10.1 3-Tages-Bekanntgabefiktion und Dokumentation bei Übergabe an einen Postdienstleister
FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid v. 19.4.2023, 16 K 16130/22
Das FG hat Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage, wie die Aufgabe zur Post dokumentiert werden kann, wenn die Übergabe an einen Postdienstleister nicht durch das Finanzamt selbst erfolgt, sondern in dessen Auftrag durch eine andere Behörde, in deren Arbeitsabläufe das Finanzamt keinen Einblick hat, hat Bedeutung auf die Anwendbarkeit des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auf nahezu alle Postsendungen im Bereich der Berliner Finanzverwaltung und damit erhebliche Auswirkungen auf den Eintritt der Bestandskraft von Verwaltungsakten in deren Bereich.
10.2 Erweiterte Kürzung: Abgrenzung von Betriebsvorrichtungen zu Gebäudebestandteilen
FG Düsseldorf, Urteil v. 26.6.2023, 10 K 2800/20 G
Ergänzend kam das FG zu dem Ergebnis, dass eine Mitvermietung dieser – in rechtlich und wirtschaftlich engem Zusammenhang mit dem Grundbesitz stehenden – Vorrichtungen als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Nutzung des vermieteten Grundstückteils anzusehen sei. Diese Baumaßnahmen stellen eine unternehmerisch zweckdienliche Entscheidung dar und sind der Verwaltung des eigenen Grundbesitzes zuzurechnen. Dies steht dem restriktiven Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht entgegen.
10.3 Ist die Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst umsatzsteuerbefreit?
FG Münster, Urteil v. 9.5.2023, 15 K 1953/20 U
Obwohl das FG die Vertretung für die Erbringung der folgenden Heilbehandlung als unerlässlich und damit mit ihr eng verbunden beurteilt, hat es auf Steuerpflicht entschieden. Da der vertretene Notarzt aus der steuerpflichtigen Leistung des Vertreters keinen Vorsteuerabzug hat, wird der an sich steuerfreie Notfalldienst letztlich mit zusätzlichen Kosten belastet. Dies erscheint praxisfremd. Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
10.4 Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung von Gebäuden
BFH, Urteil v. 17.8.2023, V R 7/23 (V R 22/20)
An der bisherigen Annahme, wonach die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen nicht umsatzsteuerbefreit ist, selbst wenn diese wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind (so auch UStAE Abschn. 4.12.10 Satz 1), hält der BFH nicht mehr fest, da § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG entsprechend Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen ist (Änderung der Rechtsprechung).
10.5 Schadensersatz nach DSGVO: Konkreter Schaden muss nachgewiesen werden
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.3.2023, 16 K 16155/21
Zentral ist die Frage, ob bei einem Verstoß gegen Bestimmungen des Datenschutzes ein konkreter Schaden desjenigen, der den Anspruch geltend macht, nachzuweisen ist oder ob es eines solchen Nachweises nicht erfolgt. Hierbei erscheint die Ansicht des FG Berlin-Brandenburg zutreffend, dass ein konkreter Schaden nachgewiesen werden muss.
Einige andere Gerichte, die das FG Berlin-Brandenburg auch anführt, sehen dies indes anders. Insofern ist es sinnvoll, eine Entscheidung des BFH zu dieser Frage einzuholen.
Die Revision zum BFH wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, wann ein Schadensersatzanspruch bestehe und zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung zugelassen.
10.6 Sparmenüs "zum Mitnehmen": Unterschiedliche Umsatzsteuersätze führen zu Preisaufteilung
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.11.2022, 12 K 3098/19
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Ob der Kläger die "einfachstmögliche" Kaufpreisaufteilung verwendet hat, sei schließlich eine Frage der tatsächlichen Würdigung und keine Rechtsfrage.
10.7 Wann liegt eine Betriebsstätte bzw. feste Einrichtung im Zusammenhang mit dem DBA-Großbritannien vor?
BFH, Urteil v. 7.6.2023, I R 47/20
Entgegen der Ansicht des Klägers stehen diesem Ergebnis auch nicht die Anforderungen des DBA-Begriffs der Betriebsstätte entgegen. Denn es liegen keine als Rückausnahme anzusehenden Funktionen untergeordneter Art vor; insoweit blieb der klägerische Hinweis auf "eine Nutzung ausschließlich zur Lagerung … von Gütern" i. S. d. DBA-Großbritannien durch das Vorhandensein eines "Warenlagers" bei der Aufbewahrung von Gegenständen, die zur Leistungserbringung verwendet werden, und auf eine "ausschließliche Unterhaltung für andere Tätigkeiten, die vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen" i. S. d. DBA-Großbritannien ohne Erfolg. Denn die Gesamtsituation der (Mit-)Verfügungsmacht und der "Verwurzelung" an diesem Ort der Leistungserbringung entspricht der unmittelbaren unternehmerischen Tätigkeitsausübung des Klägers ("Haupttätigkeit").