9.1 Doppelstöckige Personengesellschaft: So wird der gewerbesteuerliche Gewinn ermittelt
FG Bremen, Urteil v. 16.2.2023, 1 K 21/21 (5)
Die Klägerin hat mittlerweile Revision erhoben; das Verfahren ist anhängig, Az beim BFH IV R 9/23. Vergleichbare Fälle sollten deshalb mit ruhendem Einspruch offengehalten werden.
9.2 Folgen der Angabe der hebeberechtigten Gemeinde im Gewerbesteuermessbescheid
BFH, Urteil v. 11.5.2023, IV R 3/19
Die namentliche Bezeichnung einer hebeberechtigten Mitteilung dient letztlich nur dazu, den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, an wen die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO, die ebenfalls keinen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, erfolgt. Selbst wenn danach eine Gemeinde zunächst aufgrund einer Mitteilung der Finanzbehörde nach § 184 Abs. 3 AO einen Gewerbesteuerbescheid erlassen hat, wird ihre Steuerberechtigung nicht durch diese Mitteilung, sondern ggf. erst in einem auf Antrag eines Beteiligten einzuleitenden Zuteilungsverfahren geklärt. Der in diesem Verfahren ergangene Zuteilungsbescheid stellt insoweit hinsichtlich der Steuerberechtigung den Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid dar. Nur die Gemeinde, die im Zuteilungsbescheid als Steuerberechtigte bezeichnet wird, ist zum Erlass eines Gewerbesteuerbescheids berechtigt. Eine darin nicht als steuerberechtigt genannte Gemeinde muss daher einen bereits erlassenen Gewerbesteuerbescheid unabhängig davon aufheben, ob die Finanzbehörde ihr den Inhalt des Gewerbesteuermessbescheids zuvor nach § 184 Abs. 3 AO mitgeteilt hatte.
9.3 Klagefrist: Wann ein Steuerberater Zweifel am Klageeingang haben muss
FG Münster, Urteil v. 27.4.2023, 1 K 2091/22 AO
Die Revision beim BFH wurde nicht zugelassen.
Die Entscheidung ist gleich aus mehreren Gründen als ärgerlich zu bezeichnen. So erscheint die pauschale Aussage des Finanzgerichts, dass sich einem Rechtskundigen nach 2 Wochen aufdrängen muss, dass seine Klage möglicherweise nicht bei Gericht eingegangen ist, wenn er innerhalb dieser Frist kein Aktenzeichen erhalten hat, sehr fraglich.
Nach den Erfahrungen in der Praxis erfolgt zwar in den meisten Fällen ein Handeln des Gerichts innerhalb dieser Frist, aber durchaus nicht immer. Und was die Verpflichtung zur Sachstandsanfrage in den Fällen des Ausbleibens einer Reaktion betrifft, sei etwa darauf verwiesen, dass das Amtsgericht Hamburg jüngst in einem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Hamburg die Anwaltschaft ausdrücklich darum gebeten hat, von Sachstandsanfragen nach Möglichkeit abzusehen. Das ist die Realität zumindest in Teilbereichen der Justiz.
Die Frage des Zugangs hat sich insofern ab 2023 – der Sachverhalt spielte ja im Jahr 2022 – "entspannt", als dass seit 1.1.2023 die Verwendung des besonderen Steuerberaterpostfachs (beSt) verpflichtend und so der Zugang der Klage eindeutig nachvollziehbar ist.
Ein zweiter Aspekt der Entscheidung ist ebenso misslich. Sie führt wieder einmal vor Augen, wie gering die Aussichten sind, einen Betriebsprüfer aus Gründen der Befangenheit abzulehnen. Auf der einen Seite ist natürlich zu berücksichtigen, dass eine solche Ablehnung nicht aus fadenscheinigen Gründen heraus erfolgen darf; etwas mehr "Fingerspitzengefühl" bei der Auswahl des Betriebsprüfers wäre aber bei der Finanzverwaltung durchaus angezeigt. Wenn eine Vorprüfung in einem Steuerstrafverfahren geendet hat, ist das Klima regelmäßig vergiftet und ein neuer Prüfer dürfte regelmäßig für beide Seiten die bessere Alternative sein.
9.4 Liegt bei gezielter Herbeiführung von Veräußerungsverlusten ein Gestaltungsmissbrauch vor?
BFH, Urteil v. 3.5.2023, IX R 12/22
Bei Veräußerungen bis zum 31.7.2019 konnten Anschaffungskosten im Fall eines Aufgelds zivilrechtlich nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 15 Abs. 2 GmbHG einem bestimmten Gesellschaftsanteil zugeordnet werden. Die mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl 2019 I S. 2451) eingeführte Regelung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG sieht Folgendes vor: "Leistet der Steuerpflichtige über den Nennbetrag seiner Anteile hinaus Einzahlungen in das Kapital der Gesellschaft, sind die Einzahlungen bei der Ermittlung der Anschaffungskosten gleichmäßig auf seine gesamten Anteile einschließlich seiner im Rahmen von Kapitalerhöhungen erhaltenen neuen Anteile aufzuteilen." Aufgelder sind nach dieser Vorschrift im Fall einer Überpari-Emission gleichmäßig auf alle Anteile des Gesellschafters zu verteilen. § 17 Abs. 2a EStG ist erstmals für Veräußerungen i. S. v. § 17 Abs. 1, 4 oder 5 nach dem 31.7.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 auch für Veräußerungen i. S. v. § 17 Abs. 1, 4 oder 5 vor dem 31.7.2019 anzuwenden (§ 52 Abs. 25a EStG).
9.5 Vorsteuerabzug für eine betriebliche Weihnachtsfeier
BFH, Urteil v. 10.5.2023, V R 16/21
Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltungen) durch § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG ist bei der Einkommensteuer an die Stelle der Freigrenze von 100 EUR ein Freibetrag von 110 EUR getreten. Diese einkommensteuerrechtlichen Änderungen können – trotz einer vergleichbaren Interessenlage bei der Behandlung von Betriebsveranstaltungen – nach Auffas...