1.1 Arbeitsunfall: Toilette gehört nicht zum versicherten Bereich
LSG Stuttgart, Urteil v. 30.4.2020, L 10 U 2537/18
Diese klare Grenzziehung entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das sich von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung leiten ließ. Anders als der Dienstunfallschutz nach dem Beamtenrecht, der grundsätzlich abstrakt an die Dienstausübung im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn anknüpft, erfordert der sozialversicherungsrechtliche Unfallschutz einen inneren Zusammenhang zwischen der konkreten Verrichtung zum Unfallzeitpunkt und der versicherten Tätigkeit, etwa als Beschäftigte.
1.2 Bewerbungsgespräch: Arbeitgeber darf nicht pauschal nach Vorstrafen oder Ermittlungsverfahren fragen
Arbeitsgericht Bonn, Urteil v. 20.5.2020, 5 Ca 83/20
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim LAG Köln eingelegt werden.
Um den geeigneten Bewerber zu finden, wollen Personaler möglichst viel über den Kandidaten erfahren. Doch nicht jede Frage ist aus rechtlicher Sicht erlaubt. Unzulässige Fragen darf der Bewerber bewusst falsch beantworten. Eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage kann im Nachhinein einen Kündigungsgrund oder eine arglistige Täuschung sein. Immer wieder müssen Gerichte daher beurteilen, ob die Frage zulässig oder unzulässig war.
1.3 Interne Datenschutzbeauftragte dürfen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden
LAG Nürnberg, Urteil v. 19.2.2020, 2 Sa 274/19
1.4 Nicht jeder Sturz in einem Laden führt gleich zu einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
AG München, Urteil v. 9.10.2019, 122 C 9106/19
Eine Pflichtverletzung seitens des Mitarbeiters sah das Gericht selbst dann nicht, falls dieser den Schlauch tatsächlich angehoben habe. Nach Ansicht des Gerichts muss in einem Gartencenter, in dem gerade erkennbar mit einem Schlauch Blumen gegossen werden, damit gerechnet werden, dass dieser Schlauch sich jederzeit bewegen könne.
Da die Klägerin zudem erkannte, dass unweit ihres Gehweges die Kabeltrommel stand, aus der der Schlauch aus einer gewissen Höhe auf den Boden herabfiel, habe sie auch damit rechnen müssen, dass sich der Schlauch auch leicht in Höhe der Kabeltrommel anheben könne.
1.5 Sonntagsarbeit in Callcentern: Kirche muss in Genehmigungsverfahren einbezogen werden
BVerwG, Urteil v. 6.5.2020; 8 C 5.19; Vorinstanzen: OVG Bautzen, Urteil v. 11.4.2019, 3 A 505/17; VG Dresden, Urteil v. 12.4.2017, 4 K 1278/16
Nach dem Arbeitszeitgesetz ist in Deutschland eine Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich nicht erlaubt. Das Gesetz selbst sieht jedoch Ausnahmen vor - etwa für Polizei, Feuerwehr, Krankenhauspersonal oder Notdienste. Aufgrund der Corona-Pandemie ist in bestimmten Bereichen befristet mehr Sonn- und Feiertagsarbeit gem. der Covid-19-Arbeitszeitverordnung zulässig.
Weitere Ausnahmen kann die zuständige Aufsichtsbehörde nach § 13 ArbZG zulassen. Aufgrund solcher behördlicher Ausnahmebewilligungen dürfen Arbeitnehmer in Sachsen in Callcentern auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Doch darf die Kirche bei den Entscheidungen der Behörden mitreden? Das musste das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vorliegend beurteilen und hat mit seinem Urteil den Sonntagsschutz gestärkt.
1.6 Vorbeschäftigung liegt 15 Jahre zurück: Sachgrundlose Befristung ist trotzdem nicht erlaubt
LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.3.2020, 4 Sa 44/19
Wäre dem Arbeitgeber die Vermeidung einer unzulässigen sachgrundlosen Befristung wichtig gewesen, hätte es nahegelegen, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass der Einstellungsbogen in der Personalabteilung vor Einstellung noch einmal angeschaut wird und die Angaben der Beschäftigten im eigenen System überprüft werden.
Die "Lücke" im Lebenslauf über die Vorbeschäftigung war nach Ansicht der Richter zwar unschön, aber noch keine positive Falschauskunft, zumal sie nach den Angaben der Arbeitnehmerin im Einstellungsbogen durch Nachfrage oder Nachforschen noch hätte behoben werden können.
1.7 Wann ein Antrag auf Teilzeit rechtsmissbräuchlich ist
LAG Nürnberg, Urteil v. 27.8.2019, 6 Sa 110/19
1.8 Warum ein öffentlicher Arbeitgeber Schwerbehinderte grundsätzlich – aber nicht immer – zum Vorstellungsgespräch einladen muss
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.8.2019, 10 Sa 563/19
Der Arbeitgeber kann die Benachteiligung eines einzelnen Bewerbers wegen eines unterbliebenen Vorstellungsgesprächs nicht dadurch widerlegen, dass im Bewerbungsverfahren die Gruppe der Schwerbehinderten nicht nachteilig behandelt wurde. Denn § 165 Satz 3 SGB IX gibt dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Die Indizwirkung wird durch die Schlechterstellung des Einzelnen ausgelöst und nicht dadurch aufgehoben, dass ansonsten im Bewerbungsverfahren schwerbehinderte Bewerber als Gruppe nicht nachteilig behandelt wurden. Deshalb war hier die Behauptung der Beklagten unerheblich, dass die ausgeschriebenen Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzt worden seien.