9.1 Abrechnungsbescheide in sog. Bauträgerfällen
BFH, Beschluss v. 26.9.2023, V B 23/22 (AdV)
Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.
9.2 Aufwendungen für ein Gästehaus am Ort eines Betriebs
BFH, Urteil v. 24.5.2023, XI R 37/20
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG dürfen Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden, den Gewinn nicht mindern.
9.3 Betreuungs- und Pflegeleistungen: Steuerfrei oder steuerpflichtig?
FG Düsseldorf, Urteil v. 14.12.2022, 5 K 2911/18 U
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 wurde § 4 Nr. 16 UStG zum 1.1.2021 u. a. dergestalt geändert, dass ein neuer Buchstabe l aufgenommen wurde. Danach werden nunmehr ausdrücklich solche Einrichtungen als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a SGB XI besteht. Der bisherige Buchstabe l wurde zu Buchstabe m und hinsichtlich der Berücksichtigung der Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahres bei der Berechnung der sog. Sozialgrenze geändert. Die zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen des Umsatzsteueranwendungserlasses dürften auf die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage keinen Einfluss haben.
Das FG hat die Revision allerdings im Hinblick auf das beim V. Senat des BFH anhängige Verfahren, Az beim BFH V R 1/22 (vorgehend: Hessisches FG, Urteil v. 20.10.2021, 1 K 736/19), zugelassen. Diese wurde zwischenzeitlich durch den Steuerpflichtigen auch eingelegt (Az beim BFH XI R 1/23).
Das Hessische FG hat in seinem o. g. Urteil entschieden, dass die Abhängigmachung der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG, ob bei der betreffenden Einrichtung die Betreuungskosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind, dem Grunde nach verfassungs- und unionsrechtskonform ist. Danach sind Leistungen aus dem persönlichen Budget nach § 29 SGB IX nicht in die Ermittlung der Sozialgrenze (25 %) einzubeziehen.
9.4 Einfuhrumsatzsteuer bei Verzollungs- oder eine Beförderungsdienstleistung
BFH, Beschluss v. 20.7.2023, V R 13/21
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG kann der Unternehmer die entstandene EUSt für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für die Einfuhr von Gegenständen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 168 Buchst. e MwStSystRL. Danach besteht das Abzugsrecht des Steuerpflichtigen (Unternehmers) für "die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist", soweit "die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden".
Die Entscheidung ist nach § 126a FGO ergangen, weil der BFH einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat Zudem hat er Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts, die ein an den EuGH gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen erforderlich machen könnten, verneint.
9.5 Festsetzung von Verspätungszuschlägen: Zur Ermessensausübung des Finanzamts
FG Münster, Urteil v. 23.5.2023, 5 K 3592/19
Nach der Neufassung des § 152 AO durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens erfolgt die Festsetzung eines Verspätungszuschlags grundsätzlich automatisiert ohne eine Ermessensentscheidung. Spätere Korrekturen der Steuerfestsetzung wirken sich regelmäßig auch auf die Bemessung des Verspätungszuschlags aus. Mit § 152 Abs. 12 AO hat der Gesetzgeber nun zu diesem Zweck eine eigenständige Korrekturvorschrift eingeführt, aufgrund derer eine automatische Anpassung des Verspätungszuschlags erfolgt.
9.6 Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen im Rahmen einer Organschaft
BFH, Urteil v. 6.7.2023, V R 5/21
Nach § 176 Abs. 2 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist.
Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.2.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 AO steht einer derartigen Änderung nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 1 und 2 UStG). § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG enthält eine Abtretungsregelung, wobei § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG die Erfüllungswirkung dieser Abtretu...