7.1 Darf eine Buchhaltungsgesellschaft Hilfe in Steuersachen leisten?
Thüringer FG, Urteil v. 20.5.2021, 3 K 266/20
Das FG hat die Revision zugelassen, um die in der Praxis immer wieder auftauchende Frage nach dem Umfang der Befugnisse eines Buchführungsbüros klären zu können. Die Klägerin hat zwischenzeitlich Revision eingelegt, Az beim BFH VII R 22/21.
7.2 Messekosten: Wann erfolgt eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung?
FG Münster, Urteil v. 3.11.2021, 13 K 1122/19 G
Das FG hat die Revision zugelassen. Damit hat der BFH zu dieser für die Praxis relevanten Rechtsfrage einen weiteren Fall vorliegen, nachdem bereits in einem anderen anhängigen Revisionsverfahren, Az beim BFH III R 14/21, über die Hinzurechnung von Messeaufwendungen zu entscheiden sein wird.
7.3 Schadensersatzklagen nach der Datenschutzgrundverordnung: Welches Gericht ist zuständig?
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.10.2021, 16 K 16155/21
Die Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG wurde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Ob sie erhoben wurde, ist nicht bekannt.
Die Regelungen der DSGVO und der AO, die für die Datenverarbeitung durch die Finanzverwaltung gelten, sind noch relativ neu. Insofern ist es nachvollziehbar, dass viele Fragen bislang als ungeklärt anzusehen sind. Jede Entscheidung von Gerichten trägt dabei ein wenig zur Rechtssicherheit bei. Hier hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg dabei zutreffend entschieden, dass für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO die Zivilgerichte anzurufen sind. Zwar bestimmt § 32i AO für den gerichtlichen Rechtsschutz eine Zuständigkeit der Finanzgerichte, doch gilt dies eben nur für Fragen, die die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch die Finanzbehörden betreffen. Der Wortlaut der Regelung erscheint insofern eindeutig. Schadensersatz ist nach allgemeinen Bestimmungen vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Dies gilt es zu beachten.
7.4 Umsatzsteuer bei Verkauf von Backwaren zum Vor-Ort-Verzehr
BFH, Beschluss v. 15.9.2021, XI R 12/21
Der BFH verdeutlicht, dass in diesen Fällen die Entscheidung von der Tatsachenwürdigung des FG aufgrund der Gesamtbetrachtung der Umstände aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers abhängt. Ist die Würdigung des FG nachvollziehbar und folgerichtig, ist der BFH an diese Tatsachenfeststellung gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Dass eine andere Würdigung ebenso möglich gewesen wäre, ist in der Revision unbeachtlich. Der Schwerpunkt des Verfahrens liegt in derartigen Fällen daher in der Tatsacheninstanz, d. h. im Verfahren vor dem FG. Dort sind die für die Qualifizierung entscheidenden Momente darzulegen.
Im Streit war der USt-Bescheid 2006. Obwohl die MwSt-DVO erst ab dem 1.7.2011 galt (Art. 65 MwSt-DVO), konnte Art. 6 Abs. 1 Sätze 1 und 3 MwSt-DVO gleichwohl rückwirkend zur Auslegung für das Streitjahr herangezogen werden, da die Regelung lediglich rückwirkend Begriffe klären, die sich bereits zuvor in der Richtlinie 77/388/EWG bzw. der Richtlinie 2006/112/EG befunden haben.
7.5 Verluste aus gewerblicher Tätigkeit durch Verwertung von Markenrechten und Internetdomains
FG Münster, Urteil v. 15.9.2021, 13 K 3818/18 E
Das FG macht in seinem Urteil umfangreiche Ausführungen zur Gewinnerzielungsabsicht und Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung und Lebensführung zum Gewerbetrieb, die als Grundlage in ähnlich gelagerten Fällen dienen können.
Da der BFH zur Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit von der bloßen Vermögensverwaltung bei einer Verwertung von Rechten und sonstigen immateriellen Wirtschaftsgütern noch nicht zu entscheiden hatte, wurde die Revision zugelassen.
7.6 Vorsteuerabzug: Voraussetzung ist eine ordnungsgemäße Rechnung
FG München, Urteil v. 1.9.2021, 3 K 1850/19
Die grundsätzliche Möglichkeit, Rechnungen mit Rückwirkung zu berichtigen (BMF, Schreiben v. 18.9.2020, III C 2 – S 7286-a/ 19/10001, BStBl 2020 I S. 976), darf auch weiterhin nicht darüber hinwegtäuschen, dass es natürlich (gravierende) Rechnungsmängel gibt, die den Vorsteuerabzug im Jahr des Erhalts der ursprünglichen Rechnung unmöglich machen.
Der BFH hat zwar entschieden, dass eine berichtigungsfähige Rechnung jedenfalls dann vorliegt, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesen Umsatzsteuer enthält. Diese Angaben dürfen jedoch nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sein, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (vgl. auch Abschn. 15.2a Abs. 7 Satz 7 UStAE). Deshalb ist in der Praxis nach wie vor erhöhte Wachsamkeit bei der Rechnungsprüfung geboten, insbesondere in solchen Fällen, in denen unter einer Adresse verschiedene "Konzern-Gesellschaften" ansässig sind.
Da die Abgrenzung zwischen leichten Fehlern und schweren Fehlern im Massengeschäft nicht einfach zu treffen ist, sollten für die Rechnungseingangsprüfung generelle Anweisungen dahingehend bestehen, dass offenkundige Fehler "immer" unverzüglich beanstandet werden. Einer sorgfältigen Rechnungseingangsprüfung ist daher im Rahmen der Tax-Compliance bzw. der internen Kontrolle weiterhin oberste Priorität einzuräumen.
7.7 Wenn ein Istversteuerer Leistungen an einen anderen Istversteuerer erbringt
EuGH, Urteil v. 10.2.2022, C-9/20 (Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136)
Der EuGH hat mit seiner Entscheidung die jahrelange deutsche Praxis verworfen, dass der Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Leistung möglich ist, auch wenn der Leistende als Istverst...