9.1 Durchsuchungsbeschluss zur Verjährungsunterbrechung: Welche Anforderungen müssen erfüllt sein?
BFH, Urteil v. 31.1.2024, X R 7/22
Da das FG ausdrücklich offengelassen hat, ob die Voraussetzungen für den Eintritt einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erfüllt sind, geht die Sache zur Nachholung der hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen an die Vorinstanz zurück. Sollte die Festsetzungsfrist unter diesem Gesichtspunkt gewahrt sein, wäre der Vorbehalt der Nachprüfung im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Änderungsbescheids noch nicht entfallen gewesen (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO), sodass auch eine Änderungsbefugnis bestünde. In § 164 Abs. 4 Satz 2 AO, dem zufolge bestimmte Verlängerungen der Festsetzungsfrist nicht die Fortdauer des Nachprüfungsvorbehalts zur Folge haben, ist § 171 Abs. 5 AO nicht genannt.
9.2 Häusliches Arbeitszimmer: Welche Aufzeichnungspflichten gelten?
Hessisches FG, Urteil v. 13.10.2022, 10 K 1672/19
Die Entscheidung des FG, gegen die der Steuerpflichtige Revision eingelegt hat, Az beim BFH VIII R 6/24, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Finanzverwaltung bei Prüfung der Abziehbarkeit von Arbeitszimmerkosten die Frage der ordnungsgemäßen Aufzeichnungen i. S. v. § 4 Abs. 7 EStG bislang äußerst selten prüft. So auch im vorliegenden Streitfall, in dem sich das Finanzamt nur mit der Höhe der abziehbaren Kosten auseinandergesetzt, § 4 Abs. 7 EStG jedoch außen vor gelassen hat. Man darf gespannt sein, wie der BFH entscheiden wird und ob sich dadurch ggf. die Prüfungspraxis der Finanzämter ändern wird.
9.3 Kaffeefahrten: Wie funktioniert die Umsatzbesteuerung?
Niedersächsisches FG, Urteil v. 12.5.2022, 5 K 307/14
Das Verfahren läuft nun bereits seit mehr als 20 Jahren und ein Ende ist noch immer nicht in Sicht. Auch gegen das zweitinstanzliche Urteil des Niedersächsischen FG wurde zwischenzeitlich Revision eingelegt (Az beim BFH V R 29/23). Konkret muss der BFH darin in erster Linie über folgende Rechtsfrage entscheiden:
- Führt die Durchführung einer Reiseleistung in Gestalt einer Busfahrt zu einer Verkaufsveranstaltung zum vollständigen Ausschluss des Abzugs der für die Reisevorleistungen aufgewendeten Beträge als Vorsteuern nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn sich nach § 25 Abs. 3 Satz 1 UStG eine negative Marge ergibt und entspricht dieser Ausschluss der Vorgabe der Art. 306 ff. MwStSystRL, obwohl diese Sonderregelungen nur für Reisebüros bzw. Reiseveranstalter gelten, deren Geschäftszweck in der Durchführung einer Reise besteht und nicht im Verkauf von Waren?
- Daneben ist dann auch nochmals darüber zu befinden, ob auf Q 10-Ampullen als Bestandteil sog. Kurpakete der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 33 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG anzuwenden ist.
Für den Praktiker dürfte nicht so recht verständlich sein, warum Vorsteuerbeträge aus den bezogenen Eingangsleistungen für die Busfahrten zumindest teilweise nicht abzugsfähig sind, obwohl sie mehr oder weniger direkt mit den Verkaufsveranstaltungen in Verbindung stehen, die zu umsatzsteuerpflichtigen Erlösen führen.
9.4 Nachzahlungszinsen: Wann kommt ein Erlass aus Billigkeitsgründen infrage?
FG Rheinland-Pfalz, Gerichtsbescheid v. 18.4.2024, 3 K 1447/23
Das FG hat im Hinblick auf das bereits beim BFH anhängige Revisionsverfahren, Az beim BFH V R 14/23, die Revision zugelassen. Hier hat der BFH darüber zu entscheiden hat, ob eine Zinsvorschrift, nach der Nachzahlungszinsen zur Mehrwertsteuer unabhängig von den Umständen des Einzelfalls (insbesondere unabhängig vom Verschulden des Steuerpflichtigen oder dem entstandenen Steuerschaden für das Finanzamt) entstehen, mit dem Unionsrecht (insbesondere mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer) vereinbar ist. Die Klägerin hat zwischenzeitlich die Revision beim BFH eingelegt, Az beim BFH V R 8/24.
9.5 Rückstellungsbildung für tarifvertraglichen Anspruch auf Altersfreizeit möglich?
BFH, Urteil v. 5.6.2024, IV R 22/22
Die BFH-Entscheidung ist in allen noch offenen Fälle zu berücksichtigen. Es muss aber in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der jeweils zu beurteilende Sachverhalt mit dem BFH-Entscheidungsfall vergleichbar ist und eine Rückstellungsbildung dem Grunde nach rechtfertigt.
Bei der Differenzierung ist Folgendes zu beachten:
Das Niedersächsische FG (Urteil v. 15.10.1987, VI 59/85) hatte über einen anders gelagerten Sachverhalt zu entscheiden. In diesem Entscheidungsfall wurde zusätzlicher bezahlter Urlaub gewährt, sofern der Mitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet hatte und in den letzten 10 Jahren ununterbrochen in Brauereibetrieben beschäftigt war. Durch die Anknüpfung an die Branchenzugehörigkeit wurde die Rückstellungsbildung abgelehnt; anders als bei einer Abstellung auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb. In letztgenanntem Fall besteht der erforderliche Konnex zwischen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und der Leistungspflicht des Arbeitsgebers.
Bei der Rückstellungsbildung der Höhe nach ist insbesondere die gebotene Abzinsung der Rückstellung und der erforderliche Fluktuationsabschlag zu berücksichtigen. Im Entscheidungsfall war die Rückstellungshöhe nicht im Streit; daher enthält die Rezensionsentscheidung nur allgemeine Hinweise auf die Bewertungsregelungen.
Eine Anpassung des BMF-Schreibens v. 11.11.1999 (BStBl 1999 I S. 959) ist vor dem Hintergrund der aktuellen B...