9.1 Bei der Anschaffung eines Firmenwagens kommt ein Vorsteuerabzug infrage
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.9.2022, 12 K 1295/20
Ob die vom FG vorgenommene Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG im Anschaffungsjahr zulässig ist, ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt. Auf jeden Fall zeigt die Lösung des FG im Streitfall, wie kompliziert diese Vorsteuerprobleme für die Praxis sind.
Das FG Baden-Württemberg hat zudem entschieden:
- Wurde der neue Pkw kurz vor Jahresende erworben und zuvor ein anderer "funktionsgleicher" Pkw für die gleichen Umsätze genutzt, ist für die Vorsteueraufteilung auf die tatsächliche Verwendung sowohl des alten als auch des neuen Pkw im gesamten Kalenderjahr (Gesamtfahrleistung des Gesamtkalenderjahres) abzustellen.
- Wird der neu angeschaffte Pkw ab der Anschaffung bis zum Jahresende in einem anderen Umfang als bei der Vorsteueraufteilung beim Kauf auf Basis der Gesamtfahrleistung für das Kalenderjahr ermittelt und für steuerpflichtige bzw. steuerfreie Umsätze genutzt, erfolgt insoweit eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für das Anschaffungsjahr.
9.2 Darf ein Gemeindeprüfer an einer Außenprüfung teilnehmen?
BFH, Urteil v. 20.10.2022, III R 25/21
Der BFH hält es für zweifelhaft, ob der Gefahr der Verwertung von (bereits erlangten) Prüfungserkenntnissen für eigene wirtschaftliche Interessen der Gemeinde durch Trennung der Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde wirksam begegnet werden kann. Deshalb ist bereits auf der vorgelagerten Ebene der Offenlegung von Unterlagen das berechtigte Interesse des Steuerpflichtigen zu prüfen.
Die von der X-GmbH erhobene Klage war als Fortsetzungsfeststellungsklage i. S. v. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig. Die Teilnahmeregelung hat sich im Streitfall zwar durch die Beendigung der Außenprüfung ohne Teilnahme des Gemeindebediensteten erledigt. Das FA hat jedoch angekündigt, bei Folgeprüfungen die Teilnahme des Gemeindebediensteten erneut in gleicher Weise anzuordnen. Es besteht also Wiederholungsgefahr.
9.3 Nach Insolvenzeröffnung: Wer ist richtiger Adressat für eine Prüfungsanordnung?
FG München, Urteil v. 4.10.2022, 12 K 465/22
Die Entscheidung ist zutreffend. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter derjenige, an den Verwaltungsakte als Bekanntgabe- und Inhaltsadressat zu richten sind. Dies hat der BFH vielfach entschieden. Es verwundert etwas, dass sich die Finanzverwaltung hier nicht an diese Rechtsprechung und auch die eigenen Vorgaben – etwa im Anwendungserlass zur AO – gehalten hat.
Hier war aus der Adressierung in der Anordnung ersichtlich, dass die Finanzverwaltung ihre Prüfungsanordnung an die insolvente Gesellschaft gerichtet hatte und nicht an die Insolvenzverwalterin. Die Prüfungsanordnung war deshalb nichtig. Für Steuerpflichtige und ihre Berater zeigt das Urteil aber auch, dass es in Zweifelsfällen durchaus auch einmal sinnvoll sein kann, sich näher mit so scheinbar "profanen" Dingen wie der Adressierung eines Verwaltungsakts auseinander zu setzen. Die Entscheidung ist rechtskräftig; die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
9.4 Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen: Wann beginnt der Zinslauf?
Die Eheleute hatten innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Einspruch ausdrücklich (nur) gegen die "Bescheide über ESt, SolZ und KiSt" erhoben. Das FG und das Finanzamt haben dieses Schreiben nur als Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen vom 6.5.2013 und nicht auch als Einsprüche gegen die mit diesen Festsetzungen verbundenen Zinsfestsetzungen beurteilt. Das Schreiben war nicht auslegungsbedürftig, sodass auch kein Raum für eine anderweitige Auslegung durch den BFH bestand. Erst das folgende Schreiben an das Finanzamt vom 30.12.2013 beinhaltete Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen. Diese Einsprüche wurden aber erst nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben und mit der Einspruchsentscheidung des Finanzamts zutreffend als unzulässig verworfen.
9.5 Säumniszuschläge sind verfassungsgemäß
Wegen der Frage der Verfassungswidrigkeit von nach dem 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschlägen ist beim BFH ein weiteres Revisionsverfahren anhängig (Az. des BFH: VII R 19/21, neues Az. nach Abgabe an den X. Senat: X R 30/21). Die Vorinstanz hat verfassungsrechtliche Bedenken verneint (FG Düsseldorf, Urteil v. 22.4.2021, 12 K 1420/20 AO, EFG 2021 S. 1962). Es bleibt abzuwarten, ob sich der X. Senat des BFH der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen anschließt oder das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen und die Sache dem BVerfG vorlegen wird.
Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO). Säumniszuschläge fallen nach dem Gesetz unabhängig davon an, ob eine Steuer zutreffend festgesetzt wird; nach § 240 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 AO bleiben die verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben oder geändert wird (s. a. BFH, Urteil v. 18.09.2018, XI R 36/16, BStBl 2019 I S. 87, Rz. 32).
9.6 Wann eine Heilpraktikertätigkeit gewerblich ist
FG Köln, Gerichtsbescheid v. 4.3.2022, 6 K 1883/21
Die Tätigkeit des Heilpraktikers als heilberufliche Tätigkeit i. S. v. § 18 EStG ist mit den Tätigkeiten eines Arztes, Dentisten und Krankengymnasten insoweit ver...