8.1 Bei geänderter Überleitungsrechnung kann unzulässige Bilanzänderung vorliegen
BFH, Urteil v. 27.5.2020, XI R 12/18
Das Urteil betrifft die Rechtslage bis 2015. Durch das StÄndG 2015 wurde § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG dahin geändert, dass die früher zwingend außerbilanzielle Hinzurechnung durch das entsprechende Wahlrecht ersetzt wurde. Die im Streitfall entscheidende Regelung in Abs. 2 Satz 2 blieb dagegen unverändert. Die Entscheidung ist daher auch für die aktuelle Rechtslage von Bedeutung.
Der BFH führt ergänzend aus, dass keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des Bilanzierenden gegenüber dem Überschussrechner vorliegt. Da die Regelungen über die Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 EStG) bei der Einnahmenüberschussrechnung nicht anwendbar sind, ist die Änderung des Wahlrechts nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG auch nach Einreichung des Anlagenverzeichnisses noch möglich, solange die Veranlagung noch geändert werden kann. Diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich aus den unterschiedlichen Gewinnermittlungsarten.
8.2 Bilanzänderung: Bundesfinanzhof urteilt zu Zulässigkeit und Umfang
BFH, Urteil v. 27.5.2020, XI R 8/18
Wenn eine isolierte außerbilanzielle Gewinnerhöhung nicht zu einer Bilanzänderung berechtigt, kann auch eine außerbilanzielle Hinzurechnung, die durch eine Bilanzberichtigung ausgelöst wird, den Bilanzänderungsrahmen nicht erweitern. Es gibt jedenfalls keine Begründung dafür, bei der Ermittlung des Bilanzänderungsrahmens i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG danach zu differenzieren, ob eine isolierte außerbilanzielle Gewinnerhöhung oder eine außerbilanzielle Hinzurechnung vorliegt.
8.3 Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß: Privatnutzung wird nach 1 %-Regelung besteuert
FG Münster, Urteil v. 18.2.2020, 6 K 46/17 E, G
Die Revision wurde nicht zugelassen.
8.4 Mangelhafte Buchführung kann zu Hinzuschätzungen führen
FG Münster, Urteil v. 25.2.2020, 5 K 2066/18 U
Das Finanzgericht verwies u. a. auf das Urteil des EuGH, Urteil v. 21.11.2018, C-664/16, wonach die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde.
Gleichwohl muss aber ein Unternehmer, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Er muss also durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Mehrwertsteuer tatsächlich entrichtet hat.
Auch in seiner jüngsten Rechtsprechung hat der BFH allerdings die besondere Bedeutung einer Rechnung für den Vorsteuerabzug nochmals ausdrücklich betont (BFH, Urteil v. 12.3.2020, V R 48/17). Die Rechtsprechung des EuGH sollte deshalb nicht dazu verleiten, die formellen Pflichten auf die leichte Schulter zu nehmen.
8.5 Rückwirkende Rechnungsberichtigung: BMF klärt Zweifelsfragen
BMF, Schreiben v. 18.9.2020, III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001
Nach nunmehr 4 Jahren hat es die Finanzverwaltung geschafft, zu der Rechtsprechung von EuGH und BFH zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung Stellung zu nehmen und den UStAE entsprechend anzupassen.
Im Wesentlichen nimmt sie die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Punkte in die Verwaltungsanweisungen auf, sodass keine Überraschungen mit dem Schreiben verbunden sind. Zu beachten ist, dass die Finanzverwaltung die erst jüngst vom BFH eröffnete Möglichkeit, auch durch ein Rechnungsstorno und eine Neuausstellung einer Rechnung zu einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung zu kommen, von der Finanzverwaltung mit aufgenommen worden ist.
8.6 Warum im Ausland ansässige Unternehmer sich nicht auf die Kleinunternehmerregelung berufen können
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 4.6.2018, 2 K 2232/17; BFH, Urteil v. 12.12.2019, V R 3/19
Zu beachten ist allerdings, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung zu § 13b Abs. 7 UStG Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln sind. Danach haben sie diese Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären, der Leistungsempfänger schuldet nicht die Steuer für diese Umsätze (Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2-4 UStAE). Diese Aussagen lassen sich zumindest auf den ersten Blick mit der aktuellen BFH-Rechtsprechung nicht ohne Weiteres unter einen Hut bringen, wenngleich der BFH in seiner Urteilsbegründung auch betont, dass es für die Beurteilung der hier streitbefangenen "Kleinunternehmerproblematik" auf die Definitionen in § 13b Abs. 7 UStG nicht ankäme.