6.1 Betriebs-Pkw: Private Nutzung darf nicht einfach unterstellt werden
Niedersächsisches FG, Urteil v. 19.2.2020, 9 K 104/19
Bei betrieblichen Pkw, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, geht man nach allgemeiner Lebenserfahrung davon aus, dass sie auch tatsächlich privat genutzt werden. Diesen sog. Anscheinsbeweis kann man erschüttern, wenn für Privatfahrten ein weiteres Fahrzeug zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung steht, dass in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist.
6.2 Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer: Zeitpunkt der Lieferung
BMF, Schreiben v. 16.7.2020, III C 2 - S 7300-a/19/10001 :004
Die Finanzverwaltung hatte schon im Zusammenhang mit den Regelungen zum Ort einer Lieferung festgestellt, dass § 3 Abs. 6 ff. UStG nicht nur den Lieferort, sondern gleichzeitig auch den Zeitpunkt der Lieferung festlegen (Abschn. 3.12 Abs. 7 UStAE). Dies wird jetzt ausdrücklich auch für die Vorsteuerabzugsberechtigung bei der Einfuhr von Gegenständen von der Finanzverwaltung so umgesetzt.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
6.3 Erhaltungsaufwand versus AfA: Entweder oder
BFH, Urteil v. 28.4.2020, IX R 14/19
Die Berücksichtigung von Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung nach § 9 EStG ist Ausdruck des objektiven Nettoprinzips. Darauf aufbauend bezweckt die AfA von den Anschaffungskosten/Herstellungskosten – in Abweichung vom Abflussprinzip (11 Abs. 2 EStG) – den Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand typisierend periodengerecht zu verteilen. Das bedeutet, dass nur der Aufwand verteilt werden kann, der die individuelle Leistungsfähigkeit tatsächlich gemindert hat. Die AfA bewirkt lediglich eine Kostenverteilung des tatsächlichen Aufwands auf mehrere Jahre. Eine Erhöhung des Werbungskosten-Abzugs über den tatsächlich getragenen Aufwand hinaus würde dem auf dem Nettoprinzip beruhenden Zweck des Werbungskosten-Abzugs und der Aufwandsverteilung widersprechen.
In der Praxis dürfte nicht selten der Fall vorkommen, dass z. B. bei einem An-/Umbau vorschnell der Sofortabzug geltend gemacht wird und später aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr zur zutreffenden AfA übergegangen werden kann.
6.4 Gewerblicher Grundstückhandel: Welche steuerlichen Folgen haben Erweiterungen und wesentliche Verbesserungen?
BFH, Urteil v. 15.1.2020, X R 18, 19/18
Der BFH präzisiert die Anforderungen an die Einbeziehung eines langjährig im Rahmen privater Vermögensverwaltung genutzten Grundstücks in einen gewerblichen Grundstückshandel dahin, dass eine Erweiterung oder über den bisherigen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des bereits bestehenden WG Gebäude nicht ausreicht. Erforderlich sind vielmehr derart umfassende Baumaßnahmen, dass ein neues WG "Gebäude" hergestellt wird. Im Hinblick auf die in jedem Fall notwendige erforderliche umfassende Substanzvermehrung ist nicht erforderlich, dass dem Objekt eine andere Marktgängigkeit verliehen wird.
Ein neues WG Gebäude kommt in Betracht, wenn ein "Erweiterungsbau" als neues selbstständiges Gebäude mit eigener Standfestigkeit errichtet wird. Dann sind der Erweiterungsbau und der darauf entfallende Grundstücksanteil in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen. Wird durch den Erweiterungsbau kein neues selbstständiges Gebäude, sondern ein durch die Neubauteile geprägtes neues einheitliches Gesamtgebäude hergestellt, ist auch die Altbausubstanz mit dem darauf entfallenden Grundstücksanteil zu berücksichtigen. Kein neues WG und damit kein gewerblicher Grundstückshandel liegt dagegen vor, wenn der Erweiterungsbau mit der Altbausubstanz derart verschachtelt ist, dass er keine eigene Standfestigkeit besitzt und die Neubauteile dem Gesamtgebäude nicht das Gepräge geben (BFH, Urteil v. 25.1.2007, III R 49/06, BStBl 2007 II S. 586).
6.5 Investitionsabzugsbetrag: Warum das Fahrtenbuch auch hier ordnungsgemäß geführt werden muss
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.6.2018, 7 K 7287/16
Die Entscheidung macht deutlich, dass ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nicht nur im Rahmen der Bestimmung des Privatanteils (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG), sondern auch im Rahmen der Gewährung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG eine maßgebliche Rolle spielt. Sofern daher für einen betrieblich genutzten Pkw § 7g EStG in Anspruch genommen werden soll, sollte auf ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch, mit dem eine private Nutzung von höchstens 10 % nachgewiesen wird, Wert gelegt werden.
6.6 Recht auf Akteneinsicht beinhaltet keinen Anspruch auf Übersendung der Akten
FG Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.12.2019, 2 K 770/17
Die Entscheidung des Gerichts wirft ein Schlaglicht auf die Änderung der FGO, die nur wenig Aufsehen erregt hat. Nach § 78 Abs. 3 FGO ist nämlich seit 1.1.2018 normiert, dass die Einsicht in die in Papierform geführten Akten in den Diensträumen des Finanzgerichts oder einer Behörde zu erfolgen hat.
In der früheren Fassung bestand auch die Möglichkeit, die Akten dem Prozessbevollmächtigten im Einzelfall zu übersenden. Dies geht mit Papierakten so nicht mehr, sodass die Entscheidung nicht überrascht.
Auch ist es zutreffend, dass die Bestimmungen der DSGVO keine andere Entscheidung zulassen. Zu beachten ist allerdings, dass die Finanzgerichte ab 1.1.2026 verpflichtet sind, die Akten digital zu führen. Wenn dies umgesetzt worden ist, gilt nach § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO, dass die Akten zum Abruf bereit zu stellen sind. Insoweit dürften sich dann einige der jetzt bestehenden Fragen – insbesondere die des Orts der Aktene...