7.1 Beendigung einer Gemeinschaftspraxis durch Realteilung: Sperrfristen beachten
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil v. 11.4.2019, 1 K 1280/15
Das FG hat die Revision zugelassen, Az. beim BFH VIII R 14/19.
7.2 Bis zu welchem Zeitpunkt der Verzicht auf die Umsatzsteuer-Befreiung erklärt werden kann
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.8.2019, 1 K 3115/18
Die Option zur Steuerpflicht ist in den Fällen des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung und Verwaltungsauffassung nur im originären, notariell beurkundeten Kaufvertrag möglich. Bisher wurde in der herrschenden Meinung wegen der Auffassung des BFH, dass für die Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung die gleichen Grundsätze gelten wie für die Ausübung, davon ausgegangen, dass eine Rücknahme des Verzichts bei Grundstücksgeschäften faktisch unmöglich ist. Das sieht das FG Stuttgart nunmehr anders. Es ist jedoch schwer einzuschätzen, ob die Ausführungen des FG in dem vom Finanzamt angestrengten Revisionsverfahren beim BFH, XI R 22/19, Bestand haben werden.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Fälle einer Rücknahme des Verzichts auf die Steuerbefreiung in der Praxis eher gering sein dürften. Praxisrelevanter ist indes die Option zur Steuerpflicht, für die weiterhin nur empfohlen werden kann, gesetzeskonform zu handeln und im notariellen Kaufvertrag die Option zu vereinbaren.
7.3 Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags: Wann eine Betriebsvorrichtung als mitvermietet gilt
BFH, Urteil v. 18.12.2019, III R 36/17
Im Streitfall wurden die Tanks, Rohrleitungen und Zapfsäulen zwar von ihrer Funktion her nicht unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes "SB-Warenhaus und Shops" genutzt. Sie erfüllen in Bezug auf die Räumlichkeiten, in denen das SB-Warenhaus und die Shops betrieben werden, aber auch keinen Gebäudezweck. Ihre Zweckbestimmung kann daher allein unter Betrachtung der betriebsfunktionalen Erfordernisse des Gewerbebetriebs "Tankstelle" beurteilt werden. Eine gegenteilige Betrachtungsweise würde dagegen zu einer Atomisierung der gewerblichen Tätigkeit und einer dem Gesetzeszweck zuwiderlaufenden weitgehenden Unschädlichkeit der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen führen. So wären bei einem Autohaus die jeweils mitvermieteten Betriebsvorrichtungen kürzungsunschädlich, weil etwa die Neuwagenpräsentationseinrichtungen (z. B. Drehbühne) nicht für die Fahrzeugreparatur und die Lackierkabinen nicht für den Neuwagenverkauf erforderlich sind.
7.4 Gehört die Einlagerung eingefrorener Ei- und Samenzellen zu den umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen?
FG Münster, Urteil v. 6.2.2020, 5 K 158/17 U
Da das FG entgegen der Verwaltungsregelung in Abschn. 4.14.2 Abs. 4 Satz 4 UStAE entschieden hat, hat es die Revision zum BFH zugelassen. Im Hinblick auf das Revisionsverfahren, Az. beim BFH V R 10/20, sollte daher in gleichen Fällen das Ruhen des Verfahrens und die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.
Wichtig für die Praxis ist, dass die medizinische Notwendigkeit der Fruchtbarkeitsbehandlung und Einlagerung jeweils anhand der einzelnen Patientenunterlagen belegt wird.
7.5 Warum ein Heimbüro umsatzsteuerlich zeitnah zugeordnet werden muss
Sächsisches FG, Urteil v. 19.3.2018, 5 K 249/18
Die Sache ist zwischenzeitlich über den BFH mit folgenden Fragen an den EuGH gelangt (BFH, Beschluss v. 18.9.2019, XI R 3/19):
Widerspricht es dem Unionsrecht, wenn das für den Vorsteuerabzug erforderliche Zuordnungswahlrecht zwingend bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung ausgeübt werden muss?
Widerspricht es dem Unionsrecht, dass immer dann eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird bzw. eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?
Das Verfahren wird beim EuGH, Az. beim EuGH C-45/20, geführt.
Es ist demnach gut möglich, dass die strenge Zuordnungsfrist, wie sie vom BFH postuliert und von der Finanzverwaltung entsprechend angewendet wird, vor dem EuGH keinen Bestand hat. Da der Ausgang des Verfahrens allerdings offen ist, ist bis auf Weiteres dringend zu empfehlen, der Ansicht der Finanzverwaltung zu folgen und bei der teilweisen unternehmerischen Verwendung von einheitlichen Gegenständen (insbesondere Gebäudebestandteilen) auf eine zeitnahe Zuordnung zu achten.
7.6 Warum ein selbstständiger Buchhalter keine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben darf
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.10.2019, 4 K 1715/18
Der Kläger hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. beim BFH VII B 37/20. Die Chancen, dass der BFH die Revision zulassen wird, dürften eher schlecht stehen.
Denn der II. Senat des BFH hat entschieden, dass die in § 6 Nr. 4 StBerG genannten Personen auch dann nicht zur Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen berechtigt sind, wenn dies aufgrund des verwendeten Buchführungsprogramms automatisch erfolgt (BFH, Urteil v. 7.6.2017, II R 22/15). Die Vorschrift könne im Hinblick auf ihren klaren Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit ihr verfolgten Zielsetzung nicht entsprechend auf die Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen angewendet werden. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liege darin nicht. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen könnten den Lohnsteuer-Anmeldungen nicht gleichgestellt werden. Ihre richtige Erstellung erfordere eine umfassende Kenntnis des Umsatzsteuerrechts.
7.7 Was passiert bei Errichtung eines Gebäudes mit Betriebsvorrichtungen durch den künftigen Mieter?
BFH, Urteil v. 28.11.2019, III R 34/17
Die Entscheidung bestätigt die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze. Die Ausschließlichkeit der begünstigten Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung ...