2.1 Verzicht auf eine angemessene Verzinsung als verdeckte Gewinnausschüttung?
BFH, Urteil v. 22.2.2023, I R 27/20
Dem Umstand fehlender Besicherung ist nach der Rechtsprechung besondere Bedeutung beizumessen. Der BFH folgte im Urteilsfall auch nicht der Argumentation der Klägerin, dass der Zugriff auf pfändbare Teile der Gehaltsansprüche des A oder die Aufrechnung gegen dessen Abfindungsanspruch (gem. § 14 des Gesellschaftsvertrags), als "Sicherheiten" zu werten seien. Denn die jedem Gläubiger einer Geldforderung offenstehende Möglichkeit, notfalls in das Vermögen seines Schuldners vollstrecken zu können, sichere den Rückzahlungsanspruch nur unzureichend ab. Die Rechtsprechung sieht als "fremdübliche Sicherheiten" daher nur solche Mittel an, die dem Gläubiger einen besonderen Zugriff auf bestimmte werthaltige Vermögensgegenstände seines Schuldners gewähren und ihm hierdurch einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschaffen (z. B. Grundpfandrechte, Bürgschaften, Sicherungsabtretungen, Sicherungsübereignungen, Eigentumsvorbehalte u. Ä.).
2.2 Verzicht auf Kompensationszahlungen als verdeckte Einlage
BFH, Urteil v. 15.3.2023, I R 24/20
Der BFH verweist ergänzend auf das aktuelle Urteil zur Eigenschaft von Kryptowährungen als Wirtschaftsgut (BFH, Urteil v. 14.2.2023, IX R 3/22, Rz. 24). Der "Vorteil" für den Betrieb, der für ein Wirtschaftsgut erforderlich ist, wird nicht durch die Rechtsposition selbst (oder dem ihr innewohnenden "Nutzen") definiert, sondern bestimmt sich durch den Geschäftsverkehr bzw. die konkrete Marktsituation, die dieser Position eine vermögensmäßige Relevanz – im Sinne einer Chance oder Möglichkeit – beimisst, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt.
2.3 Wann ist das Selbsthilferecht eines GmbH-Gesellschafters "verbraucht"?
KG Berlin, Urteil v. 7.9.2022, 23 U 120/21
Das Urteil des KG überzeugt. Ein Abweichen vom Grundsatz der Einberufung durch die Geschäftsführung gebietet eine restriktive Anwendung des Selbsthilferechts. Ob ein Selbsthilferecht von Gesellschaftern nach § 50 III GmbHG (fort-)besteht, kann konsequenterweise ausschließlich davon abhängen, ob über den betreffenden Tagesordnungspunkt bereits tatsächlich Beschluss gefasst wurde, nicht aber davon, ob die Beschlussfassung auch wirksam war. Anderenfalls bestünde – worauf das KG zutreffend hinweist – bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung dieser Frage Ungewissheit, ob das Selbsthilferecht bereits "verbraucht" ist oder der Gesellschafter selbst (erneut) eine Gesellschafterversammlung einberufen kann. Es ist Minderheitsgesellschaftern vielmehr zuzumuten, nach einer möglicherweise unwirksamen Beschlussfassung und vor einer (erneuten) Einberufung nach § 50 III GmbHG zunächst (erneut) die Voraussetzungen hierfür zu schaffen und ein Einberufungsverlangen an die Geschäftsführung nach § 50 I GmbHG zu richten.