8.1 Widerruf der Vollmacht: Kann trotzdem eine wirksame Bekanntgabe erfolgen?
BFH, Urteil v. 8.2.2024, VI R 25/21
Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird; er kann aber gemäß Satz 3 der Vorschrift auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO räumt der Finanzbehörde mithin ein Ermessen ein, ob sie den Verwaltungsakt an den Beteiligten oder an dessen Bevollmächtigten bekannt gibt.
8.2 Betriebsprüfung auch nach Tod des Geschäftsinhabers zulässig
Hessische FG, Urteil v. 10.5.2023, 8 K 816/20
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der BFH bereits in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – wenn auch (nur) nach summarischer Prüfung – klargestellt, dass die Erben eines gewerblich tätigen Steuerpflichtigen die Durchführung einer Außenprüfung zu dulden hätten (BFH, Beschluss v. 15.6.2022, X B 87/21).
Nach dieser Entscheidung obliegt den Erben die Erfüllung der auf sie durch Gesamtrechtsnachfolge übergegangenen Mitwirkungspflichten im Sinne des § 200 AO, sodass der Anordnung einer Außenprüfung nicht von Vornherein entgegensteht, dass die Erben nicht über das Wissen und die Kenntnisse des Erblassers verfügen und über das bloße Ordnen, Sortieren und die Vorlage von Unterlagen hinaus nicht zur Mitwirkung bei der Aufklärung der steuerlichen Verhältnisse des Erblassers herangezogen werden können.
Von den Gesamtrechtsnachfolgern kann seitens des Finanzamtes kein einzelnes Mitwirkungsverlangen gefordert und ggf. mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, das außerhalb ihres Wissens- oder Einflussbereichs liegt. Allein ein zeitlicher oder finanzieller Mehraufwand der Erben (hier: im Vergleich zum verstorbenen Betriebsinhaber) macht eine ermessensgerecht eingeforderte Mitwirkungsmaßnahme aber nicht unverhältnismäßig.
8.3 Gewerbesteuerzerlegung und mehrgemeindliche Betriebsstätten
BFH, Urteil v. 14.12.2023, IV R 2/21
Die Entscheidung verdeutlicht die Probleme bei einer gemeinschaftlichen mehrgemeindlichen Betriebsstätte. § 30 GewStG beschreibt den Maßstab für die Zerlegung wenig konkret. Die Gewichtung hat nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der jeweiligen Gemeindelast zu erfolgen. Eine Zerlegung nach den Abgabemengen des Erdgases hält der BFH für rechtens. Wenngleich die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, der keine globale Bedeutung hat, verdeutlicht diese die Grundsätze der Zerlegung und die möglichen Einzelfalldiskussionen.
8.4 Sind Gewinnabschöpfungen als Betriebsausgaben abziehbar?
FG Münster, Urteil v. 18.12.2023, 4 K 1382/20 G,F
8.5 Kassenbuch: Richtsatzsammlung als Schätzungsgrundlage
Hessisches FG Urteil vom 23.06.2023 - 10 K 98/17
Die Entscheidung ist vor allem insofern von Interesse, als nach Ansicht des Hessischen FG die Richtsatzsammlungen des BMF weiterhin Grundlage einer Schätzung sein können. Dies ist durchaus nicht unproblematisch, denn der BFH Beschluss vom 14.12.2022 - X R 19/21, hat das BMF dazu aufgefordert, dem Revisionsverfahren im betreffenden Fall beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die amtlichen Richtsatzsammlungen Grundlage einer Schätzung sein dürfen.
Die Entscheidung hierzu wird mit Spannung erwartet, denn es steht zu erwarten an, dass zukünftig die Anwendung der Richtsatzsammlungen eingeengt wird. Zumindest aber dürfte zukünftig mehr Transparenz darüber herrschen, wie die Richtsatzsammlungen erstellt werden. Angesichts dieses beim BFH anhängigen Verfahrens konnte auch das Hessische FG keine abschließende Entscheidung treffen, auch wenn es die Richtsatzsammlungen weiter für anwendbar hält.
Die Revision zum BFH wurde zugelassen, Az beim BFH X R 19/23.