Rückwirkung im Umwandlungssteuerrecht

Die Bedeutung der Rückwirkung bei Umwandlungen ist enorm. Da die Umwandlung zivilrechtlich erst mit Eintragung in das Handelsregister wirksam wird, erfolgt fast jeder Fall in der Praxis mit Rückwirkung. Der Grund ist einfach: Die Eintragung muss durch den Registerbeamten erfolgen.

Einen Einfluss auf den Eintragungstermin im Handelsregister hat der Unternehmer nicht. Wünsche dürfen zwar geäußert werden, aber es bleiben eben Wünsche ohne jegliche Verpflichtung des eintragenden Beamten. Da bei einer Umwandlung aber der laufende Betrieb auf den neuen Rechtsträger umgestellt werden muss (neuer Name, Buchhaltung, ...), ist ein fixer Termin für die Umstellung notwendig. Die Abweichung zwischen Umstellungs- und Eintragungstermin kann durch die handelsrechtliche und steuerrechtliche Rückwirkung gelöst werden.

Normalerweise ist der Umwandlungsstichtag zivilrechtlich der Tag, der auf den letzten Bilanzstichtag vor Umwandlung folgt. Erfolgt die Umwandlung zivilrechtlich auf den 1. Januar, ist die Bilanz vom 31. Dezember nur eine logische Sekunde alt. Damit liegt ein Abschluss als Grundlage für die Umwandlung vor. Theoretisch ist auch jeder andere Stichtag denkbar. Allerdings ist für den umwandelnden Rechtsträger zwingend eine Schlussbilanz zu erstellen. Ist der Tag vor der Umwandlung also nicht mit dem Bilanzstichtag identisch, muss eine zusätzliche Bilanz erstellt (und abhängig von der Größe des Unternehmens auch testiert) werden. Dies verursacht zusätzliche Kosten, weshalb meist der auf den Bilanzstichtag folgende Tag für die Umwandlung gewählt wird.

Rückwirkung bei Verschmelzungen und Spaltungen

Bei einem Blick in § 2 UmwStG stellt man fest, dass ein konkreter Rückwirkungszeitraum nicht genannt wird. Der Grund besteht darin, dass bei allen Umwandlungen i.S.d. Umwandlungssteuergesetzes (also nicht bei Einbringungen) zivilrechtlich das Umwandlungsgesetz zur Anwendung kommt. In § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG findet sich die Regelung, dass der Anmeldung zur Umwandlung eine Bilanz beigefügt werden muss, die nicht älter als 8 Monate ist.

Im Folgenden werden die wichtigen Zeitpunkte dargestellt:

Steuerlicher Übertragungsstichtag

Handelsrechtlicher  Übertragungsstichtag

Anmeldung zum Handelsregister

31.12.00

01.01.01

31.08.01


Rückbezugszeitraum

Entscheidend für die 8-Monatsfrist ist somit nicht, wann der Eintrag der Umwandlung in das Handelsregister (zivilrechtliche Wirksamkeit) erfolgt, sondern die Anmeldung zur Umwandlung. Entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr, kann somit der Antrag bis zum 31.08. gestellt werden, wenn die Umwandlung rückwirkend handelsrechtlich zum 01.01. und steuerrechtlich zum 31.12. des Vorjahres stattfinden soll. Der handelsrechtliche und steuerrechtliche Umwandlungsstichtag sind demnach nicht identisch; Rn. 02.01 UmwStE 2011. Dadurch kann auch der tatsächliche Rückwirkungszeitraum länger sein als 8 Monate. Der umwandelnde Rechtsträger erlischt zivilrechtlich erst mit Eintragung in das öffentliche Register und existiert somit evtl. noch länger als 8 Monate.

Beispiel: Die Geschäftsführung der X-GmbH entscheidet im Juni, dass die X-GmbH rückwirkend zum 31.12./01.01. auf die Y-GmbH umgewandelt werden soll. Die Anmeldung zum Handelsregister mit Vorlage der Bilanz zum 31.12. des Vorjahres erfolgt im August, die Eintragung in das Handelsregister erfolgt erst im Oktober.

Der steuerliche Übertragungsstichtag ist nach § 2 UmwStG der 31.12. des Vorjahres, da das Vermögen mit Ablauf des Tages der Bilanz als übergegangen gilt, welcher der Vermögensübertragung zu Grunde liegt. Da die Anmeldung mit Antrag im August innerhalb von acht Monaten nach dem gewünschten Übertragungsstichtag liegt, ist eine Rückwirkung zulässig. Die Gesellschaft existiert aber zivilrechtlich bis zur Eintragung im Handelsregister im Oktober fort, somit ist der tatsächliche Rückwirkungszeitraum Januar bis Oktober.

Spannend ist, dass steuerlich eine Umwandlung auch auf einen Rechtsträger erfolgen kann, der zivilrechtlich noch gar nicht existiert. Es kann beispielsweise steuerlich rückwirkend zum 01.01. auf einen Rechtsträger verschmolzen werden, der erst am 01.05. Mai gegründet wird. Dies ist zivilrechtlich nicht möglich. Die Steuerpflicht des aufnehmenden Rechtsträgers beginnt dann aber konsequent bereits am 01.01. (Rn. 02.11 UmwStE 2011) und steuerlich sind dem aufnehmenden Rechtsträger auch die Geschäfte des umgewandelten Rechtsträgers ab diesem Zeitpunkt zuzuordnen.

Die Rückwirkung gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 UmwStG nur für die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer sowie nach § 2 Abs. 2 UmwStG bei einer aufnehmenden Personengesellschaft für das Vermögen der Gesellschafter. Das bedeutet, dass die Rückwirkung vor allem nicht für die Umsatzsteuer, die Erbschaftsteuer, die Grunderwerbsteuer und die Kapitalertragsteuer gilt. Die Umsatzsteuer für den umwandelnden Rechtsträger ist somit bis zur Eintragung in das Handelsregister (zivilrechtlicher Umwandlungsstichtag) noch bei dieser Gesellschaft zu veranlagen. Die anderen Steuern (ErbSt, GrESt, KapESt) entstehen bei zivilrechtlicher Wirksamkeit der Umwandlung und sind im Falle von Anmeldesteuern dem Finanzamt zu erklären. Hier ist im Umwandlungsprozess Vorsicht geboten, da bei Anmeldesteuern bei Nichtanmeldung eine leichtfertige Steuerverkürzung i. S. d. § 378 AO regelmäßig zur Diskussion steht.

In den Abs. 3 und 4 des § 2 UmwStG finden sich zwei Missbrauchsvorschriften, die sich so zusammenfassen lassen, dass Vorteile, die ohne Rückwirkung nicht erlangt worden wären, auch mit Rückwirkung nicht gewährt werden dürfen. Das folgende Beispiel soll den Sinn der Regelung verdeutlichen.

Beispiel: Die B-GmbH erwirbt am 30.06.02 von der A-GmbH alle Anteile an der V-GmbH, die zum 31.12.01 über einen körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvortrag von je 10 Mio. Euro verfügt. Anschließend wird die V-GmbH mit steuerlicher Rückwirkung zum 31.12.01 (steuerlicher Übertragungsstichtag) auf die B-GmbH zu gemeinen Werten unter Aufdeckung der stillen Reserven in Höhe der Verlustvorträge verschmolzen (§ 11 ff UmwStG).

 Lösung: Die Verlustvorträge der V-GmbH zum 31.12.01 können aufgrund von § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG nicht mit dem Übertragungsgewinn der V-GmbH verrechnet werden und gehen nach § 8c KStG unter. Der Übertragungsgewinn ist im VZ 01 zu versteuern.

Formwechsel i. S. d. § 9 UmwStG

Beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft gibt es handelsrechtlich keine Rückwirkung, da kein Vermögen übergeht (kein Tausch). Da steuerlich der Formwechsel genauso wie eine Umwandlung (Verweis in § 9 UmwStG auf §§ 3 ff UmwStG) behandelt wird, ergibt es aber Sinn, dass auch für diesen Fall eine Rückwirkung für steuerliche Zwecke existiert. Deshalb wurde die Rückwirkung im Gesetz ausdrücklich verankert, § 9 Satz 3 UmwStG.

Einbringungen

Bei den Einbringungen sind hinsichtlich der Rückwirkung die folgenden Fälle zu unterscheiden:

  1. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG
  2. Anteilstausch i.S.d. § 21UmwStG
  3. Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG
  4. Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 25 UmwStG

Anteilstausch i. S. d. § 21 UmwStG

Beim Anteilstausch gibt es keine Rückwirkung (Rn. 21.17). Der Stichtag für die Wirksamkeit des Anteilstausches kann somit erst in der Zukunft liegen, frühestens an dem Tag, an welchem der Vertrag über den Anteilstausch geschlossen wird.

Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG

Es gibt nur bei der Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft eine Rückwirkung und nicht bei Einbringungen in eine Personengesellschaft. § 24 Abs. 4 UmwStG verweist nur in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge auf die Rückwirkung nach § 20 Abs. 6 UmwStG. Da eine Einbringung ein Rechtsvorgang mit Einzelrechtsnachfolge ist, gibt es hierfür keine Rückwirkung.

Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 25UmwStG

§ 25 Satz 3 UmwStG sieht eine entsprechende Anwendung des § 9 Satz 2 und 3 UmwStG vor. Wie oben erläutert, gibt es für den Formwechsel zivilrechtlich keine Rückwirkung, weshalb durch den Verweis auf § 9 Satz 2 und 3 UmwStG nur für das Steuerrecht die Rückwirkung zur Anwendung kommt.

Florian Anderlik, MBA, ist Konzernbetriebsprüfer am Finanzamt München; daneben ist er Lehrbeauftragter im Master of Taxation an den Hochschulen München und Weiden sowie Referent im Bereich der steuerlichen Aus- und Fortbildung.

Der Beitrag entstammt seinem bei Schäffer-Poeschel erschienenen Buch "#steuernkompakt Umwandlungssteuerrecht".



Schlagworte zum Thema:  Steuerfortbildung, Umwandlung, Umwandlungssteuer