8.1 Ausländische Bauleistungen: Wann kommt ein Wechsel der Steuerschuldnerschaft in Betracht?
FG München, Urteil v. 29.1.2020, 3 K 1818/18
Dem Kläger wurde zunächst zum Verhängnis, dass er sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht für das Jahr 2012 als Unternehmer eingestuft wurde. Zum einen, weil er bereits Vorbereitungshandlungen für die Ausübung einer neuen unternehmerischen Tätigkeit unternommen hatte (Weinhandel ab dem Jahr 2013) und zum anderen, weil er offenbar noch mit der Abwicklung der Rechtsbeziehungen aus seiner im Jahr 2009 bereits aufgegeben Einzelfirma beschäftigt war. Wegen der bestehenden Unternehmereigenschaft konnte er somit auch zum Steuerschuldner der Werklieferung eines ausländischen Unternehmers werden. Auch wenn die Auftragserteilung offenbar unstreitig zusammen mit seiner Ehefrau bzw. in deren Namen erfolgt ist, hält es das Gericht für zulässig, allein den unternehmerisch tätigen Ehepartner nach § 13b UStG "in Anspruch zu nehmen".
Ob diese Sichtweise vor dem BFH Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Für die Praxis ist unbedingt zu beachten, dass die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG selbst dann in Betracht kommt, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Leistung für den nicht-unternehmerischen Bereich bezogen wurde (§ 13b Abs. 5 Satz 6 UStG). Außerdem gilt die Steuerschuldnerschaft selbst dann, wenn der Auftraggeber ein Kleinunternehmer ist (Abschn. 13b.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Das Revisionsverfahren ist anhängig, Az. beim BFH V R 7/20.
8.2 Leistungen des Jugendfreiwilligendienstes können umsatzsteuerfrei sein
BFH, Urteil v. 24.6.2020, V R 21/19
Die Entscheidung betrifft das zum 1.6.2008 in Kraft getretene Jugendfreiwilligendienstgesetz (JFDG). Danach schließt der Träger (zugelassene Einrichtung) mit der Einsatzstelle (z. B. soziale Einrichtung) eine Vereinbarung über die Durchführung des Dienstes (§ 5 Abs. 4 JFDG). Daneben schließt der Freiwillige mit dem Träger eine zweiseitige Vereinbarung über Taschengeld, Unterkunft usw. (§ 11 Abs. 1 JFDG). Diese Vereinbarung kann auch als dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Träger, der Einsatzstelle und dem Freiwilligen geschlossen werden (§ 11 Abs. 2 JFDG, sog. gemeinsame Vereinbarung). Der BFH sieht diese Vertragsgestaltungen als gleichrangig an, sodass in beiden Fallgestaltungen die unionsrechtliche Steuerbefreiung greift.
Der BFH bemerkt, dass die Entscheidung nur Tätigkeiten innerhalb des im Streitfall betroffenen Freiwilligen Sozialen Jahrs betrifft. Diese Tätigkeiten fallen unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Die Tätigkeiten außerhalb des FSJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr, kombinierter Freiwilligendienst, Auslandsdienst) sind eigenständig zu werten.
8.3 Rechnungsabgrenzungsposten und Fälle von geringer Bedeutung
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 8.11.2019, 5 K 1626/19
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, Az. beim BFH X R 34/19.
8.4 Reinvestitionszulage und Veräußerung: Wer ist klagebefugt?
FG München, Urteil v. 25.7.2017, 5 K 3197/13
Nach genauer Prüfung der Rechtsprechung des BFH hätte man erkennen können, dass die Klage über die Rechtmäßigkeit der Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG, die hier strittig war, im Rahmen der Gewinnermittlung des veräußernden Unternehmens zu überprüfen ist. Die entsprechenden Entscheidungen des BFH werden vom FG München zitiert.
Ob die Rechtsprechung des BFH allerdings zwingend ist, erscheint zumindest fraglich. Das Argument der größeren Sachnähe des Finanzamts des veräußernden Unternehmens muss nicht stets gelten. Vielleicht wäre es sinnvoller, eine Überprüfungsmöglichkeit sowohl bei dem veräußernden als auch der reinvestierenden Gesellschaft zu ermöglichen. Auswirkungen aus der Bildung und Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG gibt es schließlich bei beiden Unternehmen. Im Entscheidungsfall wurde die Revision zum BFH nicht zugelassen.
8.5 Unter welchen Voraussetzungen ein Bescheid nachträglich geändert werden kann
FG Hamburg, Urteil v. 15.6.2020, 2 K 6/17
Bezüglich der Privatanteile für die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb hätte das Finanzamt bereits bei der Nacherklärung der Nutzungsanteile aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht weitere Feststellungen zum privaten Nutzungsanteil treffen müssen. Dieser Sachverhalt war mithin im Zeitpunkt der Änderungsbescheide nach Außenprüfung bereits verbraucht. Dies hat auch das Finanzamt so gesehen und keine Änderung der GewSt-Messbescheide in diesem Punkt vorgenommen.
8.6 Verpachtung eines Schwimmbads: Vorsteuerabzug nur unter bestimmten Voraussetzungen
Niedersächsisches FG, Urteil v. 16.10.2019, 5 K 286/18
Da das nun anhängige Revisionsverfahren vor dem XI. Senat des BFH anhängig ist, Az. beim BFH XI R 35/19, ist es durchaus denkbar, dass dieser eine andere Auffassung als das Finanzgericht vertritt. Vergleichbare Fälle sollten daher bis auf Weiteres offengehalten werden.
Es gibt mittlerweile eine umfangreiche Rechtsprechung zu dem Problemkreis "symbolisches Entgelt". Oftmals geht es darum, durch eine geringe Entgeltzahlung unentgeltliche Wertabgaben zu vermeiden. Der EuGH hat entschieden (EuGH, Urteil v. 12.5.2016, C-520/14), dass eine Gemeinde dann keine (Beförderungs-)Leistungen an ihre Bürger entgeltlich erbringt, wenn die Zahlungen lediglich 3 %der Kosten decken (Asymmetrie zwischen Leistung und Gegenleistung). In diesem Fall sei eher von einer Gebühr auszugehen. Entsprechendes hat der V. Senat des BFH angedeutet (BFH, Urteil v. 15.12.2016, V R 44/15). Hingegen hatte der XI. Senat des BFH bereits en...