6.1 Drittanstellung bei einer KGaA: Hinzurechnung der Vergütungen
BFH, Urteil v. 14.9.2022, I R 13/20
Das Konzept der Hinzurechnung und Kürzung von Gewinnanteilen bei der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter in § 8 Nr. 4 und § 9 Nr. 2b GewStG berücksichtigt das Leistungsfähigkeitsprinzip hinreichend und ist daher nicht verfassungswidrig (BFH, Urteil v. 6.10.2009, I R 102/06, BFH/NV 2010 S. 462). Damit ist nur auf der Ebene des persönlich haftenden Gesellschafters und damit bei der Auslegung des § 9 Nr. 2b GewStG zu entscheiden, wie eine sachgerechte Besteuerung des persönlich haftenden Gesellschafters gewährleistet werden kann. § 8 Nr. 4 GewStG dient insoweit ausschließlich der sachgerechten GewSt-Belastung der Gesellschaft. Eine vermeintlich zu weitgehende Kürzung des Gewerbeertrags beim persönlich haftenden Gesellschafter führt nicht zu einer Minderung der Hinzurechnung bei der Gesellschaft.
6.2 Erlass von Zinsen aufgrund von Corona-Maßnahmen möglich?
FG Münster, Urteil v. 26.10.2022, 13 K 1920/21
Die Entscheidung ist in vollem Umfang zu begrüßen. Die Voraussetzungen für einen Erlass der festgesetzten Zinsen aus sachlichen Billigkeitserwägungen liegen offenbar vor.
Aus dem BMF-Schreiben vom 19.3.2020 geht eindeutig hervor, dass die Finanzverwaltung einen Anspruch auf eine zinsfreie Stundung gewährt, um die seinerzeit unabsehbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie abzumildern. Der Kläger hätte also unstreitig einen Anspruch auf eine zinsfreie Stundung der Körperschaftsteuer 2018 gehabt. In einer solchen Konstellation ist es nur folgerichtig, dass auch Zinsen, die festgesetzt wurden, zu erlassen sind.
Die Einwendungen, die das Finanzamt hiergegen vorgebracht hat, überzeugen nicht. Insbesondere kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er nicht freiwillig eine Vorauszahlung geleistet hat. Schließlich war aufgrund des Schreibens vom 19.3.2020 auch die Nachzahlung zur Körperschaftsteuer 2018 (zinslos) zu stunden. Bleibt zu hoffen, dass der BFH das Urteil bestätigt. Die Revision zum BFH wurde nämlich wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Revision ist beim BFH unter dem Aktenzeichen XI R 28/22 anhängig.
6.3 Gelangensbestätigung: Voraussetzungen für Steuerfreiheit
Hessisches FG, Urteil v. 12.4.2022, 6 K 805/21
Für das FG lagen für die Zulassung der Revision keine Gründe vor. Der Urteilsfall zeigt wieder einmal auf, dass ohne penible Einhaltung der Belegvorschriften der §§ 17a-17c UStDV in der Praxis die Steuerfreiheit des § 6a UStG nicht zu erreichen ist.
6.4 Umsatzsteuer bei Apotheken: Was passiert bei Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters?
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.3.2022, 1 K 2073/21
Dem Vernehmen nach brachte die Pleite des privaten Rechenzentrums im Jahr 2020 fast 3.000 Apotheken in finanzielle Bedrängnis. Verschärfend wirkte in dieser Situation, dass die Finanzämter Umsatzsteuerberichtigungen gem. § 17 UStG – soweit ersichtlich – nahezu durchgehend ablehnten. Manche stundeten zwar die Steuerzahlungen, die Eingaben der steuerlichen Berater blieben aber im Wesentlichen ohne Erfolg.
Es dürften derzeit unzählige Finanzämter mit entsprechenden Einspruchsverfahren zu tun haben. Die zugelassene Revision wurde zwischenzeitlich auch eingelegt, Az beim BFH XI R 15/22, sodass der BFH nun konkret über folgende Rechtsfrage zu entscheiden hat:
Natürlich sollten Steuerfestsetzungen in vergleichbaren Fällen weiter offengehalten werden. Da die Leistungsbeziehungen allerdings offenbar nicht streitig sind und die Krankenkassen insoweit tatsächlich gezahlt haben, ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der BFH in der Sache zugunsten der Apotheker entscheidet.
Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass das FG ausdrücklich nicht über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO bzw. § 227 AO zu entscheiden hatte. Womöglich stehen die Chancen in einem Billigkeitsverfahren besser, da das von der Finanzverwaltung gefundene Ergebnis zumindest bei rein wirtschaftlicher Betrachtung nicht sachgerecht erscheint.
6.5 Vom Leasingnehmer übernommene Wartungskosten sind gewerbesteuerlich hinzuzurechnen
BFH, Urteil v. 20.10.2022, III R 33/21
Letztlich führt das wirtschaftliche Verständnis des Begriffs der Leasingraten zu der gesetzlich angelegten Gleichbehandlung. Die im Gesetz ausdrücklich bezeichnete Gleichstellung der Leasingraten mit den Miet- und Pachtzinsen (§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG) ergibt, dass eine Beschränkung der Hinzurechnung auf die Leasingrate im engeren Sinn (die an den Leasinggeber zu zahlende Annuität für die finanzierende Bank sowie die Verwaltungskosten) nicht beabsichtigt ist. Die Entscheidung entspricht den Ländererlassen v. 2.7.2012 (BStBl 20212 I S. 654, Rz. 29) bzw. H 2.1 (4) GewStH "Miet- und Pachtzinsen".
6.6 Vorweggenommene Betriebsausgaben: Keine Berücksichtigung bei der Gewerbesteuer
BFH, Urteil v. 30.8.2022, X R 17/21
Die Auffassung des BFH ist überzeugend. Dass vorab entstandene Betriebsausgaben (Vorbereitungshandlungen) bei der GewSt – anders als bei der ESt – nicht berücksichtigt werden, beruht darauf, dass der GewSt nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern das Äquivalenzprinzip zugrunde liegt. Danach wird gewerbesteuerrechtlich nur das Ergebnis eines aktiven (lebenden) Betriebs erfasst.
A hatte die Revision ergänzend auf die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit nach Art. 14, 15 der Europäischen Grundrechtscharta gestützt. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz...