1 Arbeitsrecht
1.1 Urlaubsabgeltung unterliegt der tariflichen Ausschlussfrist
BAG, Urteil v. 31.1.2023, 9 AZR 244/20
Die EuGH-Rechtsprechung hat die deutsche Rechtsprechung zum Urlaubsrecht verändert. Die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht zu den Hinweispflichten des Arbeitgebers im Rahmen der Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis aufgestellt hat, lassen sich wegen der unterschiedlichen Interessenlage auf die Behandlung von Urlaubsabgeltungsansprüche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht übertragen.
Das hat das BAG kürzlich in einer Entscheidung hinsichtlich der Verjährung deutlich gemacht. In einem weiteren Verfahren stellt es folgerichtig klar: die Urlaubsabgeltung kann weiter einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen. Auch hier beginne die Frist für frühere Fälle jedoch erst 2018.
1.2 Urlaubsabgeltungsanspruch kann verjähren
Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 31.1.2023, 9 AZR 456/20; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil v. 20.8.2020, 5 Sa 614/20
Urlaub verfällt seit der EuGH-Gerichtsentscheidung von 2018 nur, wenn der Arbeitgeber Beschäftigte zuvor darauf hingewiesen und in die Lage versetzt hat, den Urlaub auch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hat auch das BAG seine Urlaubsrechtsprechung angepasst. In mehreren Entscheidungen stellte es klar: Gesetzlicher Urlaub, der im laufenden Arbeitsverhältnis - auch über mehrere Jahre hinweg - nicht genommen wurde, darf ohne vorherigen Hinweis des Arbeitgebers nicht verfallen und kann auch nicht einfach verjähren.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Allgemeiner Zweckbetrieb einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft
BFH, Urteil v. 18.8.2022, V R 49/19
Mit der negativen (defensiven) Konkurrentenklage macht der Steuerpflichtige geltend, sein Wettbewerber werde zu niedrig besteuert. Zur Vorbereitung der Klage steht ihm ein Auskunftsanspruch gegen das Finanzamt hinsichtlich der Besteuerung des Konkurrenten zu. Für die Zulässigkeit der Konkurrentenklage (Klagebefugnis) hat der Kläger nicht nur das Konkurrenzverhältnis schlüssig darzulegen, sondern auch die Wettbewerbsrelevanz der Nichtbesteuerung. Dazu sind detaillierte Angaben zum Wettbewerbsverhältnis (gleicher Kundenkreis, gleichartiges Güterangebot) und zu den Auswirkungen der Nichtbesteuerung auf das Wettbewerbsverhältnis (z.B. Verdrängungseffekte durch günstigere Preise) erforderlich. Die X-GmbH hat dazu vorgetragen, sie und die Y-GmbH erbrächten die gleichen Leistungen und die Y-GmbH habe ihr, der X-GmbH, Kunden abwerben können, da sie wegen der steuerlichen Begünstigung niedrigere Preise anbieten könne.
2.2 Organkreis bei Weitervermietungsmodell: Kürzung Gewerbeertrag
FG Düsseldorf, Urteil v. 22.9.2022, 9 K 2833/21 G
Das FG hat gegen seine Entscheidung die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Offenbar ist das Urteil jedoch rechtskräftig geworden.
2.3 Vertrag zur Gewinnabführung: Tatsächlich Durchführung ist entscheidend
FG Köln, Urteil v. 21.6.2022, 10 K 1406/18
Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Diese wurde von der A-GmbH zwischenzeitlich auch erhoben. Die Entscheidung, Az beim BFH I R 37/22, bleibt abzuwarten.
2.4 Wechselseitige Veräußerung von GmbH-Anteilen unter Wert stellt Gestaltungsmissbrauch dar
BFH, Urteil v. 20.9.2022, IX R 18/21
Die Entscheidung grenzt sich von dem Urteil v. 7.12.2020, IX R 40/09 (BStBl 2011 II S. 427) ab. Danach ist die verlustbringende (ringweise) Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG an einen Mitgesellschafter nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Veräußerer von einem anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhe bestehenden Gesellschaftsanteil erwirbt. Dieser Entscheidung lagen – im Unterschied zum Streitfall – Veräußerungen zugrunde, bei denen sich der Verkaufspreis am realen Wert der Geschäftsanteile orientierte.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Berufsunfähigkeitsversicherung: Verletzung der Anzeigepflicht führt nicht immer zum Leistungsausschluss
OLG Dresden, Urteil v. 6.12.2022, 4 U 1215/22
3.2 Variable Zinsen müssen für den Sparer kalkulierbar sein
BGH, Urteil v. 24.1.2023, XI ZR 257/21
Im Ergebnis hat der BGH das Musterfeststellungsverfahren zur weiteren Entscheidung über den Referenzzinssatz an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Vorinstanz habe nun die Aufgabe, mit sachverständiger Hilfe einen Referenzzinssatz zu bestimmen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt.
Mit seinem aktuellen Urteil hat der BGH die Rechte von Prämiensparen erneut gestärkt. Verbraucherschützer bewerten das Urteil als weiteren Etappensieg auf dem Weg zu transparenteren Zinsen.
Bereits im Oktober 2021 hatte der BGH in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Banken und Sparkassen bei der Festsetzung variabler Zinsen nicht frei sind, sondern sich an der Höhe eines für Sparer transparenten Leitzinses wie dem der Bundesbank orientieren müssen. Für die Sparer besonders wichtig, urteilte der BGH ergänzend, dass die Verjährung für die Rückforderung zu Unrecht erhobener Zinsbeträge erst mit dem Ende des jeweiligen Sparvertrags beginnt (BGH, Urteil v. 6.10.2021, XI ZR 234/20). Das damalige Urteil entfaltete unmittelbare Rechtswirkungen allerdings nur gegen die Sparkasse Leipzig.
4 Sonstige Steuern
4.1 Ein Ökokonto und die Grunderwerbsteuer
FG Münster, Urteil v. 20.10.2022, 8 K 174/21 GrE
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen.
4.2 Flurbereinigung: Zu welchem Zeitpunkt wird Grunderwerbsteuer fällig
BFH, Urteil v. 12.10.2012, II R 7/20
Der BFH weist zutreffend darauf hin, dass sich Flurbereinigungsverfahren jahrelang hinziehen können und die Beteiligten daher mit Steuererhöhungen rechnen müssen. Die Frage ist allerdings, wann insoweit eine Grenze überschritten ist. Mittlerw...