Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 5 v.H. der Einnahmen gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002: Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen verstößt gegen Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) verstößt sowohl gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 und 48 EG als auch gegen die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 und 58 EG und ist deswegen auch gegenüber sog. Drittstaaten unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 9. August 2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279; teilweise Abweichung vom BMF-Schreiben vom 21. März 2007, BStBl I 2007, 302).
Normenkette
KStG 2002 § 8b Abs. 5; EG Art. 43, 48, 56, 57 Abs. 1, Art. 58 Abs. 3
Verfahrensgang
Nachgehend
BVerfG (Beschluss vom 11.04.2012; Aktenzeichen 2 BvR 862/09) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Sie vereinnahmte in den Streitjahren 2001 und 2002 Dividendenerträge aus Beteiligungen an jeweils einer spanischen, britischen, italienischen sowie US-amerikanischen und taiwanesischen Kapitalgesellschaft von insgesamt 8 870 185,85 DM (2001) und 4 025 849,88 € (2002), davon im Streitjahr 2001 aus der (100 %igen) US-amerikanischen Beteiligung in Höhe von 3 425 422,51 DM und im Streitjahr 2002 aus der US-amerikanischen Beteiligung und der (94,5 %igen) taiwanesischen Beteiligung in Höhe von insgesamt 2 544 467,01 €. Der Beteiligungsaufwand belief sich auf insgesamt 624,67 DM (2001) und 285,20 € (2002), davon im Streitjahr 2001 für die US-amerikanische Beteiligung auf 241,23 DM und für die taiwanesische Beteiligung auf 0 DM und im Streitjahr 2002 für die US-amerikanische Beteiligung auf 177,69 € und für die taiwanesische Beteiligung auf 2,56 €.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beließ die Dividenden gemäß § 8b Abs. 1 (i.V.m. § 34 Abs. 4 Satz 1) des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002), für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002), steuerfrei, behandelte im Gegenzug aber 5 v.H. dieser Erträge (443 509 DM für 2001 und 201 292,49 € für 2002) nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Es setzte die Körperschaftsteuer sowie die Gewerbesteuermessbeträge entsprechend fest; die Bescheide ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin sah demgegenüber --unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279)-- nur die ihr tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben gemäß § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 als nichtabzugsfähig an; der Ansatz der sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG 2002 verstoße gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten der freien Wahl der Niederlassung sowie der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 43 und Art. 56 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. C-340, 1). Dementsprechend beantragte sie, den Körperschaftsteuerbescheid für 2001 gemäß § 164 Abs. 2 AO zu ändern, und focht sie die übrigen Steuerbescheide mit Einsprüchen an. Das FA lehnte den Änderungsantrag ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch sowie die anderen Einsprüche zurück. Die anschließende Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 9. November 2007 9 K 2912/04 K,G ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 406 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es akzeptiert zwar in der Sache das Klagebegehren, soweit es um die Beteiligungen an den Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geht (hier Spanien, Großbritannien, Italien). Für die Beteiligungsaufwendungen aus sog. Drittstaaten (hier die USA und Taiwan) gelte das jedoch nicht. Das FA bezieht sich dazu auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21. März 2007 (BStBl I 2007, 302). Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage bezogen auf jene Drittstaaten abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das dem Verfahren beigetretene BMF hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend davon abgesehen, 5 v.H. der vereinnahmten Dividenden der ausländischen Beteiligungsgesellschaften nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) --KStG 2002 a.F.-- als fiktive nichtabzugsfähige Betriebsausgaben anzusehen.
1. Nach § 8b Abs. 1 KStG 2002, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewStG 2002, bleiben Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG 2002 außer Ansatz. Von diesen Bezügen gelten nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. 5 v.H. als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, soweit sie aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft resultieren (sog. Schachtelstrafe).
2. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 13. Juni 2006 I R 78/04 (BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821), vom 9. August 2006 I R 50/05 (BFHE 215, 93, BStBl II 2008, 823) und in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279 --im Anschluss an die einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (vgl. dessen Urteile vom 18. September 2003 C-168/01 "Bosal", Slg. 2003, I-9409, sowie vom 23. Februar 2006 C-471/04 "Keller Holding", BStBl II 2008, 834)-- erkannt, dass die vorgenannte Fiktion von Betriebsausgaben und das vorgenannte Abzugsverbot infolge des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs auf einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt nicht anzuwenden sind. Denn die Fiktion ebenso wie die Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. erfassen nur Auslandsbeteiligungen und verstoßen deswegen gegen das gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot der freien Wahl der Niederlassung gemäß Art. 43, Art. 48 EG und damit gegen primäres Gemeinschaftsrecht. Darüber besteht im Grundsatz unter den Beteiligten auch kein Streit mehr (vgl. die BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 302, und vom 30. September 2008, BStBl I 2008, 940); das FA hat seinen Revisionsantrag entsprechend eingeschränkt. Der Senat nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, auf seine Urteile in BFHE 215, 93, BStBl II 2008, 823 und in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279 Bezug.
3. Der Senat hat in jenem Urteil in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279 darüber hinaus entschieden, dass die geschilderte gesetzliche Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nicht nur gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG, sondern zugleich auch gegen das Verbot der Beschränkung des Kapitalverkehrs nach Art. 56 Abs. 1 EG verstößt. Darin folgt die Finanzverwaltung dem Senat --im Hinblick auf die seinerzeit nach Ansicht des BMF noch nicht hinreichend gefestigte Spruchpraxis des EuGH-- nicht (BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 302). Der Senat hält dennoch an seiner Rechtsprechung fest.
a) Für die Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere Grundfreiheit (oder unter beide Grundfreiheiten) fällt, ist nach jedenfalls mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des EuGH auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen (vgl. u.a. EuGH-Urteile vom 24. Mai 2007 C-157/05 "Holböck”, Slg. 2007, I-4051, Rz 22 und 23; vom 13. März 2007 C-524/04 "Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation”, Slg. 2007, I-2107, Rz 26 bis 34, und vom 3. Oktober 2006 C-452/04 "Fidium Finanz", Slg. 2006, I-9521, Rz 34 und 44 bis 49). Nationale Bestimmungen, die nur auf solche Beteiligungen anwendbar sind, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen, fallen danach unter die Niederlassungsfreiheit (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 12. September 2006 C-196/04 "Cadbury Schweppes”, Slg. 2006, I-7995, dort Rz 31 und 32; in Slg. 2007, I-2107, Rz 26 bis 34; vom 18. Juli 2007 C-231/05 "Oy AA", Slg. 2007, I-6373, Rz 20; vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, Rz 37, und vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787, Rz 22). Insofern betreffen Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit (z.B. EuGH-Urteile vom 26. Juni 2008 C-284/06 "Burda", Internationales Steuerrecht --IStR-- 2008, 515 Rz 68; vom 12. Dezember 2006 C-446/04, "Test Claimants in the FII Group Litigation”, Slg. 2006, I-11753, Rz 118; in Slg. 2007, I-2107, Rz 33, und in Slg. 2007, I-6373, Rz 23). Wenn mit solchen Vorschriften gleichzeitig Auswirkungen auf die Kapitalverkehrsfreiheit verbunden sind, rechtfertigt dies keine eigenständige Prüfung der Art. 56 ff. EG, weil diese Auswirkungen lediglich als zwangsläufige Folge einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen sind (z.B. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-6373, Rz 24; in Slg. 2006, I-7995, Rz 33, und in Slg. 2007, I-2107, Rz 34).
b) Unter den Gegebenheiten des Streitfalles wird damit durch § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. auch der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet und wird auch diese verletzt.
aa) § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. gilt seinen Regelungsvoraussetzungen und -wirkungen nach unabhängig von der Beteiligungshöhe und somit nicht nur für Direktinvestitionen, sondern auch für Streubesitzanteile an einer Kapitalgesellschaft. Zwar handelt es sich bei dieser Bestimmung gleichwohl um eine solche, die die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft voraussetzt. Insbesondere § 8b Abs. 1 und 2 KStG 2002 steht im Kontext des sog. Halbeinkünfteverfahrens; die Vorschrift verhindert für verbundene Gesellschaften die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne mit Körperschaftsteuer. So gesehen betrifft strenggenommen auch § 8b Abs. 5 KStG 2002 (nur) die "Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe". Eine derartige Sichtweise wird dem Regelungsgehalt des § 8b Abs. 5 KStG 2002 jedoch nicht gerecht. Denn letzten Endes wird mittels dieser Vorschrift lediglich das allgemeine Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002), wonach Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, für die Zwecke des § 8b Abs. 1 KStG 2002 pauschaliert und quantifiziert. Anders als die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG 2002 selbst regelt die insoweit nur ergänzende Vorschrift also nicht subjektübergreifend die (wechselseitigen) "Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe" und erfordert auch keinen "sicheren Einfluss" auf die Beteiligungsgesellschaft (vgl. dazu ausdrücklich abgrenzend z.B. Senatsurteil vom 7. November 2007 I R 41/05, BFHE 219, 549 BStBl II 2008, 604, für die Hinzurechnung eines sog. Sperrbetrages nach § 50c Abs. 7 EStG 1990/1997 im Falle einer Aufwärtsverschmelzung). Sie betrifft vielmehr vorbehaltlos und ausschließlich die Besteuerung der Obergesellschaft und ersetzt bei dieser den ansonsten einschlägigen, allgemein wirkenden Abzugsausschluss von Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 1 EStG 2002 (s. auch für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG 2002 Senatsurteil vom 10. Januar 2007 I R 53/06, BFHE 217, 98, BStBl II 2007, 585). Sichtbar wird dies nicht zuletzt an der historischen Entwicklung der Vorschrift (umfassend dazu s. Michaelis, Die territoriale Zuordnung von Beteiligungsaufwand im Europäischen Unternehmenssteuerrecht, 2006, S. 23 ff.): § 8b Abs. 5 KStG wurde --seinerzeit noch als Abs. 7-- erst durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) neu geschaffen und war erstmals im Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden (§ 54 Abs. 6d KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften --Steuerbereinigungsgesetz 1999-- [StBereinG 1999] vom 22. Dezember 1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13). Zuvor griff infolge der Steuerfreistellung entsprechender Gewinnanteile nach § 8b Abs. 1 KStG das beschriebene allgemeine Abzugsverbot des § 3c (Abs. 1) EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Daran knüpfte sodann § 8b Abs. 7 KStG 1999 zunächst wörtlich an. Erst durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 wurde (in § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F.) bestimmt, dass § 3c (Abs. 1) EStG 2002 neben § 8b Abs. 5 (Satz 1) KStG 2002 n.F. nicht (mehr) anwendbar ist.
Der Umstand, dass die Klägerin an ihren Beteiligungsgesellschaften in den USA und in Taiwan im Streitjahr 100 v.H. bzw. 94,5 v.H. der Anteile hielt und dass sie damit einen sicheren Einfluss auf diese Gesellschaften ausüben konnte, hindert es im Ergebnis also nicht, dass der in Rede stehende Sachverhalt sowohl in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit als auch in jenen der Kapitalverkehrsfreiheit fällt.
bb) Infolge der Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen wird die damit zu prüfende Kapitalverkehrsfreiheit ebenso verletzt wie die Niederlassungsfreiheit. Das hat wiederum zur Konsequenz, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nicht nur bezogen auf Auslandsbeteiligungen innerhalb der Europäischen Union (im Streitfall die Beteiligungen an den spanischen, britischen und italienischen Kapitalgesellschaften), sondern auch bezogen auf die Auslandsbeteiligungen in sog. Drittstaaten (im Streitfall die Beteiligungen in den USA und in Taiwan) unanwendbar bleibt. Denn die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet nach Art. 56 Abs. 1 EG alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern.
aaa) Zwar berührt Art. 56 EG nach Art. 58 Abs. 1 EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Doch dürfen derartige Maßnahmen und Verfahren nach Art. 58 Abs. 3 EG weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S. des Art. 56 EG darstellen. Das aber ist nach der ständigen Spruchpraxis des EuGH nur dann der Fall, wenn die steuerrechtlichen Unterscheidungen auf Situationen angewandt werden, die nicht objektiv vergleichbar sind oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere die Kohärenz der Steuerregelung, gerechtfertigt sind, wobei die Rechtfertigung von Behinderungen für den freien Kapitalverkehr letztlich denselben Regeln unterworfen werden wie die Beschränkung anderer gemeinschaftsvertraglich verbürgter Grundfreiheiten (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071; in Slg. 2002, I-10829; vom 15. Juli 2004 C-315/02 "Lenz", Slg. 2004, I-7063; Beschluss vom 8. Juni 2004 C-268/03 "De Baeck", Slg. 2004, I-5961; Schön in Gocke/Gosch/Lang, Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, Festschrift für Wassermeyer, 2005, S. 489, 513 ff., m.w.N.).
Es ist für die hier in Rede stehende Differenzierung hinsichtlich der fingierten Beteiligungsaufwendungen bei Auslands- und Inlandsbeteiligungen in § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nichts erkennbar, das die aufgezeigte Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte: Inlands- und Auslandsbeteiligungen sind hinsichtlich der Beteiligungsaufwendungen objektiv vollen Umfangs vergleichbar. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigende zwingende Gründe des Allgemeininteresses bestehen nicht. Der administrative Vereinfachungseffekt, der mit der pauschalierten "Schachtelstrafe" verbunden sein mag, weil diese es regelmäßig erübrigt, den Beteiligungsaufwand konkret zu beziffern, besteht hier wie dort. Und der Gesichtspunkt einer grenzüberschreitend erschwerten Steuerkontrolle ist nicht tragfähig, weil der Beteiligungsaufwand ohnehin vorzugsweise bei der (inländischen) Obergesellschaft und nicht bei der (ausländischen) Untergesellschaft entstehen wird und der bloße Umstand der Auslandsbeteiligung deshalb gemeinhin keine besonderen steuerlichen Kontrollmaßnahmen erfordert. Das erweist sich nicht zuletzt an § 8b Abs. 5 KStG 2002 n.F., der mittlerweile eine Gleichbehandlung beider Situationen sicherstellt. So gesehen bleibt allein der Gesichtspunkt, Steueraufkommensverluste in internationalen Besteuerungszusammenhängen zu vermeiden, die daraus resultieren können, dass die Besteuerung der Auslandsgewinne regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft zugewiesen ist, der Beteiligungsaufwand jedoch im Inland abzugsfähig bleibt (vgl. Michaelis, a.a.O., S. 86 f., m.w.N.) ‐ ein Aspekt, welcher wegen der Dividendenfreistellung gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002 leerläuft und konkret im Streitfall ohnehin allenfalls für die US-amerikanische Beteiligung der Klägerin einschlägig wäre (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (BGBl II 1991, 355), für die taiwanesische mangels eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und Taiwan und des stattdessen greifenden Welteinkommensprinzips in Deutschland jedoch nicht. Unabhängig von Letzterem taugen fiskalische Erwägungen durchgängig nicht, um Gemeinschaftsrechtsverstöße zu rechtfertigen.
bbb) Der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt steht auch Art. 57 Abs. 1 EG nicht entgegen. Danach berührt Art. 56 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen bestehen. Die Einschränkung dieser sog. Stillhalteklausel ist für § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. jedoch nicht einschlägig.
Zwar handelt es sich bei den Allein- bzw. Mehrheitsbeteiligungen der Klägerin an den beiden in Rede stehenden Kapitalgesellschaften in den USA und in Taiwan um "Direktinvestitionen" i.S. von Art. 57 Abs. 1 EG, also um solche Beziehungen, welche die Möglichkeit geben, sich tatsächlich an der Verwaltung der Untergesellschaft oder an deren Kontrolle zu beteiligen (s. dazu EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-4051, Rz 33; s. auch Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 I R 4/05, BFHE 212, 226, BStBl II 2006, 555, dort unter II.3. der Entscheidungsgründe). § 8b Abs. 5 KStG 2002 erfüllt jedoch nicht die in Art. 57 Abs. 1 EG bestimmte zeitliche Voraussetzung: § 8b KStG wurde mit erstmaliger Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1993 (vgl. § 54 Abs. 6c KStG 1993 i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts --Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz-- vom 21. Dezember 1993, BGBl I 1993, 2310) durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz --StandOG--) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569) neu in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt. Wie dargestellt (unter II.3.b aa), fehlte eine spezielle "Schachtelstrafe" in Gestalt des § 8b Abs. 5 KStG 2002 seinerzeit noch. Stattdessen war § 3c EStG anzuwenden. Daran gemessen handelt es sich bei dem später neu geschaffenen § 8b Abs. 5 (zuvor Abs. 7) KStG um die nachträgliche Verschärfung einer bereits zuvor existenten Steuerbelastung nach dem 31. Dezember 1993, und eine solche wird vom EuGH untersagt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-11753, Rz 192; in Slg. 2007, I-4051, Rz 23 f.). Das geht Hand in Hand damit, dass eine zwischenzeitlich --nach dem Stichtag-- abgeschaffte belastende Altregelung nicht später neu eingeführt werden darf (EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007 C-101/05 "A", IStR 2008, 66 Rz 49). Die "Schaffung" von § 8b Abs. 5 KStG wirkt aber wie die nachträgliche Verschärfung einer nach dem maßgeblichen Stichtag beseitigten Belastung.
c) Der Senat erachtet die aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage in Anbetracht des zwischenzeitlichen Stands der Rechtsprechung des EuGH als eindeutig. Sie entspricht den Aussagen der zitierten EuGH-Urteile und war insoweit bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof. Sie ergibt sich überdies zweifelsfrei aus dem EG-Vertrag. Überdies gebührt dem nationalen Gericht und nicht dem EuGH die vorrangige Einschätzung der Frage, ob eine Regelung wie vorliegend § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. in erster Linie eine Beherrschungssituation --mit der Folge der primären Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit-- im Auge hat, oder aber, ob --mit der Folge der Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit-- diese Regelung allgemein wirkt (s. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 29. März 2007 in der Rechtssache C-298/05 "Columbus Container Services", dort Rz 50 ff.). Einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", Slg. 1982, 3415).
4. Die Entscheidung des Senats erübrigt es, auf die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit des § 8b Abs. 5 KStG 2002 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der steuerlichen Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) einzugehen. Diese Frage liegt dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) derzeit für die auch im Streitfall relevante Situation vor, dass der tatsächliche Beteiligungsaufwand deutlich hinter der pauschalierten Aufwandsfiktion nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 zurückbleibt (vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 7. November 2007 5 K 153/06, EFG 2008, 236, Az. des BVerfG: 1 BvL 12/07). Darüber hinaus wird die Frage aufgeworfen, ob in der Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. ein nicht gerechtfertigter Gleichheitsverstoß zu sehen ist (vgl. dazu z.B. Schön, Finanz-Rundschau 2001, 381, 391; Schmidt/Hageböke, IStR 2002, 150, 153; Kerssenbrock, Betriebs-Berater 2003, 2148, 2151; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, 2007, S. 488 ff., m.w.N.).
Da die Klägerin den Abzugsausschluss der ihr tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen akzeptiert hat, muss schließlich auch nicht die umstrittene Rechtsfrage beantwortet werden, ob § 3c Abs. 1 EStG 2002 i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG 2002 bei der europarechtlich erzwungenen Nichtanwendung von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. "wiederauflebt" und subsidiär anzuwenden wäre (vgl. dazu die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279; BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 940).
Fundstellen
Haufe-Index 2135839 |
BFH/NV 2009, 849 |
BFH/PR 2009, 224 |
BFHE 2009, 50 |
BFHE 224, 50 |
DB 2009, 766 |
DStR 2009, 632 |
DStRE 2009, 451 |
HFR 2009, 499 |