, 1 K 1270/21
Im Hinblick auf den ab 18.12.2019 geltenden § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG ist das Urteil für die Praxis unbefriedigend. Abzuwarten bleibt, wie der BFH die Revision, Az beim BFH XI R 29/23, wegen der Frage, ob das E-Paper eine "unselbstständige Leistung" zur Print-Lieferung ist, entscheidet.
9.2 Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer: Kein Verstoß gegen Unionsrecht
FG Düsseldorf, Urteil v. 23.6.2023, 1 K 1869/22 U
Sofern die Festsetzung von Nachzahlungszinsen im Einzelfall zu einem unbilligen Ergebnis führt, kann auch ein Erlass aus persönlichen oder sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO und § 227 AO in Betracht kommen. § 233a Abs. 8 Satz 4 AO (eingeführt durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung v. 12.7.2022, BGBl 2022 I S. 1142) regelt nunmehr ausdrücklich, dass § 163 AO und § 227 AO auch auf die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO anwendbar sind. Dies war auch bereits vor der gesetzlichen Normierung anerkannt.
9.3 Gewerbesteuerbefreiung: Was gilt bei Einrichtungen zur ambulanten Rehabilitation?
FG Düsseldorf, Urteil v. 18.8.2023, 3 K 2043/19 G
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es wird davon ausgegangen, dass das Finanzamt den Weg zum BFH beschreiten wird; das Aktenzeichen eines Revisionsverfahrens ist aber noch nicht bekannt.
9.4 Steuerberaterprüfung: Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren
BFH, Urteil v. 17.11.2023, VII R 10/20
Verfassungsrechtlich unbedenklich ist insofern auch, dass das Prüfungsverfahren in den einzelnen Bundesländern – trotz bundeseinheitlicher Prüfung – unterschiedlich ausgestaltet ist, weil zahlreiche Steuerberaterkammern sich auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB für eine Anonymisierung entschieden haben. Denn nach den verfassungsrechtlichen Grundlagen sind unterschiedlich behandelte Personengruppen nicht vergleichbar, wenn sie nicht derselben Rechtssetzungsgewalt unterfallen, also bei unterschiedlichen Regelungen durch Landesrecht. Im Bereich der Länderzuständigkeit müssen länderübergreifend keine identischen Regelungen bestehen.
9.5 Verspätungszuschlag: Überschreiten der verlängerten Abgabefristen
FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 7.3.2023, 12 K 1588/22 AO
Die Entscheidung ist angesichts der Rechtslage sicherlich zutreffend. Seit der umfassenden Änderung der gesetzlichen Bestimmungen zum Verspätungszuschlag ist grundsätzlich immer dann ein solcher festzusetzen, wenn die Frist für die Abgabe einer Steuererklärung überschritten ist. Dies war hier offensichtlich der Fall, da die Gewerbesteuererklärung erst nach dem 31.8.2021 eingereicht wurde.
Ist absehbar, dass die gesetzliche Frist nicht eingehalten wird, muss im Vorwege im Einzelfall eine Fristverlängerung beantragt werden, um einen Verspätungszuschlag zu vermeiden. Warum der Klägervertreter dies nicht getan hat, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Etwas anderes ergibt sich auch aus dem Fragen-Antworten-Katalog des BMF nicht. Unter Umständen hätte der Klägervertreter eine Fristverlängerung über den 31.8.2021 hinaus erlangen können, wenn er dargelegt hätte, dass er in einem besonderen Maße durch die Umstände der Pandemie in seiner Arbeit beeinträchtigt wurde. Aber dies hätte er im Vorwege vortragen müssen. Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen.
9.6 Wann die Gestattung der Ist-Besteuerung widerrufen werden kann
BFH, Urteil v. 12.7.2023, XI R 5/21
Die Finanzbehörde kann gem. § 20 Abs. 1 UStG unter weiteren Voraussetzungen auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Die Gestattung der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten ist ein begünstigender sonstiger Ermessens-Verwaltungsakt i. S. d. §§ 130, 131 AO.
Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gem. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden darf, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig (§ 131 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 130 Abs. 3 Satz 1 AO).