Leitsatz
1. Kann der beglaubigten Abschrift eines Urteils nicht entnommen werden, ob die erkennenden Richter die Urschrift des Urteils unterschrieben haben, ist die Urteilszustellung unwirksam.
2. Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers eingeklagt hat, sind als Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig. § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug nicht entgegen.
Normenkette
§ 317 ZPO, § 104 Abs. 2 FGO, § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger und sein Bruder sind die Erben ihrer im April 2012 verstorbenen Mutter. Der Bruder hatte seit dem Jahr 2006 aufgrund ihm erteilter Vollmachten Verfügungen über das Konto der Mutter vorgenommen. Er kam der Aufforderung des Klägers, ihm darüber Auskunft zu erteilen, nicht nach. Die daraufhin vom Kläger gegen seinen Bruder erhobene Klage blieb erfolglos.
Das FA lehnte den Antrag des Klägers ab, die ihm im Klageverfahren entstandenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.1.2017, 4 K 509/16 Erb, Haufe-Index 10474527, EFG 2017, 584). Die dem FA anstelle einer Verkündung zugestellte beglaubigte Abschrift des FG-Urteils enthielt auf der letzten Seite die Namen lediglich zweier Richter.
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH das FG-Urteil zur Beseitigung des Rechtsscheins der Wirksamkeit auf, weil der Name des dritten Richters auf der letzten Seite der dem FA zugestellten beglaubigten Abschrift des Urteils nicht wiedergegeben war, und verwies die Sache an das FG zurück. Für das weitere Verfahren wies er auf die in den Praxis-Hinweisen dargelegten Grundsätze hin.
Hinweis
1. Erfolgt die Bekanntgabe eines Urteils an die Beteiligten nach § 104 Abs. 2 FGO statt durch Verkündung durch Zustellung, ist den Beteiligten nach der seit Juli 2014 geltenden Rechtslage von Amts wegen eine Abschrift zuzustellen (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Abschrift ist von der Geschäftsstelle gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu beglaubigen. Sie muss ebenso wie die Ausfertigung, die nach der früheren Rechtslage zugestellt werden musste, die Urschrift wortgetreu und richtig wiedergeben. Hierzu gehört, dass sie erkennen lässt, ob das Urteil überhaupt von Richtern unterzeichnet worden ist, und wenn ja, welche Richter es unterschrieben haben. Die Unterzeichnung des Urteils wird durch die maschinenschriftliche Wiedergabe der Namen der Richter unter dem Urteil kenntlich gemacht.
Kann einer beglaubigten Abschrift nicht entnommen werden, ob die erkennenden Richter das Urteil unterschrieben haben, ist nicht gewährleistet, dass die Abschrift das Urteil so wiedergibt, wie es tatsächlich gefällt worden ist. Diese Unklarheit führt zur Unwirksamkeit der Zustellung. Sie wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Empfänger die Gelegenheit erhält, sich von der Vollständigkeit der Urschrift und dem Gleichlaut von Urteil und Abschrift zu überzeugen.
2. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG).
a) Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen. Er umfasst u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Zu den Nachlassregelungskosten können danach auch Kosten zählen, die den Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen.
b) Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses liegt vor, wenn die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen. Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Ein enger sachlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist insbesondere dann gegeben, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären. Gleiches gilt für Kosten eines Rechtsstreits, den ein Erbe führt, um die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken.
Ein enger zeitlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist gegeben, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall erhoben wurde. Unverzügliches Handeln ist anzunehmen, wenn die Klage innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimm...