LfSt Rheinland-Pfalz v. 13.2.2017, S 0127 A - St 35 6, BStBl I 2017, 435

In Ergänzung des Anwendungserlasses (AEAO) zu § 26 AO wird das Folgende bestimmt:

 

1. Allgemeines

1.1 Geht die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung durch eine Änderung der sie begründenden Umstände von einem Finanzamt auf ein anderes Finanzamt über, so tritt der Zuständigkeitswechsel nicht schon mit der Änderung der Umstände selbst, sondern erst dann ein, wenn eines der betroffenen Finanzämter davon erfährt (§ 26 Satz 1 AO). Solange die die Zuständigkeit verändernden Umstände keinem der betroffenen Finanzämter zweifelsfrei bekannt geworden sind, kann sich der Steuerpflichtige auf eine veränderte örtliche Zuständigkeit nicht berufen. Ein Kennenkönnen oder Kennenmüssen genügt nicht. Denn § 26 AO verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität überschaubare, eindeutige Verhältnisse, damit Unsicherheiten vermieden werden (BFH-Urteil vom 25.01.89 X R 158/87, BStBl 1989 II S. 483). Die Sachaufklärung muss das noch zuständige FA betreiben. Mehren sich jedoch die Zweifel am Eintritt einer Zuständigkeitsänderung, verbleibt es bei der Zuständigkeit für die Besteuerung, da dann weiterhin keine positive Kenntnis von den den Zuständigkeitswechsel auslösenden maßgeblichen Umständen vorliegt. In diesem Stadium erlassene Verwaltungsakte sind in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit rechtsfehlerfrei.

Das Finanzamt, das von den die Zuständigkeit verändernden Umständen zuerst Kenntnis erlangt hat, ist gehalten, das andere Finanzamt unverzüglich davon zu unterrichten und die Abgabe/ Übernahme der Besteuerung zu veranlassen (§ 87 BuchO).

1.2 Bei einem Zuständigkeitswechsel erfolgt die Übernahme der Besteuerung durch das zuständig gewordene Finanzamt grundsätzlich ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens und in vollem Umfang. Der Zuständigkeitswechsel erfasst sowohl den Steuerfestsetzungs- als auch den Steuererhebungsbereich. Das bedeutet, dass das zuständig gewordene Finanzamt vom Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels an sämtliche im Besteuerungsverfahren anfallenden Arbeiten zu erledigen hat, auch wenn sie die Zeit vor dem Zuständigkeitswechsel betreffen. Ebenso obliegen dem neu zuständigen Finanzamt die Abwicklung der Kassengeschäfte und die Durchführung etwa erforderlicher Vollstreckungsmaßnahmen, auch soweit Steuerrückstände aus der Zeit vor dem Zuständigkeitswechsel betroffen sind.

Die Übernahme der Besteuerung kann hiernach nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass Steuererklärungen unbearbeitet oder noch nicht abschließend bearbeitet und Veranlagungen noch nicht durchgeführt sind, über Anträge des Steuerpflichtigen, z.B. auf Stundung oder Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, noch nicht entschieden ist, der Steuerpflichtige hohe Steuerrückstände hat oder die persönliche und/oder sachliche Steuerpflicht inzwischen erloschen ist.

Auch ein anhängiges außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren hindert nicht die Übernahme der Besteuerung durch das zuständig gewordene Finanzamt, da gem. § 367 Abs. 1 Satz 2 AO ein Zuständigkeitswechsel für die Besteuerung auch eine Zuständigkeitsänderung im Einspruchsverfahren bewirkt (Hinweis auf AEAO zu § 367, Nr. 1). Diese Rechtsbehelfsverfahren sind daher mit den übrigen Akten abzugeben.

Zur Behandlung der im Vollstreckungsverfahren erlangten Sicherungsrechte bei einem Zuständigkeitswechsel siehe Vollstreckungskartei – Organisation – Zuständigkeitswechsel Karte 1.

 

2. Fortführung des Verwaltungsverfahrens nach § 26 Satz 2 AO

 

2.1 Allgemeine Grundsätze

Nach § 26 Satz 2 AO ist es in das Ermessen des bislang zuständigen Finanzamts gestellt, ein bereits begonnenes Verwaltungsverfahren trotz zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels fortzuführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen des Steuerpflichtigen der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und das nunmehr zuständige Finanzamt zustimmt. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den beteiligten Finanzämtern kann sich immer nur auf einzelne, im Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels anhängige Verwaltungsverfahren beziehen, nicht jedoch auf die Besteuerung insgesamt. Soll die örtliche Zuständigkeit insgesamt bei dem bisher zuständigen Finanzamt verbleiben, ist ggf. eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO zu treffen.

Als Verwaltungsverfahren i.S. des § 26 Satz 2 AO ist insbesondere das Besteuerungsverfahren im engeren Sinne anzusehen, das im Allgemeinen mit der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung beginnt und mit der – erforderlichenfalls im Vollstreckungswege durchzuführenden – Verwirklichung (Einziehung bzw. Erstattung) endet, einschl. eines etwaigen Einspruchsverfahrens. Dabei ist jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum für sich zu sehen. Das gleiche gilt für die nach §§ 179 ff. AO durchzuführenden gesonderten Feststellungen.

Es ist nicht erforderlich, dass das ganze von dem Zuständigkeitswechsel berührte Verfahren von dem bisher zuständigen Finanzamt entweder fortgeführt oder nicht fortge...

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