Leitsatz (amtlich)
Zum Inkrafttreten der Regelungen des Reichsvermögen-Gesetzes über das Rückfallvermögen (Art. 134 Abs. 3 GG) in Berlin (West).
Tenor
§ 19 Absatz 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Reichsvermögen-Gesetz) vom 16. Mai 1961 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 597) steht der mit § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) (Sechstes Überleitungsgesetz) vom 25. September 1990 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2106) geschaffenen Anwendbarkeit des § 5 Reichsvermögen-Gesetz im Geltungsbereich der bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 bestehenden Westsektoren des Landes Berlin nicht entgegen; die Regelung ist mit Artikel 134 Absatz 3 und Absatz 4 des Grundgesetzes sowie dem föderalen Gleichbehandlungsgebot (Artikel 20 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes) vereinbar.
Tatbestand
A.
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob § 19 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Reichsvermögen-Gesetz) vom 16. Mai 1961 (BGBl I S. 597) – RVermG – den vormaligen Westteil des Landes Berlin von der Vermögenszuordnung im Hinblick auf das so genannte Rückfallvermögen, das unentgeltlich von den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) dem Deutschen Reich überlassene Vermögensrechte umfasst, ausschließt und daher mit Art. 134 Abs. 3 und 4 GG und dem föderalen Gleichbehandlungsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. mit Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar ist.
I.
1. Die einheitliche Verwaltung des Vermögens des Deutschen Reiches und des Landes Preußen zerfiel mit dem Zusammenbruch des Reiches am 8. Mai 1945. Durch das am 14. Juli 1945 in Kraft getretene Gesetz Nr. 52 der Militärregierung über Sperre und Kontrolle von Vermögen (Gesetzliche Vorschriften der amerikanischen Militärregierung in Deutschland, Ausgabe A, S. 24) wurde in Berlin (West), wie in allen drei westlichen Besatzungszonen, das Reichsvermögen beschlagnahmt und unterlag der Kontrolle durch die Besatzungsmächte (vgl. Zieger, in: von Münch ≪Hrsg.≫, Grundgesetzkommentar, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 134 Rn. 8). Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes (zur Geltung im Land Berlin vgl. BVerfGE 7, 1 ≪7≫) wurden das gesamte Reichsvermögen und die Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechts Bundesvermögen (vgl. Art. 134 Abs. 1 GG, Art. 135 Abs. 6 Satz 1 GG). Die westlichen Besatzungsmächte hatten jedoch teils vor, teils nach Inkrafttreten des Grundgesetzes abweichende Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse an diesem Vermögen erlassen. Die völkerrechtliche Gültigkeit dieser Vorschriften, ihre rechtliche Tragweite und ihr Verhältnis zu Art. 134 GG und Art. 135 GG waren vor allem zwischen dem Bund und den Ländern umstritten (vgl. Féaux de la Croix, BB 1951, S. 539 ≪540≫).
Nachdem die Alliierte Hohe Kommission durch Gesetz Nr. A – 16 vom 4. Mai 1951 (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission S. 881) wesentliche vermögensbezogene Vorschriften der Militärgesetze aufgehoben hatte, schuf der Bund durch das Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen vom 21. Juli 1951 (BGBl I S. 467) – Vorschaltgesetz – eine vorläufige Ordnung in der von Rechtsunsicherheit geprägten Situation. Da der Aufhebung durch das Gesetz Nr. A – 16 nach herrschender Meinung keine rückwirkende Kraft zukam, hat der Bundesgesetzgeber die aus dem Besatzungsrecht abgeleiteten Eigentums- und Vorbehaltsrechte der Länder ausdrücklich durch das Vorschaltgesetz beseitigt (vgl. BTDrucks 3/2357, S. 9; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1953, Art. 134 Anm. 2, S. 649; Siebenhaar, JR 1959, S. 207), wobei die Auseinandersetzung über die Vermögenswerte den in Art. 134 Abs. 4 GG und Art. 135 Abs. 6 GG vorgesehenen Bundesgesetzen vorbehalten blieb (§ 5 des Vorschaltgesetzes). Da das Land Berlin mit Billigung der Besatzungsmächte das Vorschaltgesetz übernommen hatte, galt dieses Gesetz auch für Berlin (§ 9 des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) vom 4. Januar 1952, BGBl I S. 1, nach Berlin übernommen durch Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 12. Juni 1952, GVBl für Berlin S. 393; vgl. auch Siebenhaar, JR 1959, S. 207).
2. Die Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen wurden endgültig durch das Reichsvermögen-Gesetz geregelt.
a) Soweit Vermögensrechte, die am oder nach dem 8. Mai 1945 dem Deutschen Reich zugestanden haben, nicht bereits aufgrund der Identität zwischen dem Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland (vgl. hierzu Siebenhaar, JR 1959, S. 207; Coing, NJW 1954, S. 817 ≪819≫; Féaux de la Croix, ArchÖffR 1977, S. 35) oder aufgrund von Art. 134 Abs. 1 GG Vermögen des Bundes geworden sind, wird in § 1 RVermG der Übergang der Vermögensrechte auf den Bund angeordnet (vgl. BTDrucks 3/2357, S. 10).
b) § 2 und § 3 RVermG dienen der Umsetzung des in Art. 134 Abs. 2 GG vorgegebenen Funktionsprinzips, wonach das Verwaltungsvermögen bei einem Wechsel des Aufgabenträgers der Verwaltungsaufgabe folgt. In Umsetzung von Art. 134 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz GG knüpft der Gesetzgeber bei der Vermögenszuordnung in § 2 RVermG an die Zweckbestimmung des Vermögensgegenstandes am 8. Mai 1945 an. In § 3 RVermG stellt er auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes ab (vgl. Art. 134 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz GG).
c) Die Zuordnung des Rückfallvermögens nach Art. 134 Abs. 3 GG hat der Bundesgesetzgeber in § 5 RVermG geregelt. Die Bestimmung setzt die in Art. 134 Abs. 3 GG vorgesehene Rückübertragung von Vermögensgegenständen des Deutschen Reiches auf die Rechtsträger um, die diese in der Vergangenheit unentgeltlich – wie zum Beispiel bei der Übertragung für den Bau von Kasernen (sog. Garnisonsverträge; vgl. BTDrucks 3/2357, S. 13) – zur Verfügung gestellt hatten. Die Rückübertragung auf den ursprünglichen Eigentümer ist deshalb als Grundsatz (§ 5 Abs. 1 RVermG), die Berücksichtigung von Bundesbedarf dagegen als Ausnahme vorgesehen. Macht der Bund dauernden Bedarf an dem Rückfallvermögen geltend, ist das Rückfallrecht ausgeschlossen (§ 5 Abs. 2 RVermG). Benötigt der Bund einen Vermögensgegenstand nur vorübergehend, ist ihm von dem Rückfallberechtigten ein Recht auf unentgeltliche Nutzung für die Dauer des Bedarfs einzuräumen (§ 5 Abs. 3 RVermG; zur Frage, wann der Verwaltungsbedarf des Bundes „nicht nur vorübergehend” ist, vgl. BVerwGE 111, 188). Für die Geltendmachung des Rückfallrechts ist eine Ausschlussfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten des Reichsvermögen-Gesetzes festgelegt (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RVermG). Erfährt der Rückfallberechtigte erst später von seinem Rückfallrecht, beginnt die Jahresfrist erst mit diesem Zeitpunkt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 RVermG). Der Bund hat im Falle eines Dauerbedarfs die Möglichkeit, sich auf diesen innerhalb eines Jahres nach Geltendmachung eines Rückfallrechts, mindestens aber bis zum Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zu berufen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 RVermG). Die Berufung auf Eigenbedarf ist für den Bund dagegen ausgeschlossen, wenn er den Vermögensgegenstand nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Geltendmachung des Bedarfs tatsächlich nutzt (§ 5 Abs. 2 Satz 3 RVermG). Die Norm lautet:
§ 5
Rückfallvermögen
(1) Vermögensrechte des Deutschen Reichs (§ 1), die ein Land oder eine Gemeinde (Gemeindeverband) unmittelbar oder durch einen Dritten dem Deutschen Reich auf Grund eines Gesetzes, Verwaltungsaktes oder Rechtsgeschäftes unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben und auf welche die Voraussetzungen der §§ 2 bis 4 nicht zutreffen, stehen dem Rechtsträger (Land, Gemeinde, Gemeindeverband) zu, von dem oder für dessen Rechnung sie zur Verfügung gestellt worden sind. Der Anspruch auf Übertragung eines Vermögensrechts als Rückfallvermögen kann nur innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes geltend gemacht werden. Erlangt der Rückfallberechtigte erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes von seinem Rückfallrecht Kenntnis, so beginnt die Frist mit diesem Zeitpunkt.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Vermögensrechte an Gegenständen, welche der Bund überwiegend und nicht nur vorübergehend unmittelbar für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt und für welche der Bund seinen Bedarf geltend macht. Der Bund kann sich auf seinen Bedarf nur innerhalb eines Jahres nach Geltendmachung eines Rückfallrechts, mindestens aber bis zum Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, berufen. Der Bund kann sich auf einen von ihm geltend gemachten Eigenbedarf nicht mehr berufen, wenn der Vermögensgegenstand von ihm nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Geltendmachung des Bedarfs hierfür tatsächlich genutzt wird.
(3) Benötigt der Bund einen nach Absatz 1 einem Land oder einer Gemeinde (Gemeindeverband) zustehenden Vermögensgegenstand nach den bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Verhältnissen vorübergehend überwiegend für eine eigene Verwaltungsaufgabe, so ist der Rückfallberechtigte verpflichtet, den Vermögensgegenstand dem Bund für die Dauer dieses Verwaltungsbedarfs zur unentgeltlichen Nutzung zu belassen.
(4) Ist der Verkehrswert eines dem Deutschen Reich zur Verfügung gestellten Vermögensgegenstandes durch Maßnahmen, welche ein anderer als der Rückfallberechtigte bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffen hat, höher als der Verkehrswert, welchen der Vermögensgegenstand ohne diese Maßnahmen haben würde, so kann der Bund verlangen, daß der Wertunterschied von dem Rückfallberechtigten in Geld ausgeglichen wird. Der Rückfallberechtigte kann den Ausgleich des Wertunterschiedes unter Verzicht auf sein Rückfallrecht verweigern. In diesem Falle hat der Bund dem Rückfallberechtigten eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes zu zahlen, den der dem Reich zur Verfügung gestellte Vermögensgegenstand ohne die getroffenen Maßnahmen haben würde.
(5) Hatte ein Land dem Deutschen Reich Vermögensgegenstände unentgeltlich zur Verfügung gestellt, die in einem Gebiet belegen sind, dessen Landeszugehörigkeit sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes geändert hat, so stehen diese Vermögensgegenstände dem Lande zu, dem nach Artikel 135 Abs. 1 des Grundgesetzes das Vermögen in diesem Gebiet zugefallen ist. Soweit nicht mehr bestehende Länder dem Deutschen Reich Vermögensgegenstände unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, die in einem Gebiet belegen sind, dessen Landeszugehörigkeit sich nicht geändert hat, stehen diese dem Land zu, dem das Grundvermögen des nicht mehr bestehenden Landes nach Artikel 135 Abs. 3 des Grundgesetzes zugefallen ist.
d) Der Bundesgesetzgeber hat in § 21 RVermG eine Berlin-Klausel eingefügt, wonach das Gesetz nach Maßgabe des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin gelten sollte. Das Reichsvermögen-Gesetz konnte indes nicht nach Berlin übernommen werden, weil die Alliierte Kommandantur in Berlin mit Schreiben vom 28. Juni 1961 – Az.: BK/L (61) 15 – hiergegen Einspruch erhoben hat. Die Berlin-Klausel des § 21 RVermG ist daher ohne Rechtsfolgen geblieben: Das Reichsvermögen-Gesetz ist im Land Berlin während der Geltungsdauer der alliierten Vorbehaltsrechte vor dem 3. Oktober 1990 nicht in Kraft getreten.
e) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte in Berlin (West) die Vermögenszuordnung nach Art. 134 Abs. 1 und 2 GG durchgeführt werden können, die Zuordnung des Rückfallvermögens nach Art. 134 Abs. 3 GG jedoch zunächst unterbleiben. Er hat daher bestimmt, dass § 5 RVermG im Land Berlin nicht gilt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 RVermG) und insoweit eine besondere Regelung für das Land Berlin vorbehalten bleibt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG). Soweit Vermögensrechte in besonderen, in Berlin nicht geltenden Gesetzen geregelt waren, sollte es dabei sein Bewenden haben (vgl. § 19 Abs. 2 RVermG). Die Norm lautet:
§ 19
Sondervorschriften für Berlin
(1) § 5 gilt nicht im Land Berlin. Eine besondere Regelung bleibt insoweit vorbehalten.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für in Berlin (West) belegene Vermögensrechte (§ 1), soweit die Rechtsverhältnisse derartiger Vermögensrechte im übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch in § 15 bezeichnete, im Land Berlin bisher nicht in Kraft getretene Gesetze geregelt sind.
3. Geltung erlangt hat das Reichsvermögen-Gesetz im vormaligen Westteil des Landes Berlin erst aufgrund der Regelung des § 1 des Gesetzes zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) (Sechstes Überleitungsgesetz) vom 25. September 1990 (BGBl I S. 2106). Die Norm lautet:
§ 1
Grundsatz
Bundesrecht, das in Berlin (West) aufgrund alliierter Vorbehaltsrechte bisher nicht oder nicht in vollem Umfang gilt, gilt vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an uneingeschränkt in Berlin (West), soweit sich aus den §§ 2 und 3 nicht etwas anderes ergibt. Entsprechendes gilt auch für bereits verkündetes, jedoch noch nicht in Kraft getretenes Bundesrecht vom Zeitpunkt des jeweils bestimmten Inkrafttretens an.
4. Der Antragsteller beansprucht als Rückfallvermögen in Berlin (West) gelegene Grundstücke mit einer Gesamtfläche von ungefähr 6,8 Mio. qm im Gesamtwert von etwa 226 Mio. EUR, darunter Flächen der Flughäfen Tegel und Tempelhof, sowie 52 Mio. EUR, die der Bund aus dem Verkauf von Rückfallvermögen erzielt habe.
Der Bund vertrat gegenüber dem Land Berlin zunächst – bis Mitte 1999 – die Ansicht, dass das Reichsvermögen-Gesetz seit dem 3. Oktober 1990 zwar uneingeschränkt auch in Berlin gelte, § 19 des Gesetzes jedoch regele, dass § 5 in Berlin keine Anwendung finde und eine besondere Regelung insoweit vorbehalten geblieben sei, eine solche aber bisher nicht vorliege (vgl. Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 25. August 1992, Az.: VI A 1 – 0 1370 I – 5/92). In der Folgezeit änderte der Bund seine Rechtsauffassung und vertrat nunmehr den Standpunkt, dass mit dem Fortfall der alliierten Vorbehaltsrechte und der Inkraftsetzung des Reichsvermögen-Gesetzes durch § 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin eine besondere Regelung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG vorliege; da § 5 RVermG somit seit dem 3. Oktober 1990 auch in Berlin (West) gegolten habe, sei die Jahresfrist des § 5 Abs. 1 Satz 2 RVermG zur Geltendmachung der Rückfallansprüche abgelaufen.
5. Auf Initiative des Landes Berlin beschloss der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Reichsvermögen-Gesetzes (BRDrucks 642/03 vom 9. September 2003). Danach sollte § 19 RVermG wie folgt gefasst werden: „In dem Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bereits vor dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland galt, gilt § 5 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 genannten Zeitpunkts des Inkrafttretens dieses Gesetzes der [einsetzen: Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes] tritt.”
Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach der Herstellung der deutschen Einheit, der Entscheidung des Deutschen Bundestages zur Verlegung von Parlaments- und Regierungssitz nach Berlin vom 20. Juni 1991 und dem erfolgten Regierungsumzug sei der Bedarf des Bundes in Berlin klar definierbar, sodass ein weiteres Hinauszögern der Umsetzung der grundgesetzlichen Vorgaben (Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG) nicht länger akzeptabel sei. Das Land Berlin erhalte dadurch die Möglichkeit, gegen den Bund Ansprüche auf Rückfallvermögen nach § 5 RVermG durchzusetzen. Für das Land Berlin gelte damit keine Sonderregelung, sondern nur die Vorschrift, die auch für die Alt-Bundesländer bereits zur Anwendung gekommen sei (vgl. BTDrucks 15/2135, S. 6 f.).
Der Bundestag lehnte den Entwurf am 16. Juni 2005 ab (BT-PlenProt 15/181, S. 17114 B).
II.
Mit seinem Normenkontrollantrag macht der Senat von Berlin geltend, dass § 19 Abs. 1 RVermG Berlin von der sämtlichen anderen westdeutschen Ländern über § 5 RVermG eröffneten Rückerstattung des in seinem Westteil gelegenen Rückfallvermögens ausschließe. Die Gründe, die bei dem Inkrafttreten des Reichsvermögen-Gesetzes im Jahr 1961 den Ausschluss gerechtfertigt hätten, seien fünfzehn Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit weggefallen. Der Bund habe nun auch das Berliner Rückfallvermögen aufzuteilen.
1. Das Sechste Überleitungsgesetz habe das Reichsvermögen-Gesetz mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 auch in Berlin (West) in Kraft gesetzt. Es gelte daher § 19 RVermG mit dem auf § 5 RVermG bezogenen Regelungsvorbehalt des Absatz 1 Satz 2. Der Gesetzgeber habe mit § 19 Abs. 1 RVermG die Durchführung der Vermögenszuordnung bis auf weiteres aufschieben und einer künftigen Regelung vorbehalten wollen. Von diesem Gestaltungsvorbehalt sei der in § 21 RVermG enthaltene Geltungsvorbehalt der klassischen Berlin-Klausel zu unterscheiden, die routinemäßig in das Reichsvermögen-Gesetz eingefügt worden sei. Die Berlin-Klauseln hätten die räumliche Geltung von Normen betroffen. Erst mit der Entscheidung, den Regierungssitz nach Berlin zu verlegen, sei der auf Berlin bezogene Ungewissheitsfaktor entfallen. Der Gesetzgeber habe sich mit § 19 Abs. 1 RVermG die Festlegung darüber vorbehalten, wann eine besondere Regelung in Kraft treten und ob diese § 5 RVermG unverändert übernehmen solle. § 19 RVermG gehe entstehungsgeschichtlich nicht auf den Alliiertenvorbehalt gegen das Reichsvermögen-Gesetz, sondern allein auf deutschlandpolitische Gründe zurück. Maßgebend sei gewesen, dass der Bedarf des Bundes in Berlin zur Zeit der Entstehung des Reichsvermögen-Gesetzes wegen der ungewissen Zukunft der Stadt in ihrer damaligen Insellage noch nicht abzusehen gewesen sei. Der Bund habe den Eigentum erhaltenden Bedarfsvorbehalt nicht voreilig preisgeben wollen. Im Jahr 1961 habe es nahe gelegen, für Berlin eine Sonderregelung zu treffen, um eine Entscheidung über den Bundesbedarf am Berliner Rückfallvermögen zu einem Zeitpunkt zu vermeiden, zu dem dieser realistisch nicht hätte veranschlagt werden können. Dass in der Konzeption des Reichsvermögen-Gesetzes nicht aus stationierungsrechtlichen Gründen auf Berlin Rücksicht genommen worden sei, werde auch dadurch deutlich, dass die Ablehnung der Alliierten gegenüber dem Reichsvermögen-Gesetz für den Gesetzgeber nicht absehbar gewesen sei und erst vom 28. Juni 1961 stamme.
2. Der Bund habe seiner Pflicht zur Aufhebung oder Modifikation des § 19 Abs. 1 RVermG nicht durch das Sechste Überleitungsgesetz genügt. § 1 dieses Gesetzes sei lediglich eine Pauschalbestimmung, die das Reichsvermögen-Gesetz nicht eigens anspreche. Das Reichsvermögen-Gesetz sei vollständig, also unter Einschluss von § 19, in Berlin in Kraft gesetzt worden. § 5 RVermG werde daher nach wie vor durch § 19 RVermG blockiert. Dies habe auch zunächst der Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums entsprochen. Die Norm sei im ausschließlichen Interesse des Bundes erlassen worden, eine verfrühte Verteilung des Berliner Rückfallvermögens zu verhindern, die der Wiedereinsetzung Berlins als Bundeshauptstadt vorgegriffen hätte. § 19 RVermG habe daher durch den Wegfall des Alliiertenvorbehalts nicht an Bedeutung eingebüßt. Der Bundesgesetzgeber hätte seine Pflicht zu länderfreundlichem Verhalten grob verletzt, wenn er mit dem Sechsten Überleitungsgesetz zugleich § 19 RVermG hätte aufheben wollen. Aus § 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes gehe jedenfalls nicht hervor, dass die Jahresfrist des § 5 Abs. 1 Satz 2 RVermG habe ausgelöst werden sollen.
3. Die vorbehaltlose Einbeziehung Berlins in den unveränderten § 5 RVermG sei verfassungsrechtlich geboten. Der Bund habe die gesetzlichen Grundlagen für die Vermögenszuordnung nach Art. 134 Abs. 3 GG zu schaffen. Ein Grund, die Verteilung des Berliner Rückfallvermögens aufzuschieben, bestehe nicht mehr. Mit der Wiedervereinigung und der Bestimmung Berlins als Regierungssitz und Hauptstadt habe sich die tatsächliche Grundlage der Vorbehaltsregelung in § 19 Abs. 1 RVermG verändert. Spätestens nachdem der Bundestag den Antrag des Bundesrates auf Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens im Juni 2005 zurückgewiesen habe, stehe der Bundesgesetzgeber in der Pflicht, das Land Berlin in seine verfassungsrechtlich garantierten Rechte am Rückfallvermögen einzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt habe eine im Tatsächlichen abwicklungsfähige Bedarfssituation vorgelegen. Dem Bund habe seit Oktober 1990 ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, seinen Eigenbedarf im Westteil Berlins zu ermitteln. Er habe dafür deutlich mehr Zeit gehabt, als ihm der Gesetzgeber 1960/61 für die Abschätzung des Eigenbedarfs im gesamten Bundesgebiet gelassen habe. § 19 Abs. 1 RVermG sei daher nachträglich nichtig geworden. Als Beginn für die in § 5 RVermG genannten Fristen komme aus Gründen der Rechtssicherheit – vor allem aber, um das Konzept der definitiven Eigentumszuordnung im befristeten Wechselspiel von Anspruch und anspruchsvernichtender Einwendung durchzusetzen – nur der Tag einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Verfahren in Betracht.
4. Hilfsweise sei § 19 Abs. 1 Satz 1 RVermG für mit Art. 134 Abs. 3 GG unvereinbar zu erklären und der Bund zum Erlass einer besonderen Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG zu verpflichten. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, § 5 RVermG textidentisch zu übernehmen, solange er sich im Rahmen des Art. 134 Abs. 3 GG bewege. Ein weiteres Zuwarten zum Erlass der erforderlichen Regelung könne vor dem Hintergrund des Art. 134 Abs. 3 GG nicht mehr gerechtfertigt werden.
III.
Dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung sowie den Landesregierungen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Davon hat allein die Bundesregierung Gebrauch gemacht. Sie bestreitet die von dem Senat von Berlin vorgetragenen Wertansätze der betroffenen Flächen in Berlin (West) und trägt vor:
1. Der Hauptantrag sei unzulässig. § 19 Abs. 1 RVermG sei in Berlin weder formell noch materiell Bestandteil des geltenden Rechts geworden. Die Bestimmung sei wegen des von der Alliierten Kommandantur erhobenen Einspruchs gegen das gesamte Reichsvermögen-Gesetz weder zum 1. August 1961 noch durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes in Kraft gesetzt worden. Dem Einspruch der Alliierten habe die Annahme zugrunde gelegen, dass die Möglichkeit der Geltendmachung eigenen Verwaltungsbedarfs durch den Bund mit dem Vier-Mächte-Status Berlins unvereinbar gewesen sei.
2. Es entspreche einhelliger Auffassung, dass das Sechste Überleitungsgesetz das Reichsvermögen-Gesetz in Berlin (West) uneingeschränkt in Kraft gesetzt habe. Das Ziel des Sechsten Überleitungsgesetzes, mit Fortfall oder Suspendierung der alliierten Vorbehaltsrechte eine weitgehende Gleichstellung von Berlin (West) mit dem übrigen Bundesgebiet zu schaffen, habe nur durch die umfassende Inkraftsetzung des Reichsvermögen-Gesetzes in Berlin (West) erreicht werden können. Aus dem grundsätzlich umfassenden Inkraftsetzen des Reichsvermögen-Gesetzes folge jedoch nicht, dass das Gesetz vollständig, d.h. unter Einschluss von § 19 Abs. 1 RVermG und damit mit erneuten territorialen Beschränkungen, in Kraft getreten sei. Die durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes angeordnete „uneingeschränkte” Geltung des Reichsvermögen-Gesetzes in Berlin (West) könne nach Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes nur dahingehend verstanden werden, dass sämtliche Einschränkungen des räumlichen Geltungsbereichs von Normen, die auf alliierten Vorbehaltsrechten beruhten, beseitigt worden seien. Dies umfasse auch Mehrfachsperrungen, wie sie sich im Reichsvermögen-Gesetz durch das Zusammentreffen des alliierten Gesamtvorbehalts mit dem Sondervorbehalt des § 19 Abs. 1 RVermG verwirklicht hätten.
3. Die in § 19 Abs. 1 RVermG enthaltene „negative” Berlin-Klausel beruhe nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der Norm auf alliierten Vorbehaltsrechten. Der Gesetzgeber habe durch Einfügung des § 19 Abs. 1 in das Reichsvermögen-Gesetz dem drohenden Konfliktpotenzial mit den alliierten Vorbehaltsrechten Rechnung zu tragen versucht, zumal er nicht habe davon ausgehen können, dass die Alliierte Kommandantur das Gesetz im Ganzen sperren würde. Der Gesetzgeber habe somit bereits im Gesetzgebungsverfahren Rücksicht auf den Vier-Mächte-Status genommen. Maßgebend sei Anfang der 60er Jahre gewesen, dass die dem Bund nach § 5 Abs. 2 RVermG eingeräumte Möglichkeit, Rückfallansprüche der Länder durch den Bedarfseinwand endgültig zu vernichten, einen hoheitlichen Zugriff auf Vermögensgegenstände dargestellt hätte.
4. Mit dem Inkraftsetzen des Reichsvermögen-Gesetzes durch das Sechste Überleitungsgesetz werde dem von Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG vorgegebenen Ziel einer möglichst zeitnahen Regelung der offenen Vermögensfragen, wie es in der Fristenregelung des § 5 RVermG zum Ausdruck komme, Rechnung getragen. Die Regelung des § 5 RVermG sei auch ausführbar gewesen. Die Frist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RVermG habe für Berlin (West) im Regelfall mit Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Oktober 1990 zu laufen begonnen. Dabei komme es nicht auf die Geltendmachung eines möglichen Eigenbedarfs des Bundes an. Die Anmeldefrist sei unabhängig von einem eventuell vorhandenen Bundesbedarf zu beachten.
5. Auf die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage, ob § 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes als besondere Regelung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG verstanden werden könne, komme es nicht an, da § 19 Abs. 1 RVermG als in das Gesetz aufgenommenes Berliner Sonderrecht nicht zur Geltung gelangt sei. Im Übrigen bildeten Satz 1 und Satz 2 des § 19 Abs. 1 RVermG eine Sinneinheit, die die vom Antragsteller vertretene Unterscheidung verbiete. § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG lasse sich ein aufschiebend bedingter Gestaltungsauftrag nicht entnehmen. Die Norm enthalte in erster Linie einen zeitlichen Aufschub. Selbst wenn man davon ausginge, dass das Reichsvermögen-Gesetz zunächst mit der Einschränkung des § 19 Abs. 1 Satz 1 RVermG in Kraft gesetzt worden sei, folge jedenfalls dasselbe Ergebnis, da in diesem Fall § 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes als entsprechende besondere Regelung verstanden werden müsse. § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes werde auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und Normenwahrheit gerecht. Soweit sich der Antragsteller auf Vertrauensgesichtspunkte berufe, könne ein schutzwürdiges Vertrauen auf den späteren Erlass einer besonderen Regelung nicht festgestellt werden.
6. Soweit der Antragsteller hilfsweise die Verpflichtung des Bundesgesetzgebers begehre, § 5 RVermG oder aber eine besondere Regelung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG auch für Berlin (West) in Geltung zu setzen, seien die Anträge unzulässig, jedenfalls aber in der Sache unbegründet, da § 5 RVermG bereits durch § 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes in Kraft gesetzt worden sei. Im Übrigen würde ein erneutes Ingangsetzen der Fristen des § 5 RVermG zu einer Privilegierung des Landes Berlin gegenüber den alten Ländern führen.
Entscheidungsgründe
B.
Der Hauptantrag ist als Normenkontrollantrag nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6, §§ 76 ff. BVerfGG zulässig.
I.
Der Verfassungsrechtsweg ist eröffnet. Der Antrag des Berliner Senats ist auf die Feststellung der Unvereinbarkeit des § 19 Abs. 1 RVermG mit Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG und mit dem föderalen Gleichbehandlungsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) gerichtet. Es soll eine Gesetzesvorschrift des Bundesrechts am Grundgesetz gemessen werden, wobei die Verfassungsfrage geprägt ist durch das materielle Verfassungsrechtsverhältnis, das zwischen dem Land Berlin auf der einen und dem Bund als Inhaber der Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 134 Abs. 4 GG auf der anderen Seite besteht. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beantwortung der Verfassungsfrage hier entscheidend von der Klärung einfachrechtlicher Vorfragen abhängt.
II.
Im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle wird der Prüfungsgegenstand durch den Antrag bestimmt. Der Antrag ist aber im Hinblick auf die im Einzelnen vorgebrachten Beanstandungen auszulegen (vgl. BVerfGE 86, 148 ≪210 f.≫; 93, 37 ≪65≫; 97, 198 ≪213≫).
Soweit der Berliner Senat mit seinem Hauptantrag begehrt, § 19 Abs. 1 RVermG mit der Maßgabe für nichtig zu erklären, dass die in § 5 RVermG genannten Fristen erst ab dem Zeitpunkt der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht zu laufen beginnen, kann dies nicht Prüfungsgegenstand der abstrakten Normenkontrolle sein. Für eine – im Hinblick auf die Präklusionsregelungen modifizierte – Inkraftsetzung von § 5 RVermG fehlt dem Bundesverfassungsgericht bereits die Kompetenz. Sollte festzustellen sein, dass § 19 Abs. 1 RVermG zu einem verfassungswidrigen Zustand geführt hat, hätte der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten, eine verfassungsgemäße Rechtslage herzustellen. In einem solchen Fall führt die Feststellung eines Verfassungsverstoßes regelmäßig nicht zur Nichtigerklärung – die vorliegend den Wegfall der angegriffenen Norm und somit das Inkrafttreten des § 5 RVermG zum 3. Oktober 1990 zur Folge hätte –, sondern lediglich zur Erklärung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz (vgl. BVerfGE 112, 268 ≪283≫; 116, 243 ≪269 f.≫).
§ 19 Abs. 1 RVermG stellt jedoch insoweit einen tauglichen Prüfungsgegenstand im Sinne des § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG dar, als das Begehren auf die Verwerfung von § 19 Abs. 1 RVermG, verbunden mit der Feststellung einer Pflicht des Bundesgesetzgebers zu einer Sachregelung gemäß Art. 134 Abs. 3 GG zugunsten des Antragstellers, gerichtet verstanden werden kann. Der Antrag des Berliner Senats ist dahin auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, der Gesetzgeber habe den Gesetzgebungsauftrag des Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG sowie das föderale Gleichbehandlungsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt, indem er für den vormaligen Westteil des Landes Berlin § 5 RVermG nicht in Kraft gesetzt und auch keine besondere Regelung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG geschaffen habe.
III.
Der Antrag genügt den Anforderungen des § 76 Abs. 1 BVerfGG auch insofern, als die Überzeugung von der Unvereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht der Überzeugung von der Nichtigkeit gleichzustellen ist (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleib-treu/Klein/Bethge ≪Hrsg.≫, BVerfGG, Stand Februar 2007, § 76 Rn. 48). Wie die sachgerechte Auslegung des Antrags ergibt, ist der Antragsteller von der Unvereinbarkeit des zur Überprüfung gestellten § 19 Abs. 1 RVermG mit Art. 134 Abs. 3 GG überzeugt.
IV.
Der Antragsteller hat ein objektives Interesse an der mit dem Normenkontrollantrag begehrten Feststellung. Das objektive Klarstellungsinteresse wird im Falle des Normverwerfungsantrags nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG durch die Antragstellung und einen Antragsgrund indiziert (vgl. BVerfGE 96, 133 ≪137≫). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die zum Prüfungsgegenstand erhobene Norm außer Kraft getreten (vgl. BVerfGE 5, 25 ≪28≫; 20, 56 ≪93 f.≫; 79, 311 ≪326 ff.≫; 97, 198 ≪213 f.≫; 100, 249 ≪257≫) oder auf andere Weise gegenstandslos geworden ist. Nur wenn von der als verfassungswidrig gerügten Norm unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Rechtswirkungen ausgehen, ist das objektive Klarstellungsinteresse zu verneinen (vgl. BVerfGE 113, 167 ≪193≫). Dies könnte – ohne dass darüber abschließend zu befinden ist – auch dann der Fall sein, wenn eine Norm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung unterbreitet wird, die offensichtlich und in jeder Hinsicht gegenstandslos und damit obsolet geworden ist.
Diese besonderen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Geltung von § 19 Abs. 1 RVermG ist in der Literatur umstritten (vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Die Notwendigkeit einer besonderen gesetzlichen Regelung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG für das im früheren Westteil von Berlin gelegene Rückfallvermögen, Ausarbeitung vom 3. März 2004, S. 10 f.), Rechtsprechung hierzu ist bisher nicht ergangen, und der von der Bundesregierung vorgetragene Standpunkt ist – auch im Hinblick auf die von ihr bis zum Jahr 1999 vertretene Auffassung – nicht evident. Es mag argumentiert werden, dass das Reichsvermögen-Gesetz ohne erneute territoriale Beschränkungen durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes übergeleitet worden und § 19 Abs. 1 RVermG damit in Berlin (West) zum 3. Oktober 1990 nicht in Kraft getreten ist. Wird ein förmliches Außerkraftsetzen des § 19 Abs. 1 RVermG durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes abgelehnt, könnte ebenfalls überlegt werden, dass § 19 Abs. 1 RVermG zu keinem Zeitpunkt zum Tragen gekommen und daher gegenstandslos ist. Jedoch bedürfen diese Erwägungen näherer Überprüfung und rechtfertigen nicht die Verwerfung des Normenkontrollantrags a limine.
C.
Die angegriffene Regelung des § 19 Abs. 1 RVermG ist mit Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG und dem föderalen Gleichbehandlungsgebot (Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Nach Wegfall der alliierten Vorbehaltsrechte wurde mit § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes das gesamte Reichsvermögen-Gesetz unter Einschluss der Rückfallregelung des § 5 RVermG nach Berlin (West) übergeleitet. Es bedurfte hierzu keiner spezifizierten Gesetzgebung im Hinblick auf § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG. § 5 RVermG ist seit dem 3. Oktober 1990 in Berlin (West) anwendbar und inhaltlich nicht zu beanstanden.
I.
1. Nach § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes gilt Bundesrecht, das in Berlin (West) aufgrund alliierter Vorbehaltsrechte bisher nicht oder nicht in vollem Umfang galt, vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an uneingeschränkt in Berlin (West), soweit sich aus § 2 und § 3 nicht etwas anderes ergibt. Nach seinem § 5 Abs. 1 ist das Sechste Überleitungsgesetz mit der zum 3. Oktober 1990 wirksamen Suspendierung der alliierten Vorbehaltsrechte in Bezug auf Berlin (West) durch die Erklärung der Vier Mächte zur Aussetzung der Wirksamkeit der Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten vom 1. Oktober 1990 (BGBl II S. 1331) in Kraft getreten (zur endgültigen Beendigung der Vorbehaltsrechte vgl. Art. 7 des am 15. März 1991 in Kraft getretenen Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, BGBl II S. 1318 – sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag –; Vertragsgesetz vom 11. Oktober 1990, BGBl II S. 1317; BGBl 1991 II, S. 587).
Es entspricht herrschender – auch vom Antragsteller nicht in Frage gestellter – Auffassung, dass durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes das Reichsvermögen-Gesetz, das bis dahin in Berlin (West) in vollem Umfang keine Geltung erlangt hatte, am 3. Oktober 1990 nach Berlin (West) übergeleitet worden ist (vgl. Bartlsperger, Der Rückfall stationierungsrechtlich genutzten früheren Reichsvermögens, S. 169; Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, a.a.O., S. 10 ff.; Mager, in: von Münch/Kunig ≪Hrsg.≫, Grundgesetz-Kommentar, 4./5. Aufl. 2003, Bd. 3, Art. 134 Rn. 8; Ipsen/Koch, in: Sachs ≪Hrsg.≫, Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 134 Rn. 16; a.A. Geulen, LKV 2005, S. 158 ≪158 f.≫).
§ 2 bis § 4 des Sechsten Überleitungsgesetzes sehen im Hinblick auf das Reichsvermögen-Gesetz keine Sonderregelungen und Ausnahmen vor. § 2 des Gesetzes erfasst Bundesrecht, dessen Überleitung nach Berlin (West) nur mit Maßgaben oder Sonderregelungen möglich ist, § 3 Vorschriften, die trotz Fortfalls der alliierten Vorbehaltsrechte in Berlin (West) weiterhin nicht gelten sollen. § 4 des Sechsten Überleitungsgesetzes setzt bundesrechtliche Sondervorschriften für Berlin (West) außer Kraft.
2. Mit der Überleitung des Reichsvermögen-Gesetzes ist zugleich die Rückfallregelung des § 5 RVermG in Berlin in Kraft gesetzt worden. Dem steht der besondere Berlin-Vorbehalt des § 19 Abs. 1 RVermG nicht entgegen. Mit diesem Vorbehalt hat der Gesetzgeber 1961 entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Anforderungen an eine künftige Regelung normiert, denen das Sechste Überleitungsgesetz nicht genügen würde.
a) Der Umstand, dass das Reichsvermögen-Gesetz neben der allgemeinen Berlin-Klausel des § 21 in § 19 Abs. 1 einen besonderen Berlin-Vorbehalt enthält, hindert für sich genommen nicht, dass § 5 RVermG durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes zum 3. Oktober 1990 in Kraft gesetzt worden ist. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm das Ziel verfolgt, sämtliche Rechtsetzungsakte des Bundes, die Vorschriften mit einer (ausschließlich) Berlin ausnehmenden Regelung enthalten, auf Berlin zu er-strecken. Infolgedessen sollten sämtliche Berlin-Klauseln und -Regelungen gegenstandslos werden (vgl. BTDrucks 11/7824, S. 6 ≪zu § 1 Satz 1≫; ferner BTDrucks 11/7936 sowie 11/7937). Zu diesen gehört auch § 19 Abs. 1 RVermG.
b) Es besteht kein Anlass, im Wege restriktiver Auslegung des Sechsten Überleitungsgesetzes dessen Anwendung auf den besonderen Berlin-Vorbehalt des § 19 Abs. 1 RVermG zu verneinen. Die Bestimmung hat nicht die Bedeutung des Vorbehalts einer Berlin-spezifischen Sachregelung, die ihm der Antragsteller gibt.
aa) Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Entwurfs des Reichsvermögen-Gesetzes zum Ausdruck gebracht, dass ein Rückfallverfahren in Berlin erst dann ermöglicht werden soll, wenn der Bundesbedarf am Rückfallvermögen überschaubar und entscheidbar ist (vgl. BTDrucks 3/2357, S. 19):
„Der Bedarf des Bundes in Berlin ist zur Zeit noch nicht zu übersehen. Dieser Tatsache trägt § 19 Rechnung. Hiernach tritt § 5, in dem der Bundesbedarf eine ausschlaggebende Rolle spielt, in Berlin nicht in Kraft. Insoweit wird für Berlin eine besondere Regelung vorbehalten.”
Dem Bedarf des Bundes wird damit eine ausschlaggebende Rolle für das Rückfallverfahren zuerkannt (vgl. Bartlsperger, a.a.O., S. 124 f.). Da der Bundesverwaltungsbedarf in Berlin (West) Anfang der sechziger Jahre nicht zu überblicken war, hätte das Rückfallverfahren, so wie es in § 5 RVermG vorgesehen ist, nicht durchgeführt werden können. § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG belegt, dass sich der Gesetzgeber die Entscheidung darüber vorbehalten hat, wann in Berlin das Rückfallvermögen zugeordnet werden kann, und unterbindet zugleich etwaige Ansätze, aus dem Fehlen einer Regelung zu Art. 134 Abs. 3 GG nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Ansprüche des Landes Berlin zu entwickeln.
bb) Es bestehen hingegen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber für das Rückfallverfahren in Berlin (West) an eine inhaltlich von § 5 RVermG abweichende Regelung gedacht haben könnte. § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG nimmt bereits durch die Formulierung „insoweit” auf die Geltungssperre in Satz 1 Bezug und verknüpft die beiden Sätze des § 19 Abs. 1 RVermG zu einer Sinneinheit. Die gegenteilige Auffassung findet auch in der Begründung des Gesetzentwurfs keine Stütze. Aus der Formulierung, der Bundesbedarf sei „zur Zeit noch nicht” zu übersehen, wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber allein um eine zeitlich begrenzte Suspendierung von § 5 RVermG ging. Hätte sich der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 Satz 2 RVermG für Berlin eine inhaltlich von § 5 RVermG abweichende Regelung vorbehalten wollen, hätte es nahe gelegen, darauf in der Gesetzesbegründung einzugehen und nicht nur den Wortlaut der Norm wiederzugeben.
cc) Der Aufschub der Zuordnung des Rückfallvermögens in Berlin (West) findet darüber hinaus (und von der vorgenannten Erwägung des Gesetzgebers wohl nicht zu trennen) seinen Grund in den besonderen rechtlichen Verhältnissen, die in den Westsektoren Berlins herrschten.
(1) Auch wenn Berlin (West) ein Land der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist (vgl. Art. 23 Satz 1 GG in der bis zum 28. September 1990 gültigen Fassung, BGBl 1949, S. 1), haben besondere Vorbehaltsrechte bestanden, die auf ursprünglich besatzungsrechtlicher Grundlage beruhten.
Die drei westlichen Besatzungsmächte haben mit dem Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 (Amtsblatt der Militärregierung – Deutschland ≪britische Zone≫ vom 10. September 1949, Teil 2 B) ihre Vorbehaltsrechte festgelegt. Zu den erklärten Vorbehalten gehörte nach Nr. 4 des Genehmigungsschreibens, dass Berlin nicht vom Bund regiert wird „…nor be governed by the Federation”, vgl. BVerfGE 7, 1 ≪8≫). Eine unmittelbare organisatorische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland sollte mit Rücksicht auf die fortdauernde internationale Spannung vorerst aufgeschoben werden (vgl. BVerfGE 1, 70 ≪72≫), um die Entscheidungsfreiheit der Alliierten Kommandantur Berlin bei der Ausübung ihrer besatzungsrechtlichen Befugnisse in Berlin zu sichern (vgl. BVerfGE 19, 377 ≪385≫). Der Vorbehalt enthält also ein kurz formuliertes prinzipielles Verbot politisch bedeutsamer Einwirkung der Bundesrepublik auf die Berliner Landesgewalt (vgl. BVerfGE 10, 229 ≪232≫).
Mit Rücksicht auf die Sonderstellung Berlins wurde dieser Vorbehalt auch nach der Beendigung des Besatzungsregimes durch den Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 / 23. Oktober 1954 (BGBl II 1955, S. 305) – Deutschlandvertrag – aufrechterhalten (vgl. auch BVerfGE 7, 1 ≪8≫). Art. 2 des Deutschlandvertrages bestimmt, dass die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung behalten.
(2) Vor diesem Hintergrund musste der Bundesgesetzgeber in den Jahren 1960/61 die Zuordnung von Reichsvermögen in Berlin (West) differenziert betrachten.
Soweit es um Reichsvermögen nach Art. 134 Abs. 1 und Abs. 2 GG ging, beabsichtigte der Gesetzgeber dessen endgültige Zuordnung in Berlin (West). Aus diesem Grund wollte er das Reichsvermögen-Gesetz nach Berlin (West) überleiten (vgl. § 21 RVermG). Dies entsprach der seinerzeit als maßgeblich anerkannten Auffassung, dass zumindest Art. 134 Abs. 1 GG im vormaligen Westteil des Landes Berlin in Geltung getreten war, auch wenn bei der Ausübung der Eigentümerrechte auf den alliierten Regierungsvorbehalt Rücksicht genommen werden musste (vgl. Bartlsperger, a.a.O., S. 156; Siebenhaar, JR 1959, S. 207 ff.; Zieger, in: von Münch ≪Hrsg.≫, a.a.O., Art. 134 Rn. 9 b; Pfennig, in: Pfennig/Neumann ≪Hrsg.≫, Verfassung von Berlin, 2. Aufl. 1987, Art. 48 Rn. 8 – insbesondere zur Grundbuchpraxis in Berlin ≪West≫; von Lampe/Pfennig, ebenda, Art. 1 Rn. 73; a.A. wohl nur Gutzschebauch, NJW 1958, S. 321 ≪Fn. 11≫; auf die vom Kammergericht im nicht veröffentlichten Urteil vom 20. Juni 1975 – 1 W 1069/74 – vertretene, ebenfalls abweichende Auffassung kommt es für die Ermittlung des gesetzgeberischen Willens im Jahr 1961 nicht an). Es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass dem Bundesgesetzgeber bei der Verabschiedung des Reichsvermögen-Gesetzes anders lautende Äußerungen der westlichen Besatzungsmächte vorgelegen haben könnten (zu möglichen Motiven der nicht näher begründeten Ablehnung der Überleitung des Reichsvermögen-Gesetzes Zieger, in: von Münch ≪Hrsg.≫, a.a.O., Art. 134 Rn. 9 b; Pfennig, in: Pfennig/Neumann ≪Hrsg.≫, Verfassung von Berlin, 2. Aufl. 1987, Art. 48 Rn. 8).
Hingegen war die Vermögenszuordnung nach Art. 134 Abs. 3 GG in erhöhtem Maße der Gefahr einer Ablehnung seitens der Alliierten ausgesetzt. Das Rückfallverfahren schließt die Möglichkeit ein, dass der Bund Vermögensgegenstände für sich beansprucht, die er für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. Der Bund ist nach § 5 Abs. 2 Satz 3 RVermG gehalten, den Vermögensgegenstand innerhalb von zwei Jahren nach der Geltendmachung des Bedarfs hierfür tatsächlich zu nutzen, wenn er den Vermögensgegenstand nicht wieder verlieren möchte. In derartigen Vorgängen konnte die Ausübung von Regierungsgewalt gesehen werden, die dem Bund in Berlin nicht zustand. § 19 Abs. 1 RVermG schließt diesbezügliche Konflikte aus und ist daher auch als Maßnahme des Gesetzgebers zu verstehen, die Zustimmung der westlichen Alliierten zum Reichsvermögen-Gesetz im Übrigen sicherzustellen. Dies unterstreicht, dass die Bestimmung zu den durch § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes außer Kraft gesetzten gehört.
c) Einwände gegen die Gültigkeit des Sechsten Überleitungsgesetzes im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen gemäß Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 108, 1 ≪20≫ m.w.N.) sind unbegründet. Der Gesetzgeber hat wegen der Vielzahl der betroffenen Gesetze und Verordnungen und des Zeitdrucks bei der Herstellung der deutschen Einheit bewusst auf eine konkrete Überleitung jedes einzelnen betroffenen Rechtsaktes verzichtet und sich stattdessen der allgemein gefassten Klausel des § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes bedient. Er war sich dabei der Gefahr bewusst, eine unübersichtliche sowie lückenhafte Regelung zu treffen (vgl. BTDrucks 11/7824, S. 6 ≪zu § 1 Satz 1≫).
Diese Vorgehensweise ist angesichts der besonderen historischen Situation bei der Herstellung der deutschen Einheit nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat im Übrigen in § 1 Satz 1 des Sechsten Überleitungsgesetzes mit der Anknüpfung an die alliierten Vorbehaltsrechte klare oder der Auslegung fähige Kriterien zur Bestimmung der überzuleitenden Regelungen aufgestellt, sein Regelungsziel in der Begründung erläutert und für bestimmte Gesetze Sonderregelungen getroffen. Damit sind ausreichende Grundlagen dafür geschaffen worden, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung die nötige Regelungsklarheit zu gewinnen.
II.
Der Gesetzgeber hat seinen Regelungsauftrag gemäß Art. 134 Abs. 3 und Abs. 4 GG erfüllt, indem er das in § 5 RVermG geregelte Rückfallverfahren zum 3. Oktober 1990 im Land Berlin eingeführt hat. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestehen nicht.
1. Die materiellrechtlichen Bestimmungen des § 5 RVermG sind mit Art. 134 Abs. 3 GG vereinbar. Der Gesetzgeber hatte insbesondere keinen Anlass, die Voraussetzungen eines Vermögensrückfalls für Berlin anders als im übrigen Bundesgebiet auszugestalten. Mit dem Sechsten Überleitungsgesetz wurde insoweit die rechtliche Gleichstellung Berlins bewirkt. Auch der Antragsteller begehrt für das im Westteil des Landes Berlin belegene Rückfallvermögen sachlich keine von § 5 RVermG abweichende Regelung. Die Erwägung, der Bundesbedarf in Berlin (West) sei auch nach dem 3. Oktober 1990 lange Zeit nicht absehbar gewesen und es hätte daher einer besonderen Regelung bedurft (vgl. Geulen, LKV 2005, S. 158 ≪159≫), betrifft allein die Frage, ob es im Interesse des Bundes zweckmäßig war, das Rückfallverfahren zum 3. Oktober 1990 in Gang zu setzen.
2. Ebenso wenig bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RVermG geregelten Ausschlussfristen. Sie sind verhältnismäßig und zumutbar (zum Prüfungsmaßstab vgl. BVerfGE 61, 82 ≪113 ff.≫; BVerwGE 66, 99 ≪106≫). Durch die Jahresfrist für die Geltendmachung des Rückfallrechts wird sichergestellt, dass die Rechtsverhältnisse in überschaubarer Zeit geklärt werden und nicht viele Jahre in der Schwebe bleiben. Die Frist ist insbesondere deshalb zumutbar, weil die Gefahr der Unkenntnis des Rückfallberechtigten, der erst nach Inkrafttreten des Gesetzes von seinem Rückfallrecht erfährt, nicht zu seinen Lasten geht; die Frist beginnt in diesem Fall erst mit der Kenntniserlangung (vgl. BTDrucks 3/2357, S. 13).
Im Wege der Auslegung ist hinreichend bestimmbar, welche Fristen nach der Überleitung des Reichsvermögen-Gesetzes in Berlin gelten. Entsprechend der Absicht des Gesetzgebers, das Land Berlin im Einklang mit Art. 134 Abs. 3 GG und dem föderalen Gleichbehandlungsgebot (vgl. BVerfGE 72, 330 ≪404≫; 86, 148 ≪251≫; 95, 250 ≪265≫; s. ferner BVerwGE 99, 283 ≪293≫) rechtlich mit dem übrigen Bundesgebiet gleichzustellen, sind die Präklusionsregelungen dahin zu verstehen, dass sie sich im vormaligen Westteil des Landes Berlin auf den Zeitpunkt der dortigen Inkraftsetzung der Norm am 3. Oktober 1990 beziehen (vgl. Bartlsperger, a.a.O., S. 172 f.). Nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 RVermG beginnt die Jahresfrist mit Inkrafttreten dieses Gesetzes. Die Inkraftsetzung des Reichsvermögen-Gesetzes im Jahr 1961 hat sich territorial nicht auf Berlin (West) erstreckt und scheidet daher als Bezugspunkt für einen Fristbeginn aus. Auch Sinn und Zweck der Norm, erst mit der Geltung des Gesetzes die Ausschlussfrist in Gang zu setzen, gebieten, auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens des Reichsvermögen-Gesetzes in Berlin (West) abzustellen. Die Ausschlussfrist begann daher am 3. Oktober 1990 oder mit einer später eingetretenen Kenntnis des Landes Berlin vom Rückfallrecht. Entsprechendes gilt für die Mindestfrist von drei Jahren nach § 5 Abs. 2 Satz 2 RVermG, die dem Bund für die Einwendung eigenen Verwaltungsbedarfs zusteht.
Der Umstand, dass der Bund gegenüber dem Land Berlin bis 1999 die Durchführung eines Rückfallverfahrens mit der Begründung abgelehnt hat, es fehle eine Rechtsgrundlage, ist im Rahmen der vorliegenden Normenkontrolle nicht erheblich. Soweit der Antragsteller daraus präklusionshindernde Rechte ableiten möchte, steht ihm zur Klärung dieser Frage der Verwaltungsrechtsweg offen. Es kann offen bleiben, ob und in welchen Fällen es zum Pflichtprogramm des Gesetzgebers gehören könnte, die allgemeinen Rechtsgrundsätze über die Hemmung von Fristen (vgl. im vorliegenden Zusammenhang Bartlsperger, a.a.O., S. 121; s. auch Höfling, DVBl 1997, S. 1301 ≪1308≫) spezialgesetzlich zu regeln. Jedenfalls kommt hier ein verfassungsrechtlich relevantes Regelungsdefizit nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber im Jahr 1990 keinen Anlass hatte, sich derartigen Fragen zuzuwenden. Gründe, die das Land Berlin hätten hindern können, seine Rückfallansprüche innerhalb der vorgesehenen Fristen geltend zu machen, waren nicht ersichtlich.
D.
Soweit der Antragsteller hilfsweise die Verpflichtung des Bundes zur Inkraftsetzung von § 5 RVermG sowie höchst hilfsweise zur Schaffung einer vergleichbaren Regelung über das Rückfallverfahren beantragt hat, kann die Zulässigkeit dieser Anträge dahin gestellt bleiben. Sie können jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben, weil der Bundesgesetzgeber seinen Regelungsauftrag aus Art. 134 Abs. 4 GG erfüllt hat. Eines gesonderten Entscheidungsausspruchs bedarf es insoweit nicht.
E.
Diese Entscheidung ist zu B. mit 7:1 Stimmen ergangen.
Unterschriften
Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1930170 |
BVerfGE 2008, 394 |
LKV 2008, 169 |
NJ 2008, 166 |
DVBl. 2008, 377 |
Nds.MBl 2008, 369 |